Welches Bild gleicht eher dem Turiner Grabtuch: das linke oder das rechte?

Zum Vergleich das Tuch:

Eigentlich das rechte, oder?
Noch einmal nebeneinander: links oder rechts?

Der brasilianische 3D-Designer Cícero Moraes hat das linke Bild mit einem dreidimensionalen Körper erstellt, das rechte mit einem Flachrelief. Das Flachrelief-Modell zeige eine „größere Kompatibilität“ mit dem Grabtuch. Zudem sei die Flachrelief-Kunst im Mittelalter verbreitet gewesen, schreibt Moraes in dem Fachjournal Archaeometry.
Grabtuch-Fans, wie der Würzburger Althistoriker Karlheinz Dietz oder der Turiner Erzbischof Roberto Repole, reagieren leicht verstimmt und beharren auf der Echtheit des Tuches. Kritiker wie Jacques di Costanzo, Joe Nickell oder Luigi Garlaschelli hatten die Flachrelief-Technik schon vor Jahren ins Spiel gebracht.
Zudem ist unlängst ein Artikel in Archaeometry erschienen, der die Annahme einer mittelalterlichen Fälschung unterstützt:

Der spanische Hochschullehrer, Filmemacher und Autor Elio Quiroga Rodríguez legt dar, dass der Abdruck des linken Arms sieben bis zehn Zentimeter länger ist als der des rechten – was Untersuchern auch schon früher aufgefallen war. Rodríguez hält das für Absicht, um den Schambereich der Jesus-Abbildung zu verdecken:
Diese bewusste künstlerische Entscheidung betont den symbolischen Charakter des Grabtuches und lenkt die Aufmerksamkeit des Betrachters auf die spirituelle Bedeutung des gekreuzigten Jesus statt auf seine physische Gestalt.
schreibt der Spanier.
Mithin habe sich der unbekannte Künstler/Fälscher exakt an die Ikonografie des Mittelalters gehalten, als es üblich war, bei Darstellungen nackter Personen die Geschlechtsteile mit den Händen zu bedecken. Diese Haltung sei für exhumierte Leichname unüblich, denn im Normalfall fallen die Arme, der Schwerkraft folgend, an die Seite. Sollten die Arme und Hände in dieser ungewöhnlichen Position fixiert worden sein, müsste es Spuren fixierender Bänder geben. Die fehlen aber auf dem Tuch.
„Anders als von vielen erhofft“ wird das Turiner Grabtuch auch im Heiligen Jahr 2025 nicht öffentlich zu sehen sein, meldet der ORF.
Update vom 9. August
ARTE hat jetzt die Vollversion (zirka 90 Minuten) der ORF/ARTE-Produktion „Das Grabtuch von Turin – Ein Mysterium“ bei Youtube veröffentlicht:

„Das Grabtuch ist wie ein schwarzes Loch – wenn man zu nahe kommt, wird man eingesaugt und kann nicht mehr weg. Weil es so viele offene Fragen und Probleme gibt – ein Leben ist nicht genug.“ Das sagt der italienische Chemiker Luigi Garlaschelli (Foto), der sich an einer recht erfolgreichen Reproduktion des wohl berühmtesten Tuchs der Welt versucht hat. Er kommt zu dem Ergebnis: „Eine geniale und zugleich simple Fälschung.“
Den privaten Grabtuchforscher Joe Marino aus Ohio, USA, hat das blutgetränkte Stück Stoff hingegen zum christlichen Glauben gebracht: Nachdem ihm ein Buch über das „Sindone di Torino“ in die Hände gefallen war, studierte er Theologie und wurde Mönch. Marino ist fest davon überzeugt, dass es sich bei der 4,40 Meter langen Stoffbahn um „das authentische Grabtuch von Jesus“ handelt.
Zwischen diesen beiden Polen bewegt sich der Dokumentarfilm „Das Grabtuch von Turin – Ein Mysterium“, ohne sich klar auf eine Seite zu schlagen. Allerdings, und das kann man durchaus als Statement verstehen, überlässt der Film seine Schlussworte einer skeptischen Wissenschaftlerin.
Zum Weiterlesen:
- „Italien: Kontroverse um das Turiner Grabtuch“ Vatican News (7. August 2025)
- Reese, Valentina „Turiner Grabtuch: Wer oder was hinterlässt solche Abdrücke?“ Süddeutsche (6. August 2025)
- „Erzbischof verstimmt über neue Entdeckung zu Turiner Grabtuch“ katholisch.de (5. August 2025)
- „Forscherthese: Turiner Grabtuch bedeckte Skulptur“ orf (5. August 2025)
- Moraes, Cicero „Image Formation on the Holy Shroud – A Digital 3D Approach“ archaeometry (28. Juli 2025)
- Nicolotti, Andrea „Unraveling the Myths Surrounding the Shroud of Turin“ Skeptic (4. März 2025)
- Knapton, Sarah „The 3D graphics that prove the Shroud of Turin is a fake“ Telegraph (30. Oktober 2024)
- Taschwer, Klaus „Was hinter der jüngsten Aufregung um das Turiner Grabtuch steckt“ derStandard (30. August 2024)
- „Neues zum Turiner Grabtuch: Warum zeigt die Jesus-Reliquie unterschiedlich lange Arme?“ geo (24. Juli 2024)
- Schlott, Karin „Jesus mit dem langen Arm“ spektrum (22. Juli 2024)
- Rodríguez, Elio Quiroga „Unveiling deception: An approach of the Shroud of Turin’s anatomical anomalies and artistic liberties“ archaeometry (11. Juli 2024)
- Nienhuys, Jan Willem „The Shroud of Turin in History and Myth“ Skeptical Inquirer (July/August 2020)
- Harder, Bernd „Grabtuch von Turin: Ist das Rätsel die bessere Geschichte?“ skeptix (18. April 2025)
Titelfoto: Wikipedia
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