Am besten sind eigentlich die Kommentare:
Ich habe auf Basis der Form des Outputs meiner Katzen in der Katzentoilette die zutreffende Prognose erstellt, dass das Lesen dieses Artikels den Zusammenhang zwischen Abo-Gebühr und kritischem Journalismus in Frage stellt,
heißt es da zum Beispiel.
Oder:
Es ist absolut unverständlich, dass die ZEIT diesem esoterischen Quatsch und einer offenkundigen Betrügerin eine Plattform bietet.
Nun ja – immerhin hat Die Zeit schon 2020 beim Thema Astrologie tief ins Klo gegriffen, als ein „verspulter Eso-Trottel“ (Selbstbezeichnung des Autors) vor lauter Evidenzerlebnissen gar nicht mehr aus dem Staunen rauskam.
Vom „Forer/Barnum-Effekt“ scheint Herr von Kittlitz noch nie gehört zu haben, kommentierte die Titanic seinerzeit das journalistische Narrenstück.
Jetzt also Elizabeth Teissier. Die „Grande Dame der Astrologie“, wenn man so will. Und mit ihren 86 Jahren „immer noch eine beeindruckende Diva“, bescheinigen ihr die beiden Zeit-Journalistinnen.
Was dann folgt, ist mit dem Leserkommentar
Na gut, man kann die Astrologie und Frau Teissier vielleicht als gesellschaftliches Phänomen betrachten. Aber ein so unkritisches und wohlfälliges Interview geht gar nicht.
hinreichend umschrieben.
Ein paar „Höhepunkte“ der seitenlangen Plauscherei:
Ich war in allen deutsch- und französischsprachigen Ländern bekannt! Die Astro-Show lief ja gleichzeitig in der ARD, im ORF und im SRF in der Schweiz!
„Bekannt“ als komische Nummer, möchte man hinzufügen – denn die „Astro Show“ in den frühen 1980ern war ein „großer Flop“ (Wikipedia) und höchstens als Gag-Lieferant zum Beispiel für „Rudis Tagesshow“ von Relevanz.
Die Astrologie hat mich wirklich verführt. In meinem Horoskop habe ich alles wiedergefunden: Probleme, die ich mit meinem Vater hatte, und auch bestimmte Dinge, die mir widerfahren sind.
Der Herr von Kittlitz lässt grüßen. Leider haben die zwei Teissier-Interviewerinnen die Blamage ihrer Zeitung vor fünf Jahren offenbar nicht mitbekommen.
Ein Mensch wird davon geprägt, wie diese Planeten im Moment der Geburt stehen. Und nicht nur er, auch eine Gesellschaft wird im Moment ihres Entstehens so geprägt.
Barer Unsinn. Es existiert keinerlei „Schicksalsstrahlung“, die sich mit geradezu gesetzmäßiger Notwendigkeit auf das zukünftige menschliche Schicksal oder auf unsere Wesenszüge auswirkt.
Es gibt gerade eine große Zivilisationskrise, und ich glaube, dieser beengende Rationalismus wird explodieren. Nach 2025 wird die Welt eine andere werden. Es wird eine Art Wiederauferstehung geben, eine Wiedergeburt.
Soso.
Hatte Madame Teissier nicht 1999 versprochen, „künftig darauf zu verzichten, Weltprognosen zu machen“, falls am 11. August absolut nichts passiert?
Das war der Tag der totalen Sonnenfinsternis über Mitteleuropa, und natürlich hatte auch Elizabeth Teissier eingestimmt in den Schwanengesang der Untergangspropheten. Ob allerdings die Cassini-Sonde abstürzen und Paris zerstören würde oder Außerirdische landen – da war sich die Sternenkönigin nicht so ganz sicher.
Aber dass überhaupt nichts knallt an dem Tag, das wäre „absolut“ unlogisch.
Ich habe mit der Astrologie viele Vorhersagen machen können. Aber ich bin keine Hellseherin. Ich sehe nichts. Ich analysiere nur und ziehe Schlussfolgerungen,
sagt Teissier nun im Zeit-Magazin.
Und da diese sehr häufig falsch sind, wie man im Wahrsagerchecks-Blog und anderswo nachlesen kann, pflegt die „Star-Astrologin“ (Bild) eine besondere Kunst der Schönbiegerei, um Totalflopps wie 1999 wegzuerklären.
Natürlich hatte sie damals recht. Schließlich gab es am 2. August 1999 eine Zug-Katastrophe in Indien, ein verheerendes Erdbeben in der Türkei am 17. August, den Beginn des zweiten Tschetschenienkriegs am 7. August 1999 und das Concorde-Unglück am 25. Juli 2000.
Was das alles mit der Sonnenfinsternis am 11. August und Teissiers Panikmache zu tun hat? Nicht das Geringste.
Allerdings gewinnt die Ex-Schauspielerin mit ihrer speziellen Methode „eine ganze Menge von Daten, an welchen ein Ereignis der jeweiligen Kategorie (Religiöser Fanatismus und Terror, Kriege und internationale Konflikte, Luftfahrt und Flugzeuge etc.) zu erwarten ist“, analysierte der Religionswissenschaftler Georg Otto Schmid schon 1998.
Kurz zusammengefasst: Statistisch gesehen fand fast jedes zweite Flugzeugunglück an einem von Teissiers „kritischen Tagen“ statt. Der mit „Umweltkatastrophen, Überschwemmungen, chemische Gifte, Epidemien“ sehr weiträumig definierte Bereich deckte beinahe das halbe Jahr ab.
Für den 12. Januar 2020 kündigte Teissier „drastische Ereignisse“ an – „just für den Tag, an dem die WHO das Erbgut des neuen Coronavirus SARS-CoV-2 entschlüsselte“, jubelte die Schweizer Illustrierte.
Na ja, nicht so ganz.
Am 12. Januar 2020 gab die WHO lediglich „further detailed information from the National Health Commission about the outbreak“ bekannt. „Angesichts der breiten Ausdehnung von Teissiers Krisenbereichen“ kann der angebliche Erfolg von Teissiers Prognosen „einen Skeptiker nicht erschüttern“, formulierte Schmid vor 27 Jahren.
Wir stimmen ihm uneingeschränkt zu.
Immerhin klärt Teissier im Zeit-Magazin endlich die Frage, die wir uns immer schon gestellt haben:
Ich hatte nie etwas mit Mitterand. Obwohl er es mehr oder weniger versucht hat.
„Unwürdig für eine Zeitung mit Anspruch“ ist das wohl in der Tat, wie ein weiterer Leserbriefschreiber anmerkt:
Diese Scharlatanin hier einfach nur unkommentiert zu interviewen, statt sie in einem Beitrag über Astrologie halt auch mal zu Wort kommen zu lassen – das find ich drüber.
Im aktuellen Nachsitzen-Talk war uns Elizabeth Teissier tatsächlich nur ein, zwei Sätze wert. Da gab es interessantere Themen, die wir auch hier im Skeptix-Blog noch weiter vertiefen werden.
Zur Einstimmung gibt’s die Folge „Prophezeiungen“ als Podcast und bei Youtube.
Quellen:
- Kohlenberg, Kerstin/Stelzer, Tanja „Mitterrand wollte immer wissen: Wann sterbe ich?“ zeitmagazin (1/2025)
- Schmid, Georg Otto „Elizabeth Teissier und ihre Schreckensprophezeiungen für 1999“ relinfo (1998)
Titelfoto: EvgeniT/Pixabay
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