In den letzten Wochen haben sich heiße Debatten um Personen entzündet, die in Amt und Würden unwissenschaftlichen, gefährlichen Unfug in die Öffentlichkeit tragen, ihn bewerben oder ihn gar zur Regel machen könnten – darunter RFK Jr. und der britische König Charles III. So sehr man es sich auch wünschen würde, die beiden sind bei weitem nicht alleine. Grund genug, einen weiteren Ausflug in die USA zu unternehmen, wo Mehmet Cengiz Öz, besser bekannt als „Dr. Oz“, von sich reden macht. Im Schulterschluss mit RFK Jr. könnte er das US-amerikanische Gesundheitssystem in gefährliche Bahnen lenken.
Wer ist Dr. Oz?
Dr. Oz kann auf eine beeindruckende Karriere zurückblicken: Er hat es vom praktizierenden Mediziner ins Rampenlicht der TV-Studios und letztlich auf die Bühne der Politik geschafft. 1960 als Sohn türkischer Einwanderer in Cleveland, Ohio, geboren, wuchs er in Delaware auf. Als junger Mann erlangte er Abschlüsse in Medizin und Betriebswirtschaft von der Universität von Pennsylvania und Harvard. Seine medizinische Laufbahn machte ihn zu einem Spezialisten für Herzchirurgie; über 30 Jahre lehrte er als Professor an der renommierten Columbia University. An einem mit der Universität verbundenen New Yorker Krankenhaus hatte er Mitte der 1980er bereits seine Residency (also seine Facharztausbildung) absolviert. Die Columbia University hat sich erst 2022 von Oz distanziert und seinen Namen von der Website entfernt; Jahre nachdem sich Ärzt:innen in einem offenen Brief an die Universität gewandt haben, um ihren Unmut darüber zu äußern, dass Oz einen Fakultätsposten inne hielt. Sie warfen ihm vor, „Verachtung für Wissenschaft und evidenzbasierte Medizin“ gezeigt zu haben, folglich werde durch ihn die Öffentlichkeit „in die Irre geführt und gefährdet.“ Doch wie kam es dazu? Und warum könnte die Doppelspitze aus Dr. Oz und RFK Jr. zu einer veritablen Bedrohung für die Gesundheit der US-Bevölkerung werden?
Pseudowissenschaft im Rampenlicht
Dass RFK Jr. nicht viel von wissenschaftlichem Konsens hält, haben wir bereits hier besprochen. Im Gegensatz zu Dr. Oz ist der Kennedy-Spross allerdings weder Arzt noch Wissenschaftler und spielt eine andere Rolle in der öffentlichen Wahrnehmung.
Dass Oz, der durchaus zu Forschung und Entwicklung im Bereich der Herzchirurgie beigetragen hat, auch fragwürdige Ansätze verfolgt, ist allerdings nicht neu. Schon zu Beginn seiner Karriere war er überzeugt von alternativen Heilverfahren und setzte sie in seiner Arbeit ein. Er ließ narkotisierten Patient:innen während der Operationen Walkmen aufsetzen, um ihnen Aufnahmen vorzuspielen, die ihre Psyche beeinflussen und die Heilung beschleunigen sollten. Auch Reiki und „Therapeutic Touch“ (zu Deutsch „Therapeutische Berührung“ – eine alternative Behandlungsmethode, bei der angeblich die „Energiefelder“ kranker Menschen durch Berührung beeinflusst werden können und so die Genesung vorangetrieben werden kann) kamen zum Einsatz. Eine Entscheidung, die bereits in den 1990ern auf Widerstand stieß und für Diskussionen sorgte, wie unter anderem ein Kommentar aus der New York Times belegt. Diese gefährliche Mischung aus evidenzbasierten Behandlungen und pseudowissenschaftlichen Methoden sollte zu einem der Markenzeichen von Dr. Oz werden und nicht nur seine klinische Praxis sondern auch seine Fernsehkarriere beeinflussen. Michael Specter bringt das in einer sehr lesenswerten Reportage in The New Yorker aus dem Jahr 2013 auf den Punkt:
“By freely mixing alternatives with proven therapies, Oz makes it nearly impossible for the viewer of his show to assess the impact of either; the process just diminishes the value of science.”
(„Durch die beliebige Vermengung von alternativen und belegten Therapieformen macht Oz es den Zuschauern seiner Show nahezu unmöglich, die Auswirkungen der einzelnen Methoden zu beurteilen; diese Vorgehensweise beeinträchtigt schlichtweg den Wert der Wissenschaft.“)
Verstärkt wird dieser gefährliche Effekt durch die Reichweite, die Oz über die Jahre erreicht. Eine erfolgreiche Herztransplantation an Frank Torre, dem Bruder des weithin berühmten Managers der New York Yankees, machte die Medien in den 90er-Jahren auf Oz und seinen Arztkollegen Jerry Whitworth aufmerksam. Oz genoss das Rampenlicht und suchte es seither immer wieder.
5 Jahre nach dieser Sensations-OP ging seine erste Fernsehshow an den Start und Oprah Winfrey, eine der bekanntesten US-Show-Hosts aller Zeiten, wurde auf den charismatischen Arzt aufmerksam. Sie lud ihn wiederholt als Experten in ihre Talkshow ein und motivierte ihn schließlich zu seiner eigenen Show The Dr. Oz Show – produziert von Oprahs Firma Harpo Productions.
Gemeinsam erreichten sie Millionen von Zuschauer:innen mit ihren teils fragwürdigen Gesundheitstipps: Oz verkaufte kontroverse Produkte mit unhaltbaren Heilsversprechen und stellte wiederholt pseudowissenschaftliche Behauptungen auf. So propagierte er „Wundermittel“ für Gewichtsreduktion, wie ein Extrakt aus grünen Kaffeebohnen und Garcinia Cambogia – ein Produkt, das später von der US-amerikanischen Federal Trade Commission und wissenschaftlichen Studien als ineffektiv oder gar schädlich eingestuft wurde. Auch seine Empfehlungen für kolloidales Silber als Allheilmittel und seine Behauptungen, dass bestimmte Lebensmittel das Krebsrisiko drastisch senken könnten, wurden von Wissenschaftler:innen entschieden zurückgewiesen. Auch eine Kooperation mit der umstritten MLM-Firma Usana Health Sciences wurde scharf kritisiert, über 5 Jahre zahlte die als Schneeballsystem kritisierte Firma dem Fernseharzt 50 Millionen USD für die von ihm geleistete Werbung. Eine Studie, die 2014 im renommierten BMJ veröffentlicht wurde, zeigte, dass für weniger als die Hälfte der von ihm empfohlenen Produkte ein Wirknachweis erbracht werden konnte. Dank seiner medizinischen Ausbildung und der enormen medialen Reichweite konnte er also mit pseudowissenschaftlichen Produkten und Ratschlägen reich werden.
Der Schritt in die Politik
Schon 2018 wurde Dr. Oz von Donald Trump in das President’s Council on Sports, Fitness, and Nutrition, eine Art Beraterstab, berufen. Während der COVID-Pandemie stärkten sich die Verbindungen zwischen Trump und Oz weiter. Im Frühjahr 2020 berichtete das Daily Beast, dass Oz nicht unwesentlich dazu beigetragen hat, dass Trump das Lupus-Medikament Hydroxychloroquin als Wundermittel zur Behandlung von COVID-Infektionen präsentierte, obwohl es dafür keine Belege gab und gibt. Oz scheint hier eher die durchschlagende Wirkung auf sein Konto wichtig gewesen zu sein, denn zu diesem Zeitpunkt war er bereits Aktionär bei einigen Firmen, die das Mittel vertreiben.
Mit der Wiederwahl von Trump im November 2024 steht nun auch für Oz ein Karrieresprung an: Der angehende Präsident will ihn zum Leiter des Center for Medicare and Medicaid Services (CMS) machen. Er hätte damit also – ähnlich wie RFK Jr. – eine Schlüsselrolle im US-amerikanischen Gesundheitssystem inne. Das CMS ist unter anderem für die Erarbeitung von Qualitätsstandards zuständig, die medizinische Einrichtungen einhalten müssen, die Leistungen im Rahmen der US-Programme Medicare und Medicaid erbringen. Es ist also denkbar, dass Oz Schritte setzen wird, um die wirkungslosen Mittel, die er wiederholt beworben hat, in diesen Praxen als Standard zu etablieren, was wiederum fatale Folgen für die Gesundheitsversorgung in den USA haben könnte.
Es überrascht wenig, dass Oz’ Affinität zu pseudowissenschaftlichen Produkten und Praktiken und sein Hang, sich am Leid anderer zu bereichern, mehrfach zu juristischen und öffentlichen Konflikten geführt hat. Genauso wenig überrascht es, dass seine unrühmliche Geschichte für Trump kein Hindernis zu sein scheint, Oz diese Entscheidungsmacht zu geben, auch wenn er bereits 2014 vor einem Senatsausschuss zu seiner fragwürdigen Sendung aussagen und sich dort für die Werbung für nicht evidenzbasierte Mittel rechtfertigen musste.
Die Schlüsselposition als Leiter des CMS sollte jemand innehaben, der dieser Herausforderung gerecht wird: Eine Person mit wissenschaftlicher Kompetenz, Interesse an evidenzbasierter Gesundheitsversorgung und ohne direkte finanzielle Verbindungen zu Herstellern von fragwürdigen „Wundermitteln“ oder Nahrungsergänzungsprodukten. Oz’ unrühmliche Vergangenheit lässt allerdings erahnen, dass er Seite an Seite mit RFK Jr. eine ganz andere Richtung einschlagen wird.
Quellen
- Alltucker, Ken “‚Medication I can’t live without‘: Lupus patients struggle to get hydroxychloroquine, in demand for COVID-19” USA Today News (18. April 2020)
- Associated Press “Frank Torre doing great after a heart transplant” The Washington Post (25. October 1996)
- Belluz, Julia “A group of doctors just asked Columbia to reconsider Dr. Oz’s faculty appointment” Vox (9. April 2016)
- Belluz, Julia “Government confirms one of Dr. Oz’s favored diet pills is a total hoax” Vox (26. Januar 2015)
- Christensen, Jen und Jacque Wilson “Congressional hearing investigates Dr. Oz ‘miracle’ weight loss claims” CNN (19. June 2014)
- Dreher, Henry “Recite Your Mantra and Call Me In the Morning” New York Magazine (11. May 1998)
- Federal Trade Commission “FTC Halts Deceptive Marketing of Bogus Weight-Loss Products” (4. May 2015)
- Goldschmidt, Debra “Physicians to Columbia University: ‘Dismayed’ that Dr. Oz is on faculty” CNN (22. April 2015)
- Korownyk, Christina et al “Televised medical talk shows—what they recommend and the evidence to support their recommendations: a prospective observational study” The BMJ (17. Dezember 2014)
- Leingang, Rachel “Trump nominates ‘Dr Oz’ as Medicare and Medicaid services administrator” The Guardian (19. November 2024)
- Leonard, Ben “Trump picks Dr. Oz to be CMS administrator” Politico (19. November 2024)
- Lippman, Daniel und Holy Otterbein “Dr. Oz is running as a China hawk. It’s a bit of a stretch.” Politico (3. February 2022)
- Luscombe, Richard “Dr Oz dropped by Columbia amid pro-Trump Republican Senate run – report” The Guardian (1. Mai 2022)
- Manatt Phelps & Phillips LLP “Dr. Oz Prescribes $5.25M Settlement in False Ad Case” Lexology (5. Juli 2018)
- Miller, Henry I. und Kavin Senapathy “Low-Hanging Fruit. Dr. Oz sows seeds of mistrust on genetic engineering.” Slate (10. April 2015)
- Neale, Todd “FDA Slams ‚Dr. Oz‘ for Apple Juice Report” Medpage Today (15. September 2011)
- Schwartz, Brian “Dr. Oz owns shares of companies that supply hydroxychloroquine, a drug he has backed as a Covid treatment” CNBC (7. September 2022)
- Specter, Michael “The Operator. Is the most trusted doctor in America doing more harm than good?” The New Yorker (27. January 2013)
- Suebsaeng, Asawin “Trump Eyes Accused ‘Quack’ Dr. Oz for Coronavirus Advice” The Daily Beast (5. April 2020)
- Ward, Ian “‘The Scientific Community Is Almost Monolithic Against You’: When Dr. Oz Went to the Senate” Politico (1. December 2021)
- Weise, Elizabeth “Study of Trump-touted chloroquine for coronavirus stopped due to heart problems, deaths” USA Today News (15. April 2020)
“Role of CMS” CMS.gov