Okkult-Betrug: Die dreiste Masche einer Fake-Schamanin

(Lesedauer ca. 6 Minuten)

Gezielt sprach sie Menschen vor Arztpraxen oder Apotheken an und erzählte ihnen etwas von „negativen Energien“ und „dunklen Schwingungen“.

Einer Wienerin, der sich die selbsternannte Schamanin „Amela“ im Mai 2024 im 19. Gemeindebezirk aufdrängte, entlockte sie mit dieser Masche zunächst 3000 Euro für ein erstes „Reinigungsritual“, dann 64.000 Euro und bei einem dritten Treffen schließlich 660.000 Euro – es bestehe dringender Handlungsbedarf, da sie unmittelbar den Tod der Tochter der 56-Jährigen voraussehe.

Danach brach der Kontakt ab. Als die Wienerin versuchte, „Amela“ telefonisch zu erreichen, erklärte ihr eine unbekannte Mitarbeiterin, die „Schamanin“ sei wegen des kräftezehrenden „Reinigungsrituals“ in ein Koma gefallen und nicht ansprechbar.

Die Geschädigte wurde misstrauisch und ging zur Polizei.

https://www.youtube.com/watch?v=Srqjhb6dAaU

Von einem der „größten Betrugsfälle, die jemals durch das Landeskriminalamt Niederösterreich ermittelt wurden“, sprach Österreichs Innenminister Gerhard Karner gestern bei einer Pressekonferenz. Es handele sich um einen Fall,

 … bei dem mit emotionalen Notlagen von älteren, vor allem kranken Menschen gespielt, die Opfer hinterhältig ausgenutzt werden und mit besonderer Heimtücke vorgegangen wird,

sagte Karner.

Zunächst verliefen die Ermittlungen im Sande. Erst als das LKA im Januar dieses Jahres mit einem Phantombild nach der Beschuldigten fahndete, gingen mehrere Hinweise ein, die zur Identifizierung einer 44-jährigen österreichischen Staatsbürgerin serbischer Herkunft namens Mariana M. führten.

Am 3. Februar wurde der 29 Jahre alte Sohn der Fake-Schamanin wegen Verdachts der Beitragstäterschaft festgenommen und ein Wohnhaus im Bezirk Mödling durchsucht.

https://www.youtube.com/watch?v=Srqjhb6dAaU

Dabei stießen die Beamten neben diversen „Okkult-Gegenständen“ auf einen Tresor mit „Schmuck, Gold, hochpreisigen Armbanduhren und Bargeld in der Höhe eines 2-stelligen Euromillionenbetrages“. Mariana M. ist verschwunden, nach ihr wird mit einem europäischem Haftbefehl gefahndet.

Die Ermittler gehen davon aus,

… dass die Beschuldigte bzw. die Tätergruppe auch Opfer nicht nur in Österreich, sondern auch im gesamten deutschsprachigen Raum, insbesondere in der Schweiz und Deutschland, mit demselben Modus Operandi massiv finanziell geschädigt haben.

Das österreichische Innenministerium bittet etwaige weitere Betroffene, die Ermittlerinnen und Ermittler des LKA Niederösterreich zu kontaktieren.

https://www.youtube.com/watch?v=U-mqO9biDy8

Landespolizeidirektor Franz Popp sprach vor der Presse von einer „besonderen Form des Betrugs, nämlich Okkultbetrug“:

In einer Welt, in der viele Menschen nach Antworten auf die wesentlichen Fragen des Lebens suchen, haben sich Geschäftemacher etabliert, die vorgeben, übernatürliche Kräfte zu besitzen.

Diese selbsternannten Gurus oder spirituellen Berater versprechen Heilung, Glück oder mitunter sogar den Kontakt zu Verstorbenen. Doch oft stecken hinter den esoterischen Fassaden knallharte Geschäftsinteressen.

Sie nutzen dabei Vertrauen ihrer Opfer aus, die in einer emotionalen oder finanziellen Notlage sind und nach Hilfe und Unterstützung suchen.

Dazu gab Popp den Präventionstipp:

Skepsis ist der beste Schutz: Seien Sie kritisch gegenüber Versprechen, die zu schön sind, um wahr zu sein. Hinterfragen Sie die Fähigkeiten und Motive der Anbieter.

https://www.youtube.com/watch?v=U-mqO9biDy8

Die Augsburger Staatsanwältin Verena Dorn-Haag schrieb 2016 in ihrer Dissertation „Hexerei und Magie im Strafrecht“:

Hexen und Zauberer, die eine unmittelbare Bedrohung für die Menschheit darstellen, gibt es nicht. Spätestens seit Ende der Aufklärung herrschte diese Erkenntnis in Wissenschaft und Praxis vor.

Der damals wie heute weit verbreitete Glaube an das Übernatürliche birgt jedoch zahlreiche Gefahren.

Der „Okkulttäter“ ist keineswegs mit dem gleichnamigen Buch von Herbert Schäfer im Jahr 1959 verschwunden. Gut, dass der Landespolizeidirektor von Niederösterreich Okkultbetrug ungesäumt als „ernsthaftes Problem“ adressiert, „das viele Menschen betrifft“:

Wenn Sie das Gefühl haben, Opfer von Okkultbetrug geworden zu sein, scheuen Sie sich nicht, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Update

Im Fall der mutmaßlichen Okkult-Betrügerin Mariana M. alias „Amela“ sind bis Dienstag „zahlreiche Anrufe“ bei der Polizei eingegangen […]

Anrufe seien „aus dem In- und Ausland“ eingegangen, teilte Chefinspektor Johann Baumschlager von der Landespolizeidirektion Niederösterreich am Dienstag auf Anfrage mit. Der Fall schlägt auch in den Nachbarländern hohe Wellen. Zahlreiche Medien in Deutschland und in der Schweiz haben berichtet.

Fotos von Schmuckstücken und Wertgegenständen sind auf der Fahndungsseite der Homepage der Landespolizeidirektion Niederösterreich ersichtlich.

Update

Der Fall könnten sich noch ausweiten. Denn Polizeisprecher Chefinspektor Johann Baumschlager berichtet: „Ihre Verwandtschaft in Deutschland ist bereits ist wegen Okkultbetrug aktenkundig.“

Die Vergangenheit von Mariana M. weist eine lange Liste von Verurteilungen auf. Bereits 2002 und 2005 gab es Vorstrafen in Deutschland, 2009 wurde sie in der Schweiz zu einer teilbedingten Haftstrafe von 13 Monaten verurteilt.

Quellen:

Titelfoto: Unsplash/Lloyd Newman

Kommentare

3 Antworten zu „Okkult-Betrug: Die dreiste Masche einer Fake-Schamanin“

  1. Hätte sie einen Gewerbeschein als „Wahrsagerin“ (freies Gewerbe) gehabt, wärs übrigens legal gewesen.

    Siehe Liste freier Gewerbe:

    https://shorturl.at/1uSjs

    Oder:

    https://vorarlberg.orf.at/stories/3272895/

    Oder als Astrologin:

    https://www.wko.at/oe/gewerbe-handwerk/persoenliche-dienstleister/berufsgruppe-astrologie

    Oder als Energetikerin:

    https://www.wko.at/wien/gewerbe-handwerk/persoenliche-dienstleister/humanenergetiker/start

  2. Chusa More

    @Claus C.

    Autsch, sorry, Ihre Behauptungen tun fast schon weh.

    Betrug, egal unter welchem Label, ist niemals legal, wirklich absolut niemals!

    Und danke an den „Blogbetreiber“ für die sehr informative Zusammenstellung der Fakten zu dieser betrügerischen „Schamanin“!

  3. Bernd Harder

    Chusa More:

    Ich kann das Anliegen von @Claus verstehen, auf das „Energetiker“-Unwesen in Österreich hinzuweisen – aber Betrug bleibt in der Tat Betrug.

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