Sicher mag es auch schräge Vögel unter den „Reichsbürgern“ geben:

Und in der Tat ist es
… lang so gewesen, dass man diese Rechten eher als „harmlose Nostalgiker“ behandelte, warum auch nicht, dachte auch mancher Sicherheitsfachmann.
Und Leute wie Peter Fitzek taten gern das Ihre, um nicht mit Gewalt aufzufallen. Sondern eher mit Spleens, mit Extravaganzen nach Art einer Sekte, die sich indessen eher glanzlos im Industriegebiet traf,
schreibt die Süddeutsche Zeitung zum Verbot des „Königreichs Deutschland“.
Wie Iris Mayer und Ronen Steinke berichten, hätte der Verfassungsschutz zunächst „wenig Lust“ gehabt, dieses Milieu ins Visier zu nehmen:
Wie soll man das überhaupt nennen, rechtsradikal, rechtsextrem oder einfach nur esoterisch? Darüber konnten die Verfassungsschützer lange Zeit keine gemeinsame Linie finden.
Erst 2017 bestand die Bundesregierung darauf, dass der Verfassungsschutz den Auftrag übernimmt – auch wenn viele weiter eher von einem psychologischen Problem ausgingen:
So erzählten es Beamte im Gespräch: Das seien meist arme Teufel, die sich in selbstgebaute Luftschlösser flüchteten, Menschen – meist Männer –, die von der Realität überfordert seien, von Mahnbescheiden, Unterhaltszahlungen.

Dass es aber kaum nur um Fantasie und Rollenspiele geht, sondern um ein Milieu, das sich zunehmend aggressiv zeigt, auch zunehmend bewaffnet, um aus seiner vermeintlichen Opferrolle ausbrechen und endlich zur Gegenwehr ansetzen zu können – das sei dann spätestens in den Corona-Jahren unübersehbar geworden:
Solche Gewalt hat dem „Königreich Deutschland“ noch niemand vorgeworfen, bei „König“ Peter I. sind dem Vernehmen nach bei der Razzia am Dienstag auch keine Waffenlager gefunden worden, Putschpläne schon gar nicht.
Dass sich die neue, harte Linie der Sicherheitsbehörden jetzt aber auch gegen das Finanzgebaren, das Sektenhafte, das Verschwörungserzählerische dieses Milieus richtet, zeigt, wie sehr sich die Haltung des Staates verschärft hat. Das ist die Ansage, die nun von Alexander Dobrindt ausgeht.
Die Zeit des Zusehens ist vorbei.

Exklusive Filmaufnahmen von Fitzeks Festnahme zeigte gestern Abend Spiegel-TV.
Ein Longread in der SZ-Wochenend-Ausgabe (Buch Zwei) befasst sich mit drei Mitgliedern der sogenannten Reuß-Gruppe (Patriotische Union), die in Stuttgart, Frankfurt und München vor Gericht stehen.
Vorweg:
Die Ermittler der drei Reichsbürger-Prozesse haben keine Verbindungen der Gruppe um Prinz Reuß zum „Königreich“-Verein dokumentiert.

Im Fokus des Artikels stehen ein Kleinkrimineller, eine Hausärztin und ein Ingenieur, die zeigen, „wie groß die gesellschaftliche Bandbreite dieser Gruppierung war“.
Deren ganz eigener Blick auf die Realität setze sich vor allem zusammen aus Narrativen aus der Reichsbürgerszene „und dem in den USA entstandenen Verschwörungsmythos QAnon, der davon ausgeht, dass der Staat unterwandert ist von Kinderschändern“ – der sogenannte „Deep State“, eine pädophilen Elite, die sich gegen die Bevölkerung verschworen habe und zahlreiche Verbrechen begehe. Allen voran einen systematisch betriebenen rituellen Missbrauch von Kindern:
Für die, die an diese düstere Welt glaubten, gab es eine einzige gute Nachricht: Der heimtückische „Deep State“ hatte einen Gegenspieler, die rettende „Allianz“.
Diese „Allianz“ soll gegründet worden sein nach dem Attentat auf den US-Präsidenten John F. Kennedy, dahinter stecken der QAnon-Legende nach mehrere Staaten, Militärs, Geheimbünde. Gelenkt werde sie von Donald Trump, Wladimir Putin und Xi Jinping.
Natürlich war diese „Allianz“ genauso herbeifantasiert wie der „Deep State“, aber die Geschichten hatten einen Vorteil: Sie teilten die unübersichtliche Welt in Gut und Böse,
erklären Annette Ramelsberger und Benedikt Warmbrunn.
Viel mehr an Motiven als dieses Außenseitertum, gepaart mit politischen Ohnmachtsgefühlen, Kontrollverlust während der Coronakrise und dem Wunsch nach Komplexitätsreduktion, fördert der Artikel indes nicht zutage, die Eingangsfrage „Wie wurden aus unauffälligen Bürgern Staatsfeinde?“ bleibt im Grunde offen.

Nur eins ist sicher:
Am Ende werden der Kleinkriminelle, die Hausärztin, der Ingenieur und die anderen Angeklagten um Prinz Reuß wohl verurteilt werden. Die meisten von ihnen zu langen Haftstrafen. Dann werden sie ihre Parallelwelt verlassen und in Zellen sitzen, für viele Jahre. In echten Gefängniszellen.
Und nein, die Angeklagten sind nicht psychisch gestört. Vor dem Oberlandesgericht in Frankfurt hatte der Vorsitzende Richter zu Beginn des Prozesses gefragt, ob eine psychiatrische Begutachtung nötig sei.
Alle Verteidiger hatten das abgelehnt.
Zum Weiterlesen:
- „Polizei stoppt Reichsbürger im Darth-Vader-Kostüm“ spiegel (19. Mai 2025)
- Ramelsberger, Annette/Warmbrunn, Benedikt „Die Putschisten des Prinzen“ Süddeutsche (16. Mai 2025)
- Mayer, Iris/Steinke, Ronen „Gestern ein König“ Süddeutsche (13. Mai 2025)
- „Das Ende vom Königreich Deutschland“ spiegel (13. Mai 2025)
- Harder, Bernd „Der König ist nackt: Peter Fitzek verhaftet, sein Königreich Deutschland verboten“ skeptix (13. Mai 2025)
- Harder, Bernd „Eisenharte Neonazis und lichtumspülte Esoteriker: Tobias Ginsburg über das KRD“ skeptix (14. Mai 2025)
- Harder, Bernd „Audienz beim König von Deutschland: die RTL-Reportage“ skeptix (17. Mai 2025)
Titelfoto: Youtube
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