Sogar in der Oper „Die letzte Verschwörung“ gibt es eine Anspielung auf „Pizzagate“:
Allerdings konnte nicht jeder im Publikum diese Realitätsreferenz dechiffrieren.
„Pizzagate“ ist eine Verschwörungstheorie, die 2016 im amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf gestreut wurde. Demnach sei Trumps Gegenkandidatin Hillary Clinton in einen Kinderpornoring involviert gewesen.
Am 4. Dezember 2016 stürmte ein gewisser Edgar Maddison Welch mit einem halbautomatischen AR 15-Gewehr in die Pizzeria „Comet Ping Pong“ in Washington, wo sich das Hauptquartier der Pädokriminellen befinden sollte, und gab mehrere Schüsse ab. Als er feststellte, dass es in dem Lokal aber weder einen Keller noch gefangengehaltene Kinder gab, ließ er sich ohne Widerstand festnehmen.
Welch wurde zu vier Jahren Haft verurteilt und im Mai 2020 entlassen.
Auch wenn es keinen einzigen Beweis für die Wahrheit der Verschwörungserzählung gibt, wird Tiefkühlpizzagate weiterhin gerne aufgetaut, mit neuen angeblichen Beweisen gewürzt und mit gefährlicher Überzeugung serviert,
merkt das Onlineportal Fabulant zu der Pizzagate-Story an.
So zum Beispiel bei X:
Am 4. Januar 2025 wurde Edgar Maddison Welch bei einer Verkehrskontrolle angeschossen, heißt es in einer Pressemitteilung der Polizei von Kannapolis (North Carolina). Der 36-Jährige habe eine Waffe gezogen und auf die Beamten gerichtet, als diese seine Identität überprüfen wollten. Zwei Polizisten eröffneten daraufhin das Feuer. Welch starb zwei Tage später in einem Krankenhaus an seinen Verletzungen:
Die Reaktionen bei „X“ reichen von Warnungen vor dem Kaninchenbau-Syndrom
„Conspiracy theories are like an infectious mental illness: they spread, warp judgment, and destroy lives. Edgar Welch went from believer to gunman to a tragic end.“
… bis hin zu Verschwörungsgeraune wie
„They most likely wanted him dead“
„Now hear me out, like quite a few up us who have known about this for decades, found out too much and they killed him for it.“
Letzteres ist sogar irgendwie verständlich, denn natürlich gibt es echte organisierte Täternetzwerke, wie ein Beispiel aus Großbritannien zeigt. „Das Perfide an Verschwörungserzählungen ist oftmals, dass sie an Realem andocken“, erklärt der Historiker Claus Oberhauser in Bezug auf Pizzagate:
„Das Phänomen Kinderpornographie gibt es ja, und auch die Verwicklung prominenter Persönlichkeiten wie etwa Jeffrey Epstein in den Missbrauch von Minderjährigen.“
In England sehen wir aber auch gerade, wie solche Fälle instrumentalisiert werden können. Sowohl bei „Pizzagate“ als auch beim Pädophilie-Skandal in England mischt in den sozialen Medien Elon Musk kräftig mit. Empörung hilft bei der Verbreitung von Fake News – das ist mittlerweile wissenschaftlich belegt.
Edgar Maddison Welch glaubte „etwas Gutes“ zu tun, als er 2016 bewaffnet in die Pizzeria eindrang:
“I just wanted to do some good and went about it the wrong way,”
sagte er der New York Times.
Kurz davor hatte sich der damals 28-Jährige einen Internet-Anschluss legen lassen. Bald schon fühlte er sich als „Durchblicker“, der davon überzeugt war, dass da draußen „etwas Schändliches“ vorgehe. Den Begriff „Fake News“ kannte er zwar, glaubte aber, dass damit „stories outside the mainstream media“ diskreditiert werden sollten.
Am Ende des Gesprächs sagte Welch:
“I regret how I handled the situation.“
Warum er bei der Polizeikontrolle in Kannapolis eine Waffe zog, ist unklar. Offenbar lag ein Haftbefehl gegen Welch vor, weil er gegen Bewährungsauflagen verstoßen haben soll. Die beteiligten Beamten sind zurzeit außer Dienst gestellt, eine Untersuchungen des Falls läuft.
So gesehen, ist die Opernhandlung um den TV-Moderator Friedrich Quant (Wolfgang Schwaninger, l.), der immer tiefer in die Spirale des Absurden gerät, erschreckend lebensnah. Die nächste Aufführung von „Die letzte Verschwörung“ findet am 6. April in Augsburg statt.:
Einen Podcast dazu mit dem Komponisten und Librettisten Moritz Eggert gibt’s hier.
Quellen:
- „Pizzagate-Schütze bei Verkehrskontrolle tödlich verletzt“ spiegel (11. Januar 2025)
- Debusmann, Bernd „Pizzagate‘ gunman fatally shot by police during traffic stop“ BBC (9. Januar 2025)
- Sanders, Hank „Man Convicted in Pizzagate Shooting Is Killed in Confrontation With Police“ New York Times (9. Januar 2025)
- Bleakley, Paul „Panic, pizza and mainstreaming the alt-right: A social media analysis of Pizzagate and the rise of the QAnon conspiracy“ sagepub (29. Juli 2021)
- Goldman, Adam „The Comet Ping Pong Gunman Answers Our Reporter’s Questions“ New York Times (7. Dezember 2016)
- Eisele, Ines „Nein, „Pizzagate“ ist nicht real“ DW (9. Dezember 2023)
- Aisch, Gregor „Dissecting the #PizzaGate Conspiracy Theories“ New York Times (10. Dezember 2016)
- „Weiterverbreitung von Online-Inhalten, die Empörung hervorrufen“ science media center (28. Dezember 2024)
Titelfoto: © Jan-Pieter Fuhr/Staatstheater Augsburg
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