Von „Adolescence“ zu Skeptics in the Pub Augsburg: die Gefahren der Incel-Bewegung

(Lesedauer ca. 3 Minuten)

Ein „ebenso beklemmendes wie erhellendes Filmerlebnis“ nennt der Filmdienst die Netflix-Serie „Adolescence“, die eine Debatte über toxische Männlichkeit und soziale Medien ausgelöst hat.

https://www.netflix.com/de/title/81756069

Die vier Episoden handeln von einem 13-jährigen Jungen, der eine Mitschülerin ermordet. Im Zentrum der Diskussion steht die gefährliche Verbreitung von Incel-Ideologien im Netz.

Zwischen Opferrolle und Gewaltfantasie: eine soziologisch-psychologische Betrachtung der Incel-Bewegung

ist auch das Thema bei Skeptics in the Pub Augsburg am 3. Juli. Referentin ist die angehende Psychologin Jasmina Eifert von der Universität Innsbruck:

„Welcome! This is a forum for involuntary celibates: people who lack a significant other. Are you lonely and wish you had someone in your life? You’re not alone! Join our forum and talk to people just like you.”

Was sich anhört wie die Einladung einer supportiven Selbsthilfegruppe ist in Wahrheit eine Einstiegsmöglichkeit in das so genannte Inceltum – eine extremistische Gruppe, bestehend aus vorwiegend jungen und heterosexuellen Männern, welche antifeministisches und rechtsradikales Gedankengut teilen.

„Incel“ dient dabei als Selbstbezeichnung und heißt so viel wie unfreiwillige sexuelle Enthaltsamkeit – Schuld daran sei der Feminismus und das angeblich vorherrschende Matriarchat. Neben Femiziden werden auch verschiedene Attentate mit dem Inceltum in Verbindung gebracht – unter anderem der Amoklauf von Isla Vista.

Doch was bringt Menschen dazu, solche Taten zu begehen? Der Vortrag nähert sich der Bewegung aus soziologischer und psychologischer Perspektive und thematisiert zentrale Merkmale und Ideologien der Incel-Bewegung – ebenso wie die Neigung zur Wissenschaftsleugnung und pseudowissenschaftlicher Argumentation.

Ein besonderer Fokus liegt auf Einstiegsmotivationen sowie Radikalisierungsprozessen, die durch konkrete Beispiele für Übergänge in extremistisches Verhalten veranschaulicht werden. Ziel des Vortrags ist es, ein vertieftes Verständnis für die zugrunde liegenden psychosozialen Mechanismen innerhalb der Incel-Bewegung zu ermöglichen.

Los geht’s um 19.30 Uhr im Annapam (Kellerbar). Der Eintritt ist frei.

Zum Weiterlesen:

Kommentare

8 Antworten zu „Von „Adolescence“ zu Skeptics in the Pub Augsburg: die Gefahren der Incel-Bewegung“

  1. Sebastian

    Auf YouTube wurde mir ein Video aus der Dating-Ecke vorgeschlagen, was sich um den aktuellen Datingmarkt dreht und das Verhalten von Männern und Frauen einordnet.

    Auf Plattformen spiegelt sich wohl ein Bild wider, dass viele Frauen nur einen geringen Teil der Männer attraktiv finden. Diese Präferenz der Frauen zeigt seiner Einschätzung nach eine Tendenz zur Polygynie (Im Tierreich: ein starkes Männchen, viele Weibchen).

    Durch die Präferenz bleiben viele Männer ohne Partnerin, was zu Frust und Unruhe führt.
    Durch die Einführung von Monogamie ließ sich wohl die Gesellschaft beruhigen und weniger Männer machten Stress, ebenso sollen Männer mit Partnerin weniger zu kriminellem Verhalten neigen.

    Monogam lebende Gesellschaften sollen auch, in Hinsicht Demokratie, offener und stabiler sein.

    Simon Josef Eckert – Diese Grafik hat meine Sicht auf Dating & Ehe für immer verändert
    https://youtu.be/2KOIhEXrUZQ

    (Studien sind in der Videobeschreibung verlinkt)

  2. Dr. Stephanie Dreyfürst

    Lieber Sebastian, das ist in der Tat ein schwieriges Thema. Es seien an der Stelle jedoch vielleicht die Bemerkungen erlaubt, dass es a) falsch ist, Verhalten aus dem Tierreich 1:1 auf Menschen und deren Sozial- und Paarungsverhalten zu übertragen, und dass b) „Stress und Frust“ von Männern in der Tat *deren* Problem sind und es nicht die Aufgabe von Frauen ist, bei Männern Stress abbzubauen, damit diese keine Verbrechen begehen. Der alleinige Fokus auf die „Bedürfnisse“ heterosexueller Männer in unserer Gesellschaft sollte zu den Akten gelegt werden. Stattdessen sollte gerade diese Gruppe ihr Anspruchsdenken und ihr Verhalten kritisch hinterfragen („Mir steht eine Partnerin zu“).
    Ich habe mir die Mühe gemacht, das von dir verlinkte Video anzusehen. Was mir auffällt, ist unter anderem die Bildlichkeit und die Wortwahl. Der Herr spricht unironisch und ernsthaft von „Zugang zu Frauen“ für Männer, als wären wir eine Rohstoffquelle oder ein begehrenswertes Produkt – und das sind wir ja offenbar auch für viele Männer, für die Frauen so etwas wie Aliens oder „das Andere“ sind, jedenfalls keine gleichberechtigten Mitmenschen mit freiem Willen. Es ist – und das kann man nicht oft genug betonen, nicht die Aufgabe von Frauen, Männer zu domestizieren, sie zu heilen oder deren (Verhaltens-)Probleme zu lösen. Das muss von den Männern selbst kommen.

  3. Ich bin da komplett bei Stephanie.

    Das Narrativ ist außerdem deswegen komplett daneben, weil man es nur annehmen kann, wenn man die Prämisse anerkennt, dass Frauen keine eigenständigen, selbstbestimmten Menschen sind, sondern eine umstrittene Ressource, die es zu verteilen gilt.

    Mal ganz abgesehen davon, dass diese Denke exakt das ist, was Jordan Peterson (der sich ja nicht gerade als Gipfel der intellektuellen Integrität hervorgetan hat) schon vor mehr als 5 Jahren auf allen möglichen Plattformen verkündet hat. Auch bei Joe Rogan mit seiner riesigen Reichweite:

    https://www.youtube.com/watch?v=rf3Eub1Hvhs

    Und wie gut Peterson darin ist, Erkenntnisse aus dem Tierreich auf Menschen zu übertragen, weiß man spätestens seit Hummer-Gate.

  4. Sebastian

    Liebe Dr. Stephanie Dreyfürst, natürlich sind Bemerkungen erlaubt. Vielen Dank dafür.

    Polygynie: So wie ich es verstanden habe, basieren die Schlussfolgerungen auf Studien und Untersuchungen, die dieses Bild unter Menschen bereits zeigen. Ich denke eher es fehlt den Umfragen in der Form an Repräsentativität, da es sich größtenteils um Untersuchungen von/auf Dating-Plattformen handelt. Es gibt vermutlich mehr Menschen, die keine Kontaktbörsen aufsuchen oder sich offline kennenlernen.

    Bestimmte Altersgruppen werden wohl eher unterrepräsentiert sein, zum Beispiel diejenigen, in denen die meisten Ehen bestehen.

    Woher die Annahme kommt, es sei die Aufgabe von Frauen, den Stress bei Männern abzubauen, verstehe ich nicht. Weder im Video, noch von mir, wurde das geäußert. Gibt es diese Annahme bei Incels?

    Ich stimme zu, dass niemand einen Anspruch „auf“ andere Menschen hat – selbst wann das frustrierend ist. Zumindest in der westlichen Kultur sollte man davon ausgehen.

    Gerade Incels scheinen das aber wohl anders zu sehen. Bin selbst gespannt, wie sich das gesellschaftlich noch entwickeln wird.

    Die Berichterstattung finde ich in dem Zusammenhang eher irritierend, da innerhalb weniger Wochen teils gegenteilig berichtet wird. Auch im verlinkten NDR-Artikel werden die unterschiedlichen Sichtweisen angerissen.

    Frage an die @Redaktion … wird es den Vortrag von Frau Eifert später online geben?

  5. Dr. Stephanie Dreyfürst

    Zu den von dir konkretisierten Punkten (thanks!):

    – die im Video gezeigten Beispiele stammten ausschließlich aus dem Tierreich (Seelöwen, Gorillas, Hirsche) und der Vortragende spricht auch nur von „Männchen“ und „Weibchen“

    – der Dreh hin zu Menschen erfolgt über ein sehr eingeschränktes „Es scheint fast so, als ob…“ und er spricht dann über unsere „Vorfahren aus der Savanne“, deren Verhalten er heute gepiegelt sieht bzw. er in modernen westlichen Gesellschaften eine „Rückkehr zur Barbarei“ entdecken möchte

    – die Perspektive des Vortragenden ist einzig und allein auf Männer ausgerichtet, die angeblich weniger frustriert (und weniger gewaltbereit) seien (das war das mit dem Stress abbauen), wenn sie „eine Familie zu beschützen hätten“ –> im Sinne: wenn Frauen weniger anspruchsvoll wären und auch unattraktivere „Männchen“ eine Chance bekämen, würden sich diese dann weniger gewaltbereit und demokratiegefährdend verhalten. Zu Ende gedacht bedeutet das wahrscheinlich, dass wir Frauen auch an den Wahlerfolgen der AfD schuld sind, weil die den unbeweibten Männern die zwangsweise Rückkehr zur patriarchalen Gesellschaftsordnung mitsamt einer ihnen zustehenden Partnerin verspricht, getarnt als „klassische Familienordnung“.

    Die Quelle, die der Vortragende für das Paarungsverhalten von Frauen angibt, ist v.a. das Buch „Dataclysm“ von Christian Rudder, dem Gründer von OKCupid, der dafür die eigene Dating-Plattform ausgewertet hat. Das ist in der Tat jetzt keine im wissenschaftlichen Sinne hochwertige Quelle, muss man einfach sagen. Für ein so komplexes Thema wie Partnerwahl, Attraktivität, Menschheitsgeschichte, Gesellschaft etc. auf keinen Fall ausreichend. Man kann eben auf solche komplexen Fragen keine einfachen Anworten geben, schon gar keine biologistischen.

    Ich würde mich an deiner Stelle fragen, was will der bei wem genau erreichen mit seinem Video? In welches argumentatives Rabbit Hole wird man hier vielleicht hineingezogen? Wie Rebecca bereits erwähnt hat, wärmt der Vortragende Jordan Peterson-Positionen (der Schutzheilige aller Incels) auf Deutsch auf, das sollte einem auf jeden Fall zu denken geben.

  6. Bernd Harder

    @Sebastian:

    Dieser Vortrag wird nicht gefilmt, sehr wahrscheinlich aber später an einem anderen Ort, und/oder es wird einen Podcast dazu geben.

  7. Sebastian

    @Bernd Harder
    Vielen Dank für die Info!

    @Dr Stephanie Dreyfürst
    Für mich war das Video mehr oder weniger Berieselung, weswegen ich viele Punkte tatsächlich nicht hinterfragt habe. Also zunächst vielen Dank für die Hinweise!

    Einige deiner Punkte sind mir argumentativ zu schwach, allerdings sind mir auch weitere Schwächen im Video aufgefallen.

    – Die Korrektheit seiner Schlussfolgerungen sind teils spekulativ und für viele seiner Behauptungen liefert er keine Belege. So auch bei seinen Beispielen mit der Savanne oder Stabilität innerhalb von Gesellschaften. Autokratische Systemen können auch durchaus stabil sein.

    – Er bezeichnet Monogamie teilweise als Produkt von Religion. Dies belegt er nicht und es gibt auch Beispiele, wo Religionen Ehen mit einem Mann und mehreren Frauen erlauben. Widerspricht sich also.

    – Die Beispiele zum Bereich Polygynie bezogen sich rein auf das Tierreich. In der Hinsicht kommt mir deine Interpretation zu streng vor. Hier wäre es vermutlich besser gewesen, wenn er etwa Beispiele aus dem arabischen Raum hinzuzieht, wobei ich nicht weiß ob Polygamie mit Polygynie gleichzusetzen ist. Polygamie scheint mehr oder weniger eine Unterart davon zu sein. Polyandrie wäre dann eine Frau die mit mehreren Männern verheiratet ist.

    – Die AfD mit in die Argumentation einzubringen geht mir zu sehr in Richtung ad hominem.
    Der Fokus sollte hier vielleicht eher auf einer Korrelation zu einem konservativen Weltbild gelegt werden, welches unabhängig von Parteipräferenzen bevorzugt vorhanden sein kann. Im Video bekennt er sich selbst zu diesem konservativen Weltbild – was dann auch seine Zielgruppe klären dürfte.

    – Was die Daten betrifft bezieht er sich auf mehr als OkCupid. Drei verschiedene Artikel sind dazu verlinkt. Für gesellschaftlich repräsentativ halte ich es trotzdem nicht, da die Welt sich eben nicht nur online abspielt und sich auf solchen Plattformen auch nur eine bestimmte Gruppe von Menschen finden lässt. Eine Spekulation meinerseits: Menschen die Single sind und Probleme haben „offline“ andere Menschen kennenzulernen.

    Die Daten, wie zum Beispiel die der sexuell nicht aktiven Männer, werden in meinen Augen stimmen, jedoch die Schlussfolgerungen falsch sein, da weitere Faktoren wie wirtschaftliche Stabilität und die Deckung weiterer Grundbedürfnisse nicht berücksichtigt werden.

    Mit Jordan Peterson kenne ich mich nicht aus, aber ich hoffe den Vortrag von Frau Eifert dann irgendwann anschauen zu können. So viel Interesse ist dann doch vorhanden.

  8. Dr. Stephanie Dreyfürst

    Nur als Info: Der Vortrag wird *nicht* aufgezeichnet, er wird als reine Live-Veranstaltung bei SitP Augsburg stattfinden

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