Schwurbel zum Schwurbler, nicht in die Apotheke

(Lesedauer ca. 2 Minuten)

Die Deutschen verstehen so wenig von Gesundheit wie noch nie – aber wieso eigentlich?

Das Fazit der Forscher legt nahe, dass es in Zeiten von Fake-News schwieriger wird, an Informationen zu gelangen, die auf die individuelle Bedarfslage zugeschnitten sind, verlässlich, evidenzbasiert und nicht tendenziös sind,

schreibt die Zeit:

Es gilt als gesichert, dass Social Media die Verbreitung von Falschinformation fördert, wohingegen richtige Informationen weniger geteilt werden.

Blöd nur, wenn auch in der Arztpraxis oder Apotheke Unsinn verzapft wird. Eine Studie der Uni Erfurt kam 2018 zu dem Ergebnis, dass Homöopathie in vielen Apotheken als wirksame Behandlungsmethode empfohlen wird.

https://www.doccheck.com/de/detail/articles/50771-wie-ich-niemals-an-homoeopathie-glaubte

Anekdotisch bestätigt das auch #DerApotheker in seiner aktuellen DocCheck-Kolumne. Eine Erklärung für die Voodoo-Affinität einiger seiner Kolleginnen und Kollegen hat der Autor nicht – aber eine klare Haltung dazu:

Wenn es nach mir ginge, würde jeder sofort seine Approbation verlieren, der auf die Idee kommt, Homöopathie aktiv zu empfehlen. Diese Apotheker tun unserem Beruf nicht gut. Sie lassen die Menschen an unseren Fähigkeiten als Fachleute zweifeln und das ist nicht gut.

Ich möchte, dass Apotheken nur Arzneimittel mit einer nachgewiesenen Wirkung verkaufen. Alles andere kann gerne der Heilpraktiker anbieten.

Dann ist der Schwurbel endlich da, wo er hingehört: beim Schwurbler.

Quellen:

Titelfoto: AdobeStock_231056765.jpeg

Kommentare

8 Antworten zu „Schwurbel zum Schwurbler, nicht in die Apotheke“

  1. Die Gewinnspanne, die die pferdeledergepeitschten Zuckerkügelchen – vor allem aber die Nahrungsergänzungsmittel – bieten, sind für Apotheken doch in erster Linie wirtschaftlich interessant.

    Kann mir auch gut vorstellen, dass der wirtschaftlichen „Notwendigkeit“ dann irgendwann auch der Glaube folgt, denn man würde ja sicherlich nichts völlig wirkungsloses verkaufen…

  2. Alexandra

    War die Tage in der Apotheke und genau das denke ich auch immer wieder. Am schlimmsten ist für mich oft der Schwurbel der im Alltag absolut selbstverständlich ist.

  3. Christine

    Hier habe ich eine „Lieblingsapotheke“. Bereits das Schaufenster fiel mir angenehm auf, da weder für Homöpathie, noch für Bachblüten oder anderen wirkungslose Sachen geworben wurde. Als ich das in der Apotheke äußerte, wurde mir gesagt, dass man „Glaubensprodukte“ nur auf Kundenwunsch bestellen würde.

  4. Bluesmaker

    Ich hatte mir vorgenommen, Medikamente nur noch in Apotheken zu holen/kaufen, die keinen wirkunglosen Schwurbel anbieten, bzw. diesen zumindest nicht aktiv bewerben, musste aber erstaunt feststellen, dass es sowas in meiner Region nicht gibt.

    In der Folge bin ich dann auf Iris Hundertmark und die erschütternde Erkenntnis gestoßen, dass solche Apotheken offensicht sehr selten sind.

    https://de.wikipedia.org/wiki/Iris_Hundertmark

    Allerdings bestellt auch diese Apothekerin auf Wunsch der Kunden homöopathische Mittel.

    Das will ich Frau Hundertmark nicht vorwerfen, aber weiß jemand, ob Apotheken solche Kundenwünsche generell ausschlagen dürfen? Oder gibt es womöglich Vorschriften oder Gesetze, die Apotheken dazu zwingen, Kunden mit Mitteln ihrer Wahl zu versorgen?

  5. Bluesmaker:

    „ob Apotheken solche Kundenwünsche generell ausschlagen dürfen“

    – generell Nein, wenn ärztl Rezept dazu vorhanden

    – ja bei „privaten“ Wünschen

    => Kontrahierungszwang! (Gesetze)
    => Binnenkonsens! (homöopath. Mittel = Medikament per Gesetz)

  6. Bluesmaker

    @awmrkl

    Vielen Dank für die Antwort!

  7. Sabine_Benthe

    @Bluesmaker, kann mich @awmrkl nur anschließen.

    Ich habe lange in einer Apotheke gearbeitet, die aktiv keine Homöopathie anbietet, aber da Homöopathika ja leider in Deutschland zum Großteil als Arzneimittel zugelassen sind und deshalb für Kinder bis einschließlich des 12. Lebensjahrs zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen verordnet werden können, entkommt man den H. nicht.

    Kinderärzte verordnen häufig lieber H. oder anthroposophische Mittel, weil Eltern häufig ein Rezept erwarten. Da verordnet man lieber etwas unwirksames als mit den Eltern zu diskutieren.

    Ich finde allerdings, dass aufgeklärte Kund*innen Recht auf Unsinnprodukte haben. Sind sie darüber aufgeklärt, dass sie da gerade Bullshit wollen und sie möchten das Mittel trotzdem, dann bekommen sie es. Alles andere ist Paternalismus.

    Ich schätze übrigens, dass mind. 50% aller freiverkäuflichen Arzneimittel unnötig bzw. unwirksam sind, auch die mit Inhaltsstoffen.

  8. Bluesmaker

    @Sabine_Benthe

    Auch Ihnen vielen Dank für die Antwort!

    Ja, dass Kunden, bzw. Menschen im Allgemeinen das Recht auf Unsinnsprodukte und letztlich auch auf jede Menge anderen Bullshit haben, sehe ich nicht zuletzt mit Blick auf die Grundrechte auch so – auch wenn Vernunft und Aufklärung dadurch nicht unbedingt einfacher werden.

    Ausnahme: Menschen, die sich aufgrund des Alters oder Beeinträchtigungen keine objektive Meinung bilden können und/oder bei der Wahl der Behandlung auf Schutzbefohlene angewiesen sind.

    Ein Problem, das ich zu erkennen meine, ist, dass bestimmte Gegebenheiten und Zwänge Schwurbel stark begünstigen, wenn nicht gar ab einem bestimmten Punkt zu eine Art Selbstläufer machen.

    Ich kann nicht beurteilen, wie groß die Not der Apotheken wirklich ist, beobachte hier in der Region aber durchaus, dass es recht viele Geschäftsaufgaben gibt, nachdem die Betreiber zuvor schon in den regionalen Medien ihre Not geklagt hatten.

    Ich würde vermuten, dass die Zahl derer, die gezielt eine Apotheke wählen, die Homöopathie & Co. anbietet und offensiv bewirbt deutlich höher ist als jene, die gezielt Apotheken aufsuchen, die so gut wie möglich auf evidenzbasierte Medizin setzen.

    Damit wäre Schwurbel ein Vorteil, der bei wirtschaftlicher Not naheliegend, wenn nicht gar unumgänglich ist.

    Faktoren wie Sie sie nennen, würden diese Sprirale aus meiner Sicht noch weiter befeuern, womit sich die Frage stellt, wie sich diese stoppen ließe?

    Denn dann wären zumindest viele der Akteure keine klassischen Schwurbler oder skrupellose Geschäftemacher, sondern Menschen, die um ihr wirtschaftliches Überleben kämpfen, der Wahlfreiheit Kunden Vorrang geben oder vielleicht auch in einer komplexen Gemengelage meinen, das kleinere Übel zu empfehlen (z.B. weil Patienten/Kunden unnötigerweise irgendein Mittel haben wollen und Ärzte oder Apotheker lieber unwirksame Zuckerkügelchen verordnen/empfehlen, als unnötige Medikamente mit möglichen Nebenwirkungen).

    Zu unwirksamen Arzneimitteln:
    Das kann ich nicht beurteilen, klingt für mich aber durchaus plausibel, zumal die Grenze zu Lifestyle-Produkten, Kosmetika und anderen Produkten mit regelrechten Heils- und Wunderversprechen ja ziemlich fließend ist.

    Kurze persönliche Einschätzung, die keinesfalls besagen soll, dass Sie dies nicht tun: Ich würde zwischen unwirksamen Inhaltsstoffen und Homöopathie (und einigen anderen Mitteln) dennoch scharf trennen wollen.

    Denn während Erstere tendenziell eher – wie in vielen anderen Branchen auch – Kunden mit überzogenen Werbeversprechen ködern, haben Letztere ein esoterisches oder gar ideologisches Fundament, das wissenschftliche Erkenntnisse mitunter leugnet, vorwissenschaftliche, mehr oder minder magische Glaubenssätze vermittelt und – wie nicht zuletzt in der Pandemie sehr deutlich wurde – eine Einfallstür für Wissenschaftsfeindlichkeit und verschiedene gefährliche politische Ideologien öffnet.

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