„Exakt nichts. Null“: Naidoo-Comeback ohne Distanzierung

(Lesedauer ca. 5 Minuten)

Erinnert sich noch jemand?

https://www.youtube.com/watch?v=rbo9RrQ4V6w

Ich habe mich letztlich verrannt. Ich habe mich Theorien, Sichtweisen und teilweise auch Gruppierungen geöffnet, von denen ich mich ohne Wenn und Aber distanziere und lossage.

Ich war von Verschwörungserzählungen geblendet und habe sie nicht genug hinterfragt, habe mich zum Teil instrumentalisieren lassen. Bei der Wahrheitssuche war ich wie in einer Blase und habe mich manchmal vom Bezug zur Realität entfernt.

So „entschuldigte“ sich Xavier Naidoo im April 2022 für seine jahrzehntelangen antisemitischen und verschwörungsideologischen Äußerungen und Aktivitäten.

Schauen wir uns mal einen Kommentar dazu an:

Diese Formulierung ist die weichste Distanzierung, die man sich vorstellen kann. Er nennt keine Positionen, von denen er sich verabschiedet. Er nennt vor allem keine Personen oder Gruppen, die er verteufelt. Weder die AfD noch Compact noch „Querdenken“, noch Michael Ballweg, noch Oliver Janich, mit denen er ja alle zu tun hatte.

Stimmt.

Dass diese Einschätzung vom Chefredakeur des rechtsextremen Compact-Magazins, Jürgen Elsässer, stammt, sagt eigentlich alles aus.

Denn gerade die sorgsam formulierte Vagheit findet Elsässer ganz prima – Naidoo sei somit „sauber“ geblieben, und deshalb sei „da auch kein Bruch da“, sagte Elsässer vor wenigen Tagen bei Compact-TV:

https://kurzlinks.de/7cqf

Den Agitator freut’s. Und das ist genau das Problem.

Als Naidoo im Sommer sein Comeback ankündigte, kommentierten wir hier im Blog:

Xavier Naidoo wird sich entscheiden müssen, welches Publikum er künftig haben will.

Offenbar hat er sich entschieden. Für die Macher und Fans von Compact und Deutschland-Kurier, die ihn feiern. Und gegen all jene, die auf eine glaubhafte und nachhaltige öffentliche Distanzierung des Sängers gehofft hatten.

Wie deradikalisiert man sich? Wie findet man aus den Misstrauensgemeinschaften der Querdenker zurück in die Gesellschaft? Es sind die großen Fragen der Gegenwart, die der Fall Naidoo aufwirft.

Leider beantwortet der Abend in Köln sie nicht,

schreibt der Spiegel zum Comeback-Konzert am 16. Dezember in der Kölner Lanxess-Arena:

Ich hatte mich verrannt, hätte er sagen können. Ich habe den Weg heraus nicht mehr gefunden, deshalb musste ich mich für eine Weile zurückziehen. Jetzt bin ich wieder da, weil ich zu mir gefunden habe und deshalb das Böse, dessen Verführung ich gespürt habe, hinter mir lassen konnte.

Es wäre eine perfekte Naidoo-Rede gewesen. Sie kommt nicht.

Ähnlich äußert sich Michael Pilz in der Welt:

Er könnte sich erklären, sich und seine unerklärten Irrwege und Sichtweisen aus dem Entschuldigungsvideo vor drei Jahren […] Aber es ist nur ein Konzert.

Der WDR hatte erwartet:

Wenn es Naidoo wirklich ernst ist mit seinem Sinneswandel, wären die anstehenden Konzerte in Köln ein guter Anlass, sich entsprechend zu äußern. Mit Interviews, mit Aktionen, vielleicht sogar mit einem Song, der klar Stellung bezieht und in dem er Reue zeigt.

Nichts dergleichen.

Oder, wie der Youtuber Marius Scholz kommentiert:

https://www.youtube.com/watch?v=qD4B9V2lmhw

Xavier Naidoo hatte geschlagene drei Jahre Zeit, seine ideologischen Fehlschläge, seine Verschwörungen, die er verbreitet hat, die er ja scheinbar irgendwie auch eingesehen hat, aufzuarbeiten und einzuordnen, und das frei zugänglich für alle Leute zu machen.

Passiert ist von all dem exakt nichts. Null.

Aber vielleicht, meint Scholz, kommt ja doch noch irgendwann „dieses exklusive Frauke Ludowig-Enthüllungsinterview auf RTL“, und da dürfen sie [Naidoo und Wendler] „dann ungefragt irgendeinen Quatsch labern“.

Das ist jedenfalls wahrscheinlicher als eine ernsthafte Initiative von Naidoo – dessen Fans sich bei Telegram fürs nächste Konzert wieder den Song „Raus aus dem Reichstag“ mit einem gewissen „Baron Totschild“ wünschen:

Läuft.

Zum Weiterlesen:

Titelfoto: Unsplash/Abigail Lynn

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