Realitäts-Check: Der Homöopathie-Antrag beim SPD-Parteitag und die Homöopathen

(Lesedauer ca. 4 Minuten)

Erstaunlich:

Während wir den Antrag „G28“ an den Bundesparteitag der SPD eher als gut gemeintes „Ritual“ ansehen („wirkungslos, folgenlos“) …

https://parteitag.spd.de/fileadmin/parteitag/Dokumente/Antraege_oBPT2025/SPD_Antragsbuch_oBPT_2025.pdf

… springt die Homöopathen-Lobby im Dreieck:

https://x.com/BundesverbandH/status/1937766300224487719

Da wird alles aufgefahren, was die Kampfrhetorik hergibt – von glatten Lügen (die Homöopathie solle „verboten“ werden) über sinnfreie „Ideologie“-Vorwürfe bis hin zu quasireligiösen Bekenntnissen (Homöopathie biete „Hoffnung, Beziehung, Sinn“).

Da geht aber jemandem schwer die Düse.

Jan Oude-Aost, Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie, hat für Skeptix eine Replik verfasst:

Placebopolitik

Man muss es den Homöopathen lassen: An Selbstbewusstsein mangelt es ihnen nicht.

Während auf dem Bundesparteitag der SPD ein Antrag (G28) eingebracht wird, der schlicht fordert, alle Medikamente sollten künftig auch eine nachweisbare Wirkung haben (was für manche erstaunlich revolutionär klingt), wettert der Deutsche Zentralverein homöopathischer Ärzte (DZVhÄ) empört zurück.

Schließlich, so heißt es, gäbe es doch „wissenschaftliche Belege“. Und außerdem sei die Homöopathie doch „Teil der ärztlichen Praxis“.

Letzteres ist ein schwaches Argument, denn auch die Lobotomie war mal „teil ärztlicher Praxis“. Es gibt auch wissenschaftliche Belege für Telepathie. Und Delfine in der Psychotherapie. Und Ärzte, die Eigenurintherapie empfehlen. Wissenschaftlich belegt bedeutet nicht „Es gibt da eine Studie“, sondern: Was sagt der Gesamtstand der belastbaren Evidenz?

Und dieser sagt zur Homöopathie: „Keine spezifische Wirksamkeit nachweisbar.“

Was wirkt – und was nur wirkt wie

Der DZVhÄ verweist auf eine Metaanalyse von Mathie et al. (2023), die – man höre und staune – zu „positiven Ergebnissen“ kommt. Allerdings steht diese Analyse nicht auf auf den Schultern, sondern zu Füßen von Riesen, denn sie widerspricht praktisch allen großen, unabhängigen Reviews der letzten Jahrzehnte. Ob NHMRC (Australien, 2015), EASAC (Europäische Akademien, 2017) oder House of Commons Science and Technology Committee (UK, 2010): Die Diagnose ist klar – Homöopathie wirkt nicht besser als ein Placebo.

Das wissen übrigens auch viele Homöopathen. Deshalb argumentieren sie immer öfter nicht mit Wirkung, sondern mit „Erfahrung“. Das ist schön – aber gefährlich. Denn Erfahrung ist kein Ersatz für Evidenz, sondern ihre Quelle der Irrtümer.

Um Marc Crisslip zu zitieren: „Die drei gefährlichsten Worte in der Medizin sind: „Meiner Erfahrung nach…“. Wenn es um den medizinischen Standard geht, zählt nicht das gute Gefühl beim Zuckerkügelchengeben, sondern die objektiv messbare Wirkung über Placebo hinaus.

Die Macht der Mottenkiste

In seinem Schreiben verweist der DZVhÄ auch auf den sogenannten „WissHom-Reader“, ein Dokument der „Wissenschaftlichen Gesellschaft für Homöopathie“. Das ist ungefähr so, als würde McDonald’s eine Broschüre herausgeben, in der bescheinigt wird, dass Burger gesund sind – peer-reviewed by Ronald McDonald.

Dass solche PR-Dokumente nun wieder als Beweis für medizinische Relevanz angeführt werden, ist wenig überraschend, aber umso bezeichnender. Wer keine belastbaren Daten hat, recycelt eben die eigenen.

Gesundheitspolitik auf Zuckerbasis

Dass homöopathische Mittel in Deutschland nach wie vor den Status von Arzneimitteln haben – obwohl kein Wirknachweis gefordert wird –, ist laut dem Informationsnetzwerk Homöopathie (INH) ein „wissenschaftspolitischer Anachronismus“. Und damit hat es recht. Denn: Was kein Medikament ist, sollte auch nicht so heißen.

Ein weiterer Trick des Systems Homöopathie: das Etikett „Integrative Medizin“. Klingt nett. Klingt nach Harmonie, Natur und sanften Händen. Ist aber oft nur ein Deckmantel für das Einführen unwirksamer Verfahren durch die Hintertür – ohne wissenschaftliche Grundlage, dafür mit wohlklingenden Begriffen.

Wenn jede Maßnahme, die „nicht schadet“, in die Medizin integriert wird, dann sind wir nicht weit entfernt davon, auch Rosenquarzschmuck und Klangschalen als „ergänzende Behandlungsoptionen“ zu deklarieren – bei Bedarf mit S3-Leitlinie.

Der Antrag G28: ein Reality-Check

Der SPD-Antrag will nichts verbieten. Er will nur, dass homöopathische Präparate sich den gleichen Anforderungen stellen müssen wie andere Medikamente auch. Er will klare Hinweise auf fehlenden Wirknachweis (wie in Spanien). Er will, dass Arzneimittel nicht durch Magie, sondern durch Methodik entstehen.

Das ist kein Angriff auf Patient:innen – sondern ein Akt der Aufklärung.

Es ist auch kein Affront gegen Ärzt:innen – sondern ein Signal an die Wissenschaft.

Und es ist vor allem eines: ein Schritt zurück in die Realität.

Zum Weiterlesen:

Titelfoto: Pixabay/WolfBlur

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