Auch Krimiserien beschäftigen sich manchmal mit Ufos („Der Bulle von Tölz“), Esoterik („Heiter bis tödlich“), Astrologie („Der Staatsanwalt“), Homöopathie („Die Kanzlei“) und sogar mit Vampiren („Tatort“).
Morgen Abend (Freitag, 14. März, 21.15 Uhr, ZDF) ermittelt die „SOKO Leipzig“ in der Gothic-Szene – und trifft dabei auf Real-Life-Vampire:
Während des jährlichen Leipziger Gothic-Festivals wird die zur Szene gehörende Miriam Batista tot in einer Fabrikruine aufgefunden. Was zunächst aussieht wie ein Unfall oder Suizid, stellt die Ermittler vor immer größere Rätsel.
Miriams Körper ist übersät mit alten Schnittwunden. Wurde sie misshandelt und ermordet? Oder wurde ihr die Nähe zu sogenannten Real Life Vampiren zum Verhängnis?

Das Drehbuch zu der Folge „Schwarz sind alle Farben“ stammt von der Multikünstlerin Luci van Org. In einem Telefoninterview erzählte sie uns, was das Fernsehpublikum erwartet:
Skeptix: Die Gothic-Szene und mit den Real-Life-Vampiren noch dazu „eine kleine, abgeschottete Untergruppe“, wie Kommissar Moritz Brenner erklärt, in einer Krimiserie – wie kommt’s?
Luci van Org: Ich habe schon öfter Drehbücher für „SOKO Leipzig“ geschrieben und als Autor:in sucht man sich natürlich Themen, die einem am Herzen liegen. Dazu gehört bei mir seit langem die Schwarze Szene. Für diese SOKO-Folge „Schwarz ist alle Farben“ habe ich versucht, gegen die gängigen Klischees anzugehen.
Viele Menschen haben von der Gothic-Kultur ein bestimmtes Bild im Kopf – von karnevalesk über satanistisch bis hin zu gefährlich, wenn man irgendwo hört oder liest, dass Real-Life-Vampire Menschenblut trinken …
„Das meinst du jetzt aber eher symbolisch“, fragt auch Kriminaloberkommissar Maybach seinen Kollegen Brenner, als der ihm das erklärt. Woraufhin Brenner sagt: „Ne, ich meine das in echt.“
Genau. Und deshalb ging es mir darum, Berührungsängste und Vorurteile abzubauen.
Denn wer hinter die Klischees schaut, entdeckt eine Szene, die sich unter anderem dadurch definiert, dass sie individuelle Eigenheiten feiert, die in der Gesellschaft noch häufig als absonderlich gelten und wegen denen Menschen ausgegrenzt werden.

Dazu nochmal ein Zitat, diesmal von Lotte Trautzschke, der Tochter des Oberkommissars, die nach ihrem ersten Szenekontakt sagt: „Die sind alle so lieb und so schön, total unterschiedlich schön. Mal dünn, mal supercurvy, mal im Rollstuhl, manche sind autistisch oder bipolar oder depressiv.“
Ja, das finde ich etwas sehr Schönes in dieser Szene.
Fanden die Produktionsverantwortlichen das Thema Real-Life-Vampire nicht etwas strange? Oder wenn schon, dann bitte mit einem Pseudo-Vampir als Mörder?
Nein, die haben mir schon vertraut.
Außerdem lässt sich das ja auch alles googeln, was jenseits der Klischees wirklich in dieser Szene passiert. Die Redaktion achtet schon darauf, dass in der Serie kein Blödsinn verzapft wird. Als Autor:in muss man natürlich mit Ängsten arbeiten, um die Spannung aufzubauen, und wer ein Vorurteil entkräften will, muss es eben auch benennen, also Personen zeigen, die dieses Vorurteil vertreten.
Das geschieht auch in „Schwarz ist alle Farben“, zum Beispiel ist das Verbrechensopfer eine Donorin, also eine Blutspenderin in der Real-Life-Vampirszene, aber letzten Endes geht es darum, Klischees und Vorurteile abzubauen.

Ein wenig politisch wird es auch, als dieses besagte Opfer Miriam Batista zum Widerstand gegen ein Rechtsrockkonzert aufruft.
Auch das gibt es natürlich, der Episodentitel „Schwarz sind alle Farben“ benennt ja ein breites Spektrum der Szene. Konkret geht es um einige Neofolk-Bands, die mit rechten Affirmationen und Symbolen kokettieren.
Aber es sind auch überwältigend viele, die sich gegen rechtsextreme Unterwanderungsversuche wehren. Die Schwarze Szene wird generell wieder politischer, was ich sehr positiv finde.
Die Gothic-Kultur und politisch?
Nicht im Sinne von Massendemos, obwohl es auch Initiativen wie „Gothics gegen Rechts“ oder Klimaproteste beim WGT in Leipzig gibt. Die Szene ist schon eher auf das Private fokussiert, aber allein schon den inklusiven Ansatz finde ich gerade in der heutigen Zeit hochpolitisch.
Das kann man natürlich so sehen, trotzdem habe ich mich gegen Ende der 45 Minuten gefragt, ob das Fazit nicht etwas zu beifällig ist.
Ich will die Szene nicht glorifizieren, es gibt überall Idioten, aber ich schätze die Idiotendichte in der Gothic-Kultur als relativ gering ein. Jetzt darf ich mal die Kriminaloberkommissarin Ina Zimmermann zitieren:
„Anderssein ist in dieser Szene quasi eine Grundvoraussetzung. Das Schwarz ist einfach nur ein Erkennungszeichen. Es gibt da einfach viele Menschen, die wissen, was Ausgrenzung bedeutet, weil sie das selber erlebt haben, und deswegen gucken sie vielleicht einfach ein bisschen sensibler und liebevoller auf andere.“
Das wollte ich zeigen.

„Schwarz sind alle Farben“ ist bereits in der ZDF-Mediathek verfügbar.
Auch die Kriminalpsychologin Lydia Benecke hat die Folge vorab gesehen. Sie sagte uns dazu:
Dieser Krimi illustriert sehr schön, wie stark ein Drehbuch davon profitieren kann, wenn die Autorin sich mit durch Vorurteile und Fehlannahmen stigmatisierten Themen wirklich auskennt.
In einer Dreiviertelstunde ist es Luci van Org gelungen, ein empathisches und realistisches Bild der Gothic-Subkultur zu zeichnen. Auf den Punkt wird dies in einer Aussage der Ermittlerin gebracht:
„Es gibt da einfach viele Menschen, die wissen, was Ausgrenzung bedeutet, weil sie das selber erlebt haben, und deswegen gucken sie vielleicht einfach ein bisschen sensibler und liebevoller auf andere.“
Die jugendliche Tochter des Ermittlers berichtet begeistert, wie Menschen mit unterschiedlichen schwierigen Lebenserfahrungen oder Besonderheiten in der Gothic-Subkultur Akzeptanz und Gemeinschaft erleben. Etwas, worauf ich bereits 2009 im Kapitel „Einige Gedanken zu Gothics aus psychologischer Sicht“ in dem Buch „Vampire unter uns! (Teil 1: Rh. pos.)“ verwies.

Der die Subkultur prägende künstlerische Ausdruck auch negativer Emotionen wie Trauer oder Angst kann eine Form von Bewältigungsstrategie sein. Die Präsenz des Todes in vielen künstlerischen Aspekten der Subkultur wird häufig als Todessehnsucht fehlinterpretiert, symbolisiert für viele jedoch im Gegenteil den bewussten Umgang mit der Endlichkeit des Lebens, das daher umso achtsamer und erfüllter gestaltet wird.
Das kann man beispielsweise in der Szene von „Schwarz sind alle Farben“ erkennen, in der Menschen der Gothic-Subkultur in angenehmer Atmosphäre einander zugewandt miteinander diskutieren.
Diese Szene ist, wie auch die anderen kurzen Sequenzen zur Gothic-Subkultur, absolut realistisch. Ebenso wirklichkeitsnah dargestellt sind die Vorurteile und die merkliche Abneigung einiger Menschen außerhalb der Gothic-Subkultur. Was auf der Grundlage persönlicher Empfindungen nicht verstanden wird, als potenziell gefährlich fehlzuinterpretieren, ist eine typische Reaktion, die unterschiedliche Subkulturen wie die Gothic-Szene, die Subkultur der Real-Life-Vampyre oder die BDSM-Subkultur betrifft.
Dass entsprechende Vorurteile durchaus auch berufliche Karrieren gefährden können, ist ein bis heute bestehendes Problem.

Wie ebenfalls korrekt in der Folge gesagt wird, ist die Gruppe der Real-Life-Vampyre, eine (sehr) kleine Untergruppe der Gothic-Szene [„Vampyre“ ist die Eigenschreibweise der Teilnehmenden.]
Die meisten Menschen innerhalb der Gothic-Szene haben keine Berührungspunkte mit dem Thema Real-Life-Vampyre, mit dem ich mich seit vielen Jahren aus psychologischer Sicht beschäftige. Das Y-Kollektiv hat zwei Sendungen über „Real-Life-Vampyre“ gemacht, in denen ich die psychologische Perspektive eingebracht habe.
Insgesamt kann diese „SOKO Leipzig“-Folge im besten Fall dazu beitragen, dass einige Menschen ein wenig ihre Vorurteile hinterfragen und sich damit auseinandersetzen, dass die meisten schweren Straftaten von Menschen begangen werden, die eben gerade nicht düsteren Zerrbildern entsprechen, sondern die im Alltag ebenso unauffällig wirken, wie sie selbst.
Am 8. Juni ist Luci van Org beim WTF!? (Wissenschaft trifft Freundschaft) zu Gast. Die zweitägige Veranstaltung im Leipziger Kupfersaal dreht sich um Vampire, aber auch um Themen wie Lug, Trug und Spuk, Diskriminierung, Dark Science, Lieben und Sterben in der viktorianischen Zeit und mehr.
Mit dabei sind Lydia Benecke, das Team vom WTF-Talk, viele Skeptix-Mitglieder sowie unter anderem die Quarks Science Cops, Christian von Aster, Anja Kretschmer, Thomas Kundt und Marcus Schwarz.
Hier geht’s zur Anmeldung.
Quellen:
- „SOKO Leipzig: Real Life Vampire und ein Mord auf dem WGT“ spontis (10. März 2025)
- Browning, John Edgar „Are Real-Life Vampires Walking Among Us?“ discover (13. Oktober 2022)
- Kestenbaum, Sam „The Return of the Vampire King of New York“ New York Times (26. Oktober 2018)
- Wynarczyk, Natasha „Echte Vampire: von bluttrinkenden Menschen und ihren menschlichen Spendern“ Vice (10. November 2016)
- Browning, John Edgar „Life Among the Vampires“ The Atlantic (31. Oktober 2015)
- Saint Thomas, Sophie „We Spoke to Three Real-Life Vampires About Blood, Lust, and Hunger“ Vice (25. Juli 2015)
- Sand, Dennis „Beiß mich, Baby, bitte! Vampire sind unter uns“ welt (29. Dezember 2010)
- Harder, Bernd „Ich sehe Männer, gutaussehend: Esoterik zwischen Klamauk und Gefahren“ skeptix (22. Januar 2025)
Titelfoto: Pixabay
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