In gewisser Weise hatte es die Politologin Sandra Rokahr schon Anfang des Jahres in der Zeit vorausgesagt – dass die rechtsgerichtete Aktivistin Naomi Seibt noch viel Gefallen an ihrer Märtyrerrolle finden würde.
Deutschland ist aktuell zu gefährlich für mich,
sagte die 25-Jährige im Januar in einem Interview:
Die Medien haben eine Zielscheibe auf meinem Rücken plaziert. Darum musste ich Weihnachten ohne meine Familie verbringen.
Jetzt steht wieder Weihnachten vor der Tür. Und Seibt wiederholt einfach das Gleiche nochmal:
Ich werde Weihnachten nicht mit meiner Familie verbringen können. Ich muss in den USA bleiben.
Und weil sich die Masche, „das Publikum emotional zu binden, ohne es inhaltlich zu überzeugen“ (Zeit), vielleicht doch mal abnutzen könnte, setzt die „rechte Influencerin“ noch eins drauf: als „die erste Deutsche, die unter Präsident Trump aufgrund politischer Verfolgung Asyl beantragt“:

Seitdem erlebe die Münsteranerin einen medialen Höhenflug in den USA:
Dort gilt sie als Kronzeugin für eine Erzählung, die in der MAGA-Bewegung an Fahrt gewinnt: Europa, besonders Deutschland, sei ein Feind der Meinungsfreiheit.
Die republikanische Abgeordnete Anna Paulina Luna hat sich persönlich in den Fall eingeschaltet und äußert sich „zuversichtlich“:
Ich denke, Frau Seibt wird Asyl bekommen.
Aber wieso eigentlich?
Sie sei ein Ziel der Überwachung „durch den Deep State-Geheimdienst“, behauptet Seibt bei X:

Die Welt hat zu diesem Punkt recherchiert:
Seibts angebliche Verfolgung durch den Staat will sie dokumentiert haben. Über ihren Anwalt beantragte sie beim Bundesamt für Verfassungsschutz Auskunft über gespeicherte Daten.
Welt am Sonntag konnte Teile des sechsseitigen Dokuments einsehen. Es listet einige Vorgänge ab 2019, in denen Seibts Name auftaucht, etwa ihre Teilnahme an einer „Querdenken“-Demonstration und ein Interview mit dem rechtsextremen Magazin Compact.
Viel Erkenntnis liefert das Papier nicht: Rund zehn kurze, aus öffentlichen Quellen stammende Einträge lassen kein besonderes Interesse erkennen. Nach Angaben aus Sicherheitskreisen sehen Behörden in Seibt eine Multiplikatorin für AfD-nahe Themen mit Ausstrahlung in die Neue Rechte. Sie habe eine Scharnierfunktion zwischen Partei und Vorfeld, gilt jedoch bislang nicht als führende Akteurin.
Den bei X erhobenen Vorwurf, sie stehe unter Überwachung, und ihre Gespräche würden von Geheimdiensten abgehört, konnte diese Zeitung nicht verifizieren.
Auch die behauptete Bedrohungslage erschloss sich den Journalist:innen bei ihren Nachforschungen nicht. Dass Seibt sich selbst „nicht als rechtsextrem“ sieht, von verschiedenen Medien in Deutschland aber so bezeichnet wird (FAZ, der Freitag, Spiegel, Welt etc.) – damit muss die junge Dame wohl leben.
Bleiben im Grunde lediglich Ermittlungen der Polizei Münster wegen des Verdachts der Volksverhetzung in zwei Fällen. Es geht um
- ein Foto von Menschen, von denen laut Ermittlern manche den Hitlergruß zeigen sollen (was Seibt bestreitet)
- einen Kommentar bei X des Wortlauts „Who would raise a girl around these bloodthirsty migrant animals?“ (der nicht mehr auffindbar ist)
Mehr als „unbelegte Opfernarrative“ hat Naomi Seibt also anscheinend nicht zu bieten.

Nichtsdestotrotz avanciert sie damit in den USA zum „right-wing darling“, bis hin zu einem Auftritt bei Alex Jones (Video), der sie als „deutsche Top-Journalistin“ vorstellte. Tatsächlich ist Seibt eine Aktivistin, die sich als „Brücke zwischen Deutschland und der MAGA-Bewegung“ versteht:

Darauf hatten wir im Februar schon hingewiesen.
Aber mehr noch:


Ihr erklärtes Ziel ist mittlerweile
Seibt lebt derzeit mit einem Touristenvisum in den USA. Warum sie nicht einfach dorthin auswandert, sondern Asyl beantragt, mag wohl vor allem zwei Gründe haben: Zum einen kann Seibt auch mehr als sieben Jahre nach dem Abitur weder eine Ausbildung noch ein abgeschlossenes Studium vorweisen.
Zweitens braucht sie Aufmerksamkeit – für sich und ihre Agenda.
Zum Weiterlesen:
- Harder, Bernd „Video: Naomi Seibt, die Musk-Flüsterin aus Münster, Germany“ skeptix (21. Februar 2025)
- Hunter, Brad „How anti-Greta Thunberg Naomi Seibt became a right-wing darling“ The Province (23. November 2025)
- Bolzen, Stefanie „Republikanische Abgeordnete: Leider ist das deutsche Volk seit langer Zeit so programmiert“ welt (19. November 2025)
- Pfahler, Lennart „Von der Antifa bedroht, vom Staat verfolgt? Die Geschichte hinter Naomi Seibts Vorwürfen“ welt (15. November 2025)
- „Rechte Influencerin beantragte Asyl in den USA: Polizei ermittelt gegen Naomi Seibt wegen Volksverhetzung“ tagesspiegel (15. November 2025)
- Greinke, Jens „Influencerin Naomi Seibt: Die Anti-Greta aus dem Münsterland“ Westfälischer Anzeiger (14. November 2025)
- Brady, Kate „German far-right activist seeks asylum in U.S. as Trump ties deepen“ Washington Post (9. November 2025)
- „Rechte Aktivistin Naomi Seibt beantragt Asyl in den USA“ Deutschlandfunk (31. Oktober 2025)
- Böger, Frauke „Wer ist Naomi Seibt?“ spiegel (30. Oktober 2025)
- Podcast „AfD & Musk: Wie es wirklich begann. Mit Naomi Seibt“ Ronzheimer (26. April 2025)
- Rokahr, Sandra „Sie wollen so gerne Märtyrer sein“ zeit (18. Februar 2025)
- Patzke, Jakob „Elon Musk bezieht sich erneut auf rechte Influencerin aus Münster: Wer ist Naomi Seibt?“ NOZ (30. Dezember 2024)
- „Die Heartland-Lobby“ correctiv (4. Februar 2020)
- Altmayer, Adrian „Klimawandel-Leugner und ihre Anti-Greta“ spiegel (4. März 2020)
- Echtermann, Alice „Gesucht: Influencer*in, jung, rechts“ correctiv (21. Februar 2020)
- Kirchgaessner, Stephanie „Naomi Seibt: anti-Greta activist called white nationalist an inspiration“ The Guardian (28. Februar 2020)
- Theurer, Marcus „Die Anti-Greta aus Germany“ FAS (10. März 2020)
- Buse, Uwe „Wie die Einser-Schülerin Naomi zum Postergirl der Rechten wurde“ spiegel (11. September 2020)
- Butler, Desmond „The anti-Greta: A conservative think tank takes on the global phenomenon“ Washington Post (23. Februar 2023)
- „Aufregung um Anti-Greta Naomi Seibt“ Die Presse (24. Februar 2025)
Titelfoto: Pixabay/Michelle_Pitzel


Schreibe einen Kommentar