Gegen Schwurbel und Scharlatanerie: Die „Science Cops“ beim WTF-Talk

(Lesedauer ca. 5 Minuten)

Es sind Erfahrungen wie diese, welche die beiden „Science Cops“ Jonathan Focke und Maximilian Doeckel für ihre Arbeit motivieren:

Nach der Folge über „Manifestieren“ meldete sich eine junge Frau bei ihnen, die bereits Suizidgedanken* entwickelt hatte, weil sie die konkreten Auswirkungen fürchtete, die das „Gesetz der Anziehung“ in der Vorstellung von Esoterikgläubigen mit sich bringt.

So heißt es beispielsweise in diesem widerwärtigen Video:

Das Gesetz der Anziehung ist einfach unsere Realität, wir leben jeden Tag mit diesem Gesetz, durch dieses Gesetz.

Das Gesetz der Anziehung besagt ganz einfach, dass unsere Gedanken unsere Realität erschaffen. Das heißt, wenn wir positive Gedanken denken, dann erschaffen wir eine positive Realität, und genau andersrum. Wenn wir negativ eingestellt sind, erschaffen wir eine negative Realität.

Es spiegelt sich außen die ganze Zeit das wider, was sich in uns abspielt, woran wir glauben, woran wir denken.

Was aber, wenn die eigenen Gedanken ständig darum kreisen, dass der Mutter, der Tochter oder anderen nahen Angehörigen etwas passieren könnte? Zieht man damit nicht zwangsläufig das Unheil an? Ist man dann nicht verantwortlich dafür, dass anderen schlimme Dinge zustoßen?

Natürlich nicht. Aber erst der Science-Cops-Beitrag (neben einigen anderen Informationen) eröffnete dieser Hörerin eine neue Perspektive – nämlich dass an dem ganzen Hokuspokus nichts dran ist.

Beim WTF-Talk am Montagabend mit den Quarks Science Cops ging es auch um die Frage, was Aufklärung bewirken kann – und wen man damit überhaupt erreicht.

https://www.youtube.com/watch?v=Ns6m9bMboH8

Tatsächlich, erzählte Maximilian Doeckel, ist es den beiden Wissenschaftspolizisten des WDR sogar hin und wieder gelungen, auch „überzeugte Homöopathen“ ins Grübeln zu bringen. Das passiere allerdings „nicht jeden Tag hundertmal“. Das Anliegen ihres Sendeformats ist vielmehr vergleichbar mit den Vereinszielen von Skeptix:

Unsere Kernzielgruppe sind nicht die Menschen, die hart an Alternativmedizin glauben.

Sondern einerseits sind das die Leute, die so etwas im Familienkreis erleben, und die nicht wissen, wie sie damit umgehen können. Die das Gespräch suchen, etwa bei der nächsten Weihnachtsfeier. Die den Argumenten, die da so kommen, etwas entgegensetzen wollen.

Andererseits aber auch die Leute, die auf der Kante stehen, die noch nicht 100-prozentig drin sind im Alternativmedizin-Game, aber irgendwie sich denken, ja schau mal, Homöopathie, so schlecht scheint das ja vielleicht doch nicht zu sein.

Und diese Leute hoffen wir natürlich noch von der Kante wegzubewegen und wieder auf die gute Seite zu holen.

Maximilian Doeckel (© https://atelier-vladi.de/)

Wir wissen, dass das klappt. Wir bekommen immer wieder Nachrichten von Leuten, die sagen, sie waren sich unsicher, haben unseren Podcast gehört und freuen sich total darüber, weil sie mal wirklich erklärt bekommen haben, warum etwas nicht funktioniert, warum die Homöopathie nicht funktionieren kann, und dass es eben auch Studien gibt, die das in der Praxis nachweisen.

Jonathan Focke wies darauf hin, dass der ganze Esoterik- und Verschwörungsquatsch seinem Eindruck nach weiter zunimmt – was möglicherweise als Merkmal für eine gesellschaftliche Krise zu betrachten ist:

Wir hätten nie gedacht, dass wir uns mal mit Astrologie befassen müssen.

Das boomt regelrecht, das ist wohl ein Symptom für unsichere Zeiten mit komplexen Herausforderungen und starken Veränderungsprozessen. Menschen widmen sich eher wieder solchen Ideen, wir sehen gerade, dass einfache Antworten, die da gegeben werden, und Konzepte, die eine Zuflucht versprechen, aktuell sehr gefragt sind.

Die Krisen nehmen zu, und dementsprechend auch die Desinformation.

Jonathan Focke (© https://atelier-vladi.de/)

Aber ist das nicht ein Kampf gegen Windmühlen? Wie rafft man sich da überhaupt immer wieder für neue Beiträge auf?

Jonathan:

Uns motiviert vor allem das Feedback, das wir bekommen. Die vielen Zuschriften von Menschen, die sagen, dass es ihnen wichtig ist. Und dass sie auch in ihrem Umfeld mit den Informationen etwas bewegen können.

Wie groß der Umfang ist, das können wir natürlich nicht sagen, aber wir sehen, dass es Menschen bewegt, dass es ihnen wichtig ist, und dass es ihnen auch Halt gibt in solchen Diskussionen. Dass wir ihnen Argumente und Argumentationsstrukturen liefern können, mit denen sie ihren Alltag besser bestreiten und bessere Entscheidungen treffen können.

So geht es uns auch.

Die WTF-Folge „Aber meiner Tante hat’s geholfen – Aufklärung über Schwurbel und Scharlatanerie“ zum ersten Buch der „Science Cops“ gibt’s als Podcast und bei Youtube.

Auch beim Live-WTF am 7. und 8. Juni in Leipzig sind Maximilian Doeckel und Jonathan Focke dabei, und zwar mit dem Thema „Dark Science – Verbrechen im Namen und an der Wissenschaft“.

https://www.youtube.com/watch?v=2ofaqP8dT9g

Das neueste Video von den Science Cops dreht sich um „Intuitive Eating Coaches“.

Quellen:

Titelfoto: ©Lydia Benecke

*Wenn Sie selbst belastet sind, wenn Sie Suizid-Gedanken plagen, dann kontaktieren Sie bitte die Telefonseelsorge im Internet oder über die kostenlosen Hotlines 0800/111 0 111 oder 0800/111 0 222.

Kommentare

2 Antworten zu „Gegen Schwurbel und Scharlatanerie: Die „Science Cops“ beim WTF-Talk“

  1. Alexandra

    Vielen Dank für den Einblick! Ich habe leider nicht immer Zeit die ganzen WTF Talks zu hören. Der Einblick in die wichtigsten Punkte die der Blogeintrag gibt freut mich sehr. 🙂

  2. Christine

    Ich habe das Buch direkt gekauft. Vieles kam mir sehr bekannt vor.

    „Sogar bei meinen Katzen hat Homöopathie gewirkt“ schwört eine Bekannte von mir. Sie hat zwei verwahrloste Katzen von Zecken befreit, aufgepäppelt und medizinisch behandeln lassen. Aber erst nach mehrwöchiger Globuligabe, fing das Fell der Tiere an zu glänzen.

    Dass Miez andere Globuli bekam als Maunz (die Tiere waren vom Wesen her sehr unterschiedlich) betrachtet sie als ultimativen Beweis für die Wirkung…

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