Vortragsvideo: „Arier, Aliens und Atlantis“ – und der QAnon-Schamane, der in Wahrheit Captain America ist

(Lesedauer ca. 4 Minuten)

Die Interpretation steht am Anfang. Zu deren Bestätigung werden selektiv Befunde, die ins Bild passen, herangezogen, während nicht passende Daten außen vor bleiben.

Treffender kann man die Vorgehensweise von Pseudoforschern wie Erich von Däniken kaum beschreiben, wie es der Archäologe Jens Notroff bei einer Ringvorlesung in Berlin tat:

Arier, Aliens und Atlantis: Archäologische Wissenschaftskommunikation zwischen Popkultur & Ideologie

https://www.youtube.com/watch?v=i5TQRBlgKP4

Ab Minute 25:05 beleuchtet Notroff, Referent für Wissenschaftskommunikation beim Deutschen Archäologischen Institut, wie eng „Konzepte sogenannter alternativer Archäologie und Geschichte insbesondere in rechtsextreme Verschwörungsideologien eingebunden sind“.

Darauf verweist auch die kanadische Bioarchäologin Stephanie Halmhofer in ihrem Blogpost „Pseudoarchaeology at the Capitol“ am Beispiel des QAnon-Schamanen Jacob Chansley:

It’s not Viking.

Jacob Chansley. Foto: Wikipedia/Gage Skidmore

Aber was dann?

Bei Chansleys Staffage handele es sich um „veruntreute First-Nations-Insignien“, und tatsächlich halte der Verschwörungsideologe sich für einen First-Nations-Schamanen, der wiederum identisch sei mit Captain America von den „Avengers“, der aber eigentlich ein Starseed ist – oder so.

Muss man nicht verstehen.

Irgendwie hat das etwas mit der sogenannten Solutréen-Hypothese zur Besiedlung Amerikas zu tun, die von der extremen US-Rechten mit Nachdruck vertretenen werde, erklärt Jens Notroff in seinem Vortrag (eine schriftliche Fassung gibt’s in seinem Blog):

Diese im Kern wissenschaftliche, inzwischen aber begründet zurückgewiesene These legte einen europäischen Ursprung der frühesten auf dem amerikanischen Kontinent nachgewiesenen Steingerätetraditionen nahe und widersprach damit der gängigen Annahme einer Besiedlung über die Bering-Landbrücke von Asien aus.

Und natürlich hätte das Auswirkungen, wenn plötzlich bestritten werden könnte, dass die amerikanischen Ureinwohner die ersten oder einzigen Menschen auf dem Kontinent waren.

Denn in der Lesart weißer Nationalisten negierte das deren begründete Landansprüche, ja erkennt ihnen gar den ureigenen Status als indigene First Nations ab.

In der Tat finden sich in der „Great Awakening Map“ der QAnon-Bewegung (Alles hängt eben mit allem zusammen) explizite Hinweise auf „Ancient Aliens“, Erich von Däniken, die Pyramiden, Graham Hancock und vieles mehr:

https://journals.sagepub.com/doi/10.1177/20563051211036064

Notroff:

Der Rahmen solcher pseudoarchäologisch verzerrten Darstellungen mag variieren, die dahinterstehende Aussage ist stets die gleiche:

Historische oder indigene Gemeinschaften seien nicht in der Lage gewesen, die ihnen zugeschriebenen Kulturleistungen allein und aus eigenem Antrieb zu vollbringen. Diese Narrative zielen darauf, den betroffenen Gemeinschaften die Kontrolle über die eigene Geschichte, über das eigene kulturelle Erbe abzusprechen und ein ideologisches Geschichtsbild aufrechtzuerhalten, das sie marginalisiert.

Mit anderen Worten: Diese Darstellungen sind im Kern rassistisch.

Sein Fazit:

Um die Verschwörungsmythen zu entlarven, die unsere Forschungsdaten und -ergebnisse aus dem Zusammenhang reißen und verzerren, um neue Zusammenhänge zu konstruieren, bedarf es unseres einzigartigen Fachwissens.

Wer, wenn nicht wir, kann und soll und muss hier für Aufklärung sorgen?

Nur zu. In der Auseinandersetzung mit den „Hämorrhoiden am Hintern der Wissenschaft“, wie Harald Lesch einmal Däniken und Co. nannte, brauchen wir natürlich auch die Altertumsforscher:innen.

Alle Videos der Ringvorlesung „Antike im Zerrspiegel politischer Ideologien“ an der Freien Universität Berlin (FU) sind jetzt online.

Zum Weiterlesen:

Titelfoto: Unsplash/Thomas Griggs

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