Übelkeit und Abgeschlagenheit? Tablets in der Schule vor Gericht

(Lesedauer ca. 2 Minuten)

Das Pro und Contra von Tablets im Unterricht mag aus didaktischer Sicht noch nicht ausgeforscht sein. Unter medizinischen Aspekten hat der bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) jetzt ein bemerkenswertes Urteil gefällt:

https://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-BECKRS-B-2025-N-179

Eine Schülerin der Jahrgangsstufe 7 einer staatlichen Realschule wollte „ohne den Einsatz von Tablets und Laptops der Marke Apple“ beschult werden, weil diese Geräte bei ihr

… aufgrund einer genetisch bedingten Störung des Entgiftungsstoffwechsels zu Vergiftungssymptomen und mehrtägigen Erkrankungen mit Schulabwesenheit

geführt hätten.

Beglaubigt wurde das mit den Attesten zweier Ärzte („weder Pädiater noch Umweltmediziner“), die der Siebtklässlerin Symtome wie

… Abgeschlagenheit, Husten mit Erbrechen, Übelkeit, Appetitlosigkeit, reduzierte Nahrungsaufnahme, Rhinitis

bescheinigten.

https://www.youtube.com/watch?v=UuLcrsKZiEY

Also im Grunde das, was Organisationen wie zum Beispiel „Diagnose-Funk“ behaupten und die Quarks Science Cops so kommentieren:

Stimmt nach allem, was wir recherchiert haben, nicht. Alle diese Dinge gibt es zwar, Forschungsergebnisse deuten jedoch bei den meisten auf einen Nocebo-Effekt hin.

Das sahen auch die VGH-Richter so und wiesen die Beschwerde der Schülerin ab.

Das ärztliche Attest belege nicht die erforderliche Kausalität zwischen dem Einsatz von iPads bzw. MacBooks durch andere Schülerinnen und Schüler und den Erkrankungen der Antragstellerin. Studien oder sonstige wissenschaftliche Erkenntnisse zu Emissionen von Apple-Geräten würden „weder benannt noch in Bezug genommen“.

Es erstaunt nicht, dass Warnungen vor „schweren Konzentrationsschwächen und Denkproblemen“ bei Schulkindern durch „Elektrosmog“ in der Regel mit „Störfeldanalysen“ oder anderen Angeboten wie „Abschirmfarben“ etc. einhergehen. Und es ist absehbar, dass der Digitalpakt Schule auch in den Fokus von Geschäftemachern und obskuren Lobbyvereinigungen in Sachen „Elektrosensibilität“ gerät.

Dem hat die bayerische Justiz nun einen ersten Dämpfer versetzt.

Quellen:

Titelfoto: © Matt Buchanan

Kommentare

8 Antworten zu „Übelkeit und Abgeschlagenheit? Tablets in der Schule vor Gericht“

  1. Sebastian

    Vielleicht eine Lebensblume über den Apfel kleben und falls das nicht helfen sollte einen Barcode-Entstörer.

    Falls ihre Beschwerden tatsächlich über Nocebo ausgelöst wurden finde ich das sehr beeindruckend.
    Irgendwie behandelt werden muss es ja trotzdem…mein erster Gedanke war allerdings eine Sehstörung.

    Naja, gute Besserung der jungen Dame.

  2. Chusa More

    Nun, „witzigerweise“ kenne ich diese Familie persönlich.

    Die Kontextualisierung, die hier vorgenommen wird, ist unzutreffend. Anders als es die oben vorgenommene Kontextualisierung nahelegt, ging es bei diesem Verfahren um das Vorliegen eines Glutathion-S-Transferase-Mangels, es ging um Schadstoffemissionen aus Apple-Geräten und eine Entgiftungsstörung.

    Begründet wurde diese Klage durch Vorlage von drei (nicht nur zwei) Attesten, das dritte Attest stammt von „Prof. Dr. B. vom 28. Juni 2023, Kinder- und Jugendarzt sowie Umweltmediziner am Institut und P. für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin des Klinikums der Universität M“, der eben sowohl Pädiater als auch Umweltmediziner ist.

    Die Richter werteten dieses Attest (unter Punkt 8 der Urteilsbegründung zu finden) nur nicht im Sinne der Klägerin, sondern im Sinne ihrer eigenen Auffassung, dass durch die Atteste nicht genügend belegt ist, dass die Gesundheitsstörungen der Schülerin durch eine Entgiftungsstörung verursacht ist.

    In dem Attest heisst es u.a., dass „aus Kommunikationsendgeräten je nach Alter und Hersteller unterschiedliche flüchtige organische Kohlenwasserstoffverbindungen, u.a. auch Flammschutzmittel ausdünsten könnten, die als mögliche Auslöser von Symptomen in Betracht kämen.“ Weiter heisst es darin, dass „ein exakter Pathomechanismus nicht bekannt sei“.

    Nun, anders als die Richter könnte man daraus durchaus die Auffassung schlussfolgern, dass das eben noch nicht erforscht sein könnte.

  3. Michael Fischer

    @Chusa More:

    „Nun, anders als die Richter könnte man daraus durchaus die Auffassung schlussfolgern, dass das eben noch nicht erforscht sein könnte.“

    Das haben sie doch gar nicht gefolgert!?

    Das Problem an dem Attest scheint mir ja zu sein, dass es im Konjunktiv formuliert ist.

    Gleichzeitig wird eingeräumt, dass selbst für den Fall von Ausdünstungen (die offenbar aber erst nach Jahren auftreten würden, weil dann die Kunststoffe porös werden – wobei ich mir denken könnte, dass dann die Tablets eh veraltet wären und ausgetauscht werden müssten) auf physiologischer Ebene überhaupt kein Mechanismus bekannt ist, wie es dann weitergehen soll.

    Gut, da kann man natürlich viel Forschungsarbeit investieren, aber das Problem hat die Schülerin dann vermutlich nicht nur mit Tablets.

  4. Chusa More

    @Michael Fischer

    „Das haben sie doch gar nicht gefolgert!?“

    Doch, das haben sie, siehe die beiden letzten Sätze aus Punkt 8 der Urteilsbegründung: „Fachärztlich wird jedoch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass ein exakter Pathomechanismus nicht bekannt sei. Das Attest belegt somit gerade nicht die erforderliche Kausalität…“ Das impliziert doch, dass die Richter es ausgeschlossen haben, dass der Pathomechanismus noch nicht erforscht sein könnte.

    „…Ausdünstungen (die offenbar aber erst nach Jahren auftreten würden…“

    Für diese Ausdünstungen müssen nicht erst Jahre vergangen sein, nur ganz kurz als Erläuterung aus dem Attest: „… unterschiedliche flüchtige organische Kohlenwasserstoffverbindungen, u.a. auch Flammschutzmittel ausdünsten könnten…“

    „…das Problem hat die Schülerin dann vermutlich nicht nur mit Tablets.“

    Das Problem sind tatsächlich nicht Tablets, das Problem sind Schadstoffemissionen und eine Entgiftungsstörung. Die Schülerin hat ein Tablet, aber eben eines mit sehr geringer Schadstoffemission. Auch deshalb meine Kritik an der Kontextualisierung dieses Urteils.

  5. Sebastian

    Den Eindruck von Michael Fischer teile ich, wobei ich auch weiß, dass Beschlüsse teils sehr schlampig formuliert sind und die Details auch mal weggelassen werden.

    Was ich als Manko an den Gutachten betrachte, dass die Beschwerden hauptsächlich durch die Aussagen der Schülerin begründet werden. So wie ich die Krankheit verstehe, müsste sich diese anhand des Fehlen bestimmter Enzyme nachweisen lassen. Auch dieser Nachweis scheint zu fehlen.

    Was laut Beschluss ebenfalls bemängelt wird, dass eine Einschränkung auf eine Marke nicht nachvollziehbar ist bzw. begründet wird.

    Ein Beweis scheint in zweifacher Hinsicht nicht hinreichend erbracht worden zu sein. Zum einen dass die Erkrankung tatsächlich vorliegt und zum anderen, dass die Entstehung der Symptome sich auf Tablets der Marke Apple beschränkt.

    Ich weiß, sehr unbefriedigend insgesamt. Sollten die Beschwerden fortdauern, fände ich es ratsam nach anderen Ursachen zu suchen – es schwirren genug Schadstoffe in der normalen Luft herum, alleine schon der Abrieb von Autoreifen, sodass locker andere Gefahrenquellen in Betracht gezogen werden können. Wenn die Tablets immer im gleichen Raum genutzt werden, könnte es vielleicht auch am Bodenmaterial oder dem Kleber liegen!?

  6. Chusa More

    Nun, „geteilten Eindrücken“ ist mit Argumenten natürlich schwer beizukommen ;-).
    Nochmal: Die Kontextualisierung, die in obigem Blogartikel vorgenommen wurde, ist schlicht und ergreifend unzutreffend und falsch.
    Dass hier in diesem Blog-Artikel z.B. ein Zusammenhang hergestellt wurde zwischen Behauptungen von Diagnose Funk, einem Kommentar der Quark Science Cops und und diesem Urteil des VGH, aus dem im Grunde klar ersichtlich ist, dass es da nicht um „Mobilfunkstrahlung“ geht, und in dem dann behauptet wird, „Das sahen auch die Richter so“, das, finde ich, ist wirklich ein starkes Stück. Und dann ebenso ein „starkes Stück“ dieser erste Kommentar von Sebastian mit der „Lebensblume über den Apfel“ und „Barcode-Entstörer“.
    Und da hilft es auch nicht, sich Gedanken zu machen über das Urteil des VGH, geschweige denn über den Gesundheitszustand des Mädchens (was ich mehr als deplaziert finde), die im Artikel vorgenommene Kontextualisierung ist und bleibt falsch!

  7. Bernd Harder

    @Chusa More:

    Ja, die konkrete „Kontextualisierung“ war falsch – mein Fehler.

    Das ändert aber nichts daran, dass mit einem (tatsächlichen oder vermeintlichen) Glutathion-Mangel viel Unsinn begründet wird, z.B.:

    https://baubiologie.de/wissen/baubiologie-magazin/elektrosmog-radioaktivitaet-licht/mein-weg-aus-der-elektrosensibilitaet/

    Und dass Organisationen wie „Diagnose Funk“ massiv die Schulen ins Visier nehmen:

    https://www.diagnose-funk.org/aktuelles/artikel-archiv/detail&newsid=1199

    Im Detail gibt das Urteil darauf keine Antwort, da haben Sie Recht.

    Aber sorry, eine etwas merkwürdige Richtung glaube ich dieser Beschwerde allerdings schon entnehmen zu können.

  8. Michael Fischer

    @Chusa More: Na ja, ich weiß nicht, ob es das wirklich impliziert.

    Wenn ein Richter sagt, es gibt keinen bekannten Wirkmechanismus für Homöopathie (um mal wieder dieses abgedroschene Beispiel zu bemühen), dann impliziert m.E. diese Feststellung überhaupt nichts weiteres – auch nicht, dass „das eben noch nicht erforscht sein könnte.“

    Was die Ausdünstungen angeht, sehe ich das auch anders, denn es heißt ja ausdrücklich “ je nach Alter und Hersteller“ (das ist entscheidend – von generell ist keine Rede!) könnten Verbindungen ausdünsten.

    Ich interpretiere das so, dass das bei manchen Herstellern früher passiert, bei anderen später (bei anderen womöglich gar nicht!?). Keine Ahnung, was den Unterschied macht, aber mehr steht da nicht. Daher würde mich schon die genaue Erklärung interessieren.

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