Die „List of conspiracy theories promoted by Donald Trump“ ist lang und reicht von …
Joe Biden war gar nicht der echte US-Präsident, sondern ist bereits 2020 exekutiert und durch einen Klon ersetzt worden

… bis hin zu seinem immerwährenden Kampf gegen den ominösen „Deep State“:


Die Neue Zürcher Zeitung hat daher bereits vorgeschlagen, die künftigen Memoiren des US-Präsidenten „Trump. The Art of Conspiracy“ zu betiteln – in Anlehnung an sein Ratgeberbuch „Trump. The Art of the Deal“.
Doch unversehens fällt Trump der ausgeprägte „Paranoid Style“ seiner Politik auf die Füße:



Pädo-Präsident? Trump soll selbst zum „Deep State“ gehören? Was ist passiert?
Kurz zusammengefasst:
- Kaum etwas elektrisiert die MAGA-Basis so sehr wie die Todesumstände des ehemaligen Finanzinvestors Jeffrey Epstein. Mehr noch: Die Energie der Epstein-Verschwörungsbewegung habe „fast religiöse Züge angenommen“, sagen Beobachter.
- Epstein war 2019 wegen schwerster Sexualverbrechen (darunter Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung) festgenommen worden. Noch vor dem geplanten Prozessauftakt wurde er erhängt in seiner Gefängniszelle im Metropolitan Correctional Center in Manhattan aufgefunden. Die offizielle Todesursache ist Suizid.
- Eine Verschwörungstheorie der MAGA-Bewegung besagt, dass die „Deep State“-Elite eng mit Epstein verbandelt gewesen sei, der er minderjährige Mädchen zum Missbrauch vermittelt habe. Dabei spielt die Vorstellung einer geheimen Kundenliste mit prominenten Tätern und Vertuschern rund um Jeffrey Epstein eine zentrale Rolle. Der gut vernetzte Multimillionär sei von Akteuren auf dieser „Client List“ ermordet und somit zum Schweigen gebracht worden.
- Trumps Justizministerin Pam Bondi sagte im Frühjahr 2025, die Namensliste liege auf ihrem Schreibtisch und werde bald veröffentlicht.

- Vor wenigen Tagen erklärten das FBI (dessen Direktor Kash Patel ein glühender Trump-Unterstützer ist) und das Justizministerium, eine solche Liste existiere nicht. Bondi selbst korrigierte sich dahingehend, dass sie mit dem „Material auf ihrem Schreibtisch“ gar nicht Epsteins mutmaßliche „Client List“ gemeint hätte.

- Im Präsidentschaftswahlkampf hatte Donald Trump angekündigt, dass er die Epstein-Akten freigeben würde. In einem Interview mit Fox News sagte er auf die entsprechende Frage: „Yeah, yeah, I would.“

- Mittlerweile will er davon nichts mehr wissen: „Ich verstehe nicht, warum der Fall Jeffrey Epstein irgendjemanden interessiert. Das ist ziemlich langweiliges Zeug.“ Vor allem aber ist es nicht das, „was die MAGA-Wählerschaft bestellt hat“, kommentiert die Zeit: „Ihre Gier nach immer neuen Enthüllungen zu vermeintlich korrupten Eliten, die Trump und sein Umfeld strategisch befeuert hatten, erschöpft sich nicht einfach – im Gegenteil.“

- Die Folge: 69 Prozent der Amerikaner glauben, dass Trump die Epstein-Liste verheimlichen wolle.
Aber warum sollte er das tun?
Das Wall Street Journal veröffentlichte am 17. Juli einen seltsamen Geburtstagsgruß, den Trump 2003 an Epstein geschickt haben soll (in Form eines imaginären Gesprächs) – und der möglicherweise verklausulierte Anspielungen auf sexuelle Geheimnisse der beiden Männer enthält:


Mittlerweile hat Trump die Zeitung auf zehn Milliarden Dollar wegen Rufschädigung verklagt. Der Präsident bestreitet, dass der Brief (inklusive einer schlüpfrigen Zeichnung) von ihm stammt:
So kann er hoffen, seine Anhängerschaft von ihren eigentlichen Forderungen abzulenken und den Aufruhr zumindest für den Augenblick einzudämmen,
meint die FAZ.
Dass Trump und Epstein Umgang miteinander pflegten, ist indes kein Geheimnis. Begegnungen der beiden sind dokumentiert. 2019 distanzierte sich Trump von Epstein und erklärte, nichts von den Missbrauchsfällen gewusst zu haben. Am 5. Juni 2025 behauptete Elon Musk bei X, Trumps Name tauche in den Epstein-Akten auf – allerdings ohne Belege, und kurze Zeit später löschte er den Post wieder. Ernstzunehmende Hinweise, dass Trump in den Epstein-Skandal verwickelt sein könnte, gibt es bislang nicht.
Nicht zuletzt hätte Trump im Wahlkampf wohl kaum „so viel und so deutlich“ auf die Epstein-Karte gesetzt, wenn ihm die Enthüllungen selbst schaden könnten. Die New York Times spekuliert allerdings (unter Berufung auf eine ehemalige Epstein-Mitarbeiterin) darüber, dass die Epstein-Akten Material enthalten könnten, das für den US-Präsidenten peinlich oder politisch problematisch sein könnte – „selbst dann, wenn es im Wesentlichen nichts mit den Verbrechen von Epstein zu tun hat“.
Derweil beschimpft der US-Präsident seine treuesten Anhänger als „Schwächlinge“ und wirft ihnen vor, auf einen Schwindel der Demokraten reingefallen zu sein:

Aber wieso? Aus welchem Grund wirkt Trump plötzlich „etwas getrieben“ (SZ) beziehungsweise „erkennbar nervös“ (Morgenpost) und setzt sich durch die Epstein-Affäre selbst dem Verdacht aus, Teil des Systems zu sein, das er zu bekämpfen versprach?
Dazu kursieren mehrere Thesen, von denen zwei einigermaßen plausibel erscheinen:
- Trump hat mit der Verschwörungstheorie um die Epstein-Kundenliste Wahlkampf gemacht, ohne selbst daran zu glauben – und ist jetzt „im Netz seiner Lügen gefangen“.
- Trump und seine Administration haben an eine Epstein-Verschwörung geglaubt – jetzt wissen sie, dass es diese nicht gibt, und müssen einen Weg finden, damit umzugehen.
Beide Szenarien haben ihre Schwächen – die Vertuschungs-These, auf die zum Beispiel der demokratische Senator Dick Turpin abhebt, allerdings genauso. Vor drei Tagen hat Trump „unter Druck“ angeordnet, einige juristische Unterlagen zu dem Fall des gestorbenen Sexualstraftäters freizugeben. Verschiedene Gerichts- und Ermittlungsdokumente sind bereits online verfügbar. Aber nichts davon betrifft eine wie auch immer geartete Klientenliste.
„Es ist nicht ganz so, als hätte Frankenstein die Kontrolle über das von ihm geschaffene Monster verloren“, meint der Independent:
Aber wenn man von Verschwörungstheorien lebt – wie Trump es getan hat –, kann man auch daran zugrunde gehen.
2016 behauptete Trump, er könne jemanden auf offener Straße erschießen, ohne Wähler zu verlieren. Jetzt scheint die MAGA-Loyalität zum ersten Mal ernsthaft auf dem Prüfstand zu stehen. „Von jenseits des Grabes“, bemerkt The Conversation,
… hätte Epstein damit zu einer neuen Ära in der amerikanischen Politik beigetragen.
Zum Weiterlesen:
- Busjaeger, Felix „Trump auch in den Epstein-Akten? Ex-Mitarbeiterin schildert zweideutigen Vorfall im Aufzug“ Frankfurter Rundschau (21. Juli 2025)
- Baker, Mike/Schmidt, Michael S. „An Accuser’s Story Suggests How Trump Might Appear in the Epstein Files“ New York Times (20. Juli 2025)
- Burghardt, Peter/Herrmann, Boris „Das Geheimnis einer Freundschaft“ Süddeutsche (20. Juli 2025)
- Escher, Manuel „Wie sich Trumps Handeln im Epstein-Skandal vielleicht erklären lässt“ derStandard (20. Juli 2025)
- Blake, Aaron „5 big questions about Trump’s ties to Epstein“ CNN (19. Juli 2025)
- „Wie die Epstein-Akten für Trump zum Problem wurden“ tagesschau (19. Juli 2025)
- Mijuk, Gordana „Trump bestimmt über Wahrheit und Lüge. Das muss seine Maga-Bewegung nun schmerzhaft erfahren“ NZZ (19. Juli 2025)
- „Donald Trump und die Epstein-Affäre“ Deutschlandfunk (19. Juli 2025)
- Roth, Johanna „Ein Brief, der Trump gefährlich werden könnte“ zeit (18. Juli 2025)
- Davis, James Warren „Trumps Epstein-Akten und der paranoide Stil: Surreal – aber fast schon US-Tradition“ Frankfurter Rundschau (18. Juni 2025)
- Latschan, Thomas „Donald Trump und der lange Schatten des Jeffrey Epstein“ dw (17. Juli 2025)
- Flannery, Maria „Epstein-Akten: Die Verschwörungstheorie, die MAGA entzweit“ srf (16. Juli 2025)
- Dieckmann, Cornelius „Trump wird heimgesucht vom Kerl, der niemals stirbt“ spiegel (16. Juli 2025)
- Alexa, Andela „Was sind die Epstein-Files?“ moment (16. Juli 2025)
- Khardori, Ankush „3 Scenarios That Explain the Epstein Debacle“ politico (16. Juni 2025)
- Havertz, Rieke/Schäuble, Juliane „Die Epstein-Liste! Welche Epstein-Liste?“ zeit (15. Juli 2025)
- Roth, Johanna „Willkommen in der wirklichen Welt“ zeit (9. Juli 2025)
- Weidemann, Axel „Trumps Verschwörungstheorien : Ist Biden 2020 durch einen mechanischen Klon ersetzt worden?“ faz (2. Juni 2025)
- Leggewie, Claus „Trumps Verschwörungstheorien: Alles für die Katz“ faz (16. September 2024)
- Jacobs, Rebecca „Trump has said he wants to destroy the deep state 56 times on Truth Social“ crew (1. August 2024)
Titelfoto: Unsplash
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