Alois Irlmaier, der große Krieg und die Bevölkerungsreduktion

(Lesedauer ca. 6 Minuten)

Der Alois Irlmaier hat’s vorausgesagt. Die Deagel-Liste ebenfalls. Nämlich eine drastische Bevölkerungsreduktion in Deutschland – von locker mehr als 50 Prozent.

Was liegt da näher, als beide Spökenkieker zusammenzuspannen, etwa so:

https://www.youtube.com/watch?v=AyKVb1xUGHI

Nun ist allerdings die „Deagel-Liste“ mit ihren katastrophischen Vorhersagen des Bevölkerungsstandes im Jahr 2025 ein „Fälschungsprodukt“ mit „frei erfundenen Zahlen“, erfahren wir im neuen Video von Verschwörung & Fakten. Andere sprechen von einem „spekulativen, anonym veröffentlichten Szenarienmodell, das auf öffentlich zugänglichen Daten basiert, diese aber in drastischer Form interpretiert“.

https://de.pinterest.com/pin/259801472268900132/

Aber was hat es mit dem „Seher“ Alois Irlmaier aus Freilassing auf sich, der sogar vom rechtsextremen Compact-Magazin instrumentalisiert wird, und zwar

  • zum einen für eine Kriegsprophezeiung (die wohl dazu dienen soll, Deutschland von einer weiteren Unterstützung der Ukraine abzubringen):
https://kurzlinks.de/nzpr
  • und zum anderen für eine Art „Gegenwartsanalyse“:
https://www.compact-online.de/alois-irlmaier-seine-5-krassesten-prophezeiungen/

Irlmaier wurde 1894 geboren und starb 1959. Natürlich kann man sein eigentümliches Geraune auf das Jahr 2022 oder 2025 hindeuten:

https://dieunbestechlichen.com/2022/03/die-ueberraschenden-prophezeiungen-des-alois-irlmaier-fuer-2022/

Muss man aber nicht.

Volkstümliche „Seher“ wie der Mühlhiasl oder Alois Irlmaier sahen nicht in die Zukunft, sondern blickten auf die gesellschaftliche und politische Realität ihrer Gegenwart. Solche Orakelsprüche speisen sich aus kollektiven Befürchtungen und Hoffungen und sind als Reaktionen auf die Nöte und Bedrängungen der eigenen Zeit zu verstehen:

Irlmaier: Dann überfallen die Russen über Nacht den Westen.

Dazu meint der Prophetie-„Experte“ Stephan Berndt:

Gefühlt drehen sich 60 Prozent der Irlmaier-Voraussagen um einen Dritten Weltkrieg. Irlmaier ohne Dritter Weltkrieg ist wie Paris ohne Eiffelturm, Louvre und Élysée […]

Mit „Dritter Weltkrieg“ à la Irlmaier wäre ein aus der Perspektive des Normalbürgers überraschender Angriff Russlands auf Mitteleuropa im Hochsommer eines Jahres X gemeint.

Zielführender wäre es allerdings, sich mal die Perspektive von Alois Irlmaier vor Augen zu führen. Noch zu Lebzeiten des Brunnenbauers vollzog sich der Kalte Krieg, die atomare Aufrüstung, die Gründung von NATO und Warschauer Pakt sowie die Gründung der Bundeswehr und die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik Deutschland.

„Angst im Kalten Krieg“ ist heute ein Forschungsthema – damals war sie Auslöser für Schreckensbilder à la Irlmaier.

https://www.youtube.com/watch?v=Owzn78yjMOU

Irlmaier: Es herrscht eine hohe Inflation. Das Geld verliert mehr und mehr an Wert.

„Prophetisch“ ist daran gar nichts – bei einem Mann, der sowohl die Deutsche Inflation 1914 bis 1923 als auch die Währungsreform 1948 selbst miterlebt hat:

Solche Endzeit-Prophetien stellen ein Spiegelbild zeittypischer kollektiver Ängste und Befürchtungen dar und sind entsprechend zu kontextualisieren,

erklärt der Psychologe Eberhard Bauer vom IGPP in Freiburg.

Wie stark die angeblichen Vorhersagen von Mühlhiasl, Irlmaier und Co. den Zeiterscheinungen nachempfunden sind und aus welcher Vorratstruhe sie stammen, lässt sich auch anhand der bayerischen Physikatsberichte belegen. Das waren medizinisch-topografische und ethnografische Beschreibungen sämtlicher Lebensbereiche der Bevölkerung, welche die beamteten Landgerichtsärzte zwischen 1858 und 1861 für ihre jeweiligen Amtsbereiche erstellen mussten.

Irlmaier: Alsdann kommt eine große Zahl Fremder ins Land.

Aus einem Physikatsbericht:

https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Physikatsberichte

Im Prinzip weiß das auch der „Experte“ und Irlmaier-Fan Stephan Berndt:

Die vielen Fremden könnten auf den ersten Blick natürlich die Gastarbeiter sein, die von Ende der 1950er- bis Anfang der 1970er-Jahre kamen, oder aber die Flüchtlinge ab 2015, oder eben jetzt die Flüchtlinge aus der Ukraine.

Allerdings muss man die vielen Fremden dann zusätzlich noch in Bezug setzen zu der hohen Inflation und Geldentwertung, und dann passt das mit den 1950ern bis 1970ern nicht mehr. Hohe Inflation bei gleichzeitigem Nullzins gab es seinerzeit definitiv nicht, das ist typisch für die Jetztzeit.

Letzteres ist indes reine Interpretation, denn Wanderungsbewegungen und Klagen über „die Teuerung“ gab es praktisch zu allen Zeiten.

Und weiter:

Alois Irlmaier:

https://kurzlinks.de/i5r4

Aus einem Physikatsbericht:

https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Physikatsberichte

Alois Irlmaier: Eine noch nie dagewesene Sittenverderbnis.

Aus einem Physikatsbericht:

https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Physikatsberichte

Und was ist mit der berühmten „dreitägigen Finsternis“, die „urplötzlich die Menschheit überraschen“ werde?

https://irlmaier.com/tag/dreitaegige-finsternis/

Nichts weiter als eine weitverbreitete prophetische Wandersage, die auf das Alte Testament zurückgeht:

https://www.bibleserver.com/LUT/2.Mose10

Bleiben noch die zahllosen privaten Vorhersagen, bei denen Alois Irlmaier eine „so hohe Trefferquote“ gezeigt haben soll, dass „in den Jahren 1949/1950 oft 100 Ratsuchende vor seinem Grundstück Schlange standen“.

Dazu sagt Eberhard Bauer (als jemand, der der Parapsychologie positiv gegenübersteht und übersinnliche Fähigkeiten für möglich hält):

Es handelt sich dabei um anekdotisches Material, bei dem man Zufallstreffer nie ausschließen kann […]

Kein Hellseher kann unterscheiden, woher sein Wissen stammt, ob es sich um erfahrungsbasierte Menschenkenntnis handelt, wie das beispielsweise bei Krankenschwestern oder Psychotherapeuten der Fall ist, geschicktes (Er-)Raten aufgrund unbewußter Signale des Gegenüber, was man als cold reading bezeichnet, oder um eine paranormale telepathische Intuition.

Irlmaier dürfte auch ein breites implizites Wissen im sozialen Umgang gesammelt haben, wo seinen Ratsuchenden jeweils der Schuh gedrückt haben mochte.

Darauf habe ich 2017 in diesem Capriccio-Beitrag hingewiesen:

https://www.facebook.com/watch/?v=1805142776194758

Nichtsdestotrotz laufen die sozialen Medien über von Irlmaier-Prophezeiungen. Dabei wird vor allem eines deutlich: wie sehr sich Prophezeiungen und Weissagungen für Propagandazwecke eignen.

Angeblich soll Alois Irlmaier auch gesagt haben:

Freilich kann i mi a irren, i bin a bloß a Mensch. Wenn´s die Leut ned glauben wollen, dann sollen´s es halt bleiben lassen.

Es gibt keinen einzigen vernünftigen Grund, daran zu glauben.

Zum Weiterlesen:

Titelfoto: Verschwörung & Fakten

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