„Ich bin ein Berliner“ rief Kennedy in Berlin der jubelnden Menge zu, wenige Stunden bevor gleich um die Ecke ein Mob aus Reichsbürger:innen und Querdenker:innen versuchen würde, den Reichstag zu stürmen, und Skandalkoch Attila Hildmann vor laufenden Kameras von der Polizei abgeführt wurde. Die Rede ist natürlich von Robert F. Kennedy junior, Sohn des 1968 ermordeten US-Senators Robert Kennedy und Neffe des 35. Präsidenten der Vereinigten Staaten, John F. Kennedy. Das Zitat seines berühmten Onkels stand im Zentrum von Kennedys Rede, in der er die verschwörungsideologische Querdenken-Bewegung als „Front gegen den Totalitarismus“ bejubelte und behauptete, die Covid-Pandemie sei seit Jahrzehnten geplant worden. Das Ziel sei eine geheime Machtübernahme – und zwar just durch die zu diesem Zeitpunkt demokratisch legitimierten Regierungen. An der Spitze der Regierung, gegen die Kennedy am meisten wetterte, stand zu diesem Zeitpunkt Donald Trump. Gute vier Jahre später wurde der inzwischen 70jährige nun von Trump als Gesundheitsminister in der kommenden US-Regierung nominiert.
Der zukünftige Minister blickt auf einen wechselhaften und zum Teil skurrilen Werdegang zurück. Frisch durch die New Yorker Anwaltsprüfung gefallen und um seine sicher geglaubte Anstellung als Staatsanwalt gebracht, wurde er wegen des Besitzes von Heroin zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Nach eigener Aussage hatte er das Rauschmittel seit seinem 15. Lebensjahr regelmäßig konsumiert. Es folgte eine erfolgreiche Karriere als Anwalt diverser Umweltschutzorganisationen. 2018 gewann er eine Schadensersatzklage gegen das Biotech-Unternehmen Monsanto auf Basis der wissenschaftlich unhaltbaren Behauptung, das Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat sei krebserregend. Kennedy selbst war über die Jahre an mehreren Technologieunternehmen aus dem Umweltbereich beteiligt.
Weniger begeistert von Kennedy waren Menschen, die sich für die Umwelt einsetzen, wenn es um seinen Umgang mit toten Tieren ging. So berichtete seine Tochter, Kennedy habe mit einer Kettensäge den Kopf eines gestrandeten Wals abgetrennt und diesen auf seinem Autodach über mehrere hundert Kilometer zu sich nach Hause transportiert. Eine Untersuchung der US-Umweltbehörden wurde allerdings mangels Beweisen eingestellt. Kennedy gab jedoch zu, 2014 einen überfahrenen Bären mitgenommen zu haben, um das Fleisch zu essen, den Kadaver dann aber auf einem Fahrradweg im Central Park, mitten in New York City, abgelegt zu haben.
Besonders beunruhigend für einen Gesundheitsminister sind jedoch Kennedys Falsch- und Verschwörungsbehauptungen zu gesundheitlichen Fragen. 2018 agitierte Kennedy nach zwei Todesfällen durch den Fehler einer Krankenschwester in Samoa gegen die Masernimpfung. In der Folge brach die Impfbereitschaft in dem Inselstaat ein, worauf bei einer schweren Masernepidemie mehr als 70 Kinder starben. Nun spekulierte Kennedy, dass diese Kinder anstatt von Masern Opfer von Impfungen geworden seien. 2023 erklärte er in einem Interview, Impfungen verursachten Autismus – ein verbreiteter Irrglaube, der auf eine gefälschte Studie des Briten Andrew Wakefield zurückgeht. 2015 verglich er Impfungen mit dem Holocaust. 2021 bezeichnete er Covid-Impfungen als „tödlichste Impfung, die je hergestellt wurde“. Über den Covid-Erreger verbreitete er, dieser sei gezielt entwickelt worden, um Weiße und Schwarze zu treffen, während Jüd:innen und Chines:innen eher immun seien. So ist es wenig überraschend, dass Kennedy auch die Lügen verbreitet, Mobilfunk verursache Krebs, WLAN durchlöchere die Blut-Hirn-Schranke und HIV sei nicht die Ursache von AIDS. Der Food and Drug Administration, der Kennedy künftig vorgesetzt sein soll, unterstellte er noch im Oktober auf Twitter, sie führe einen Krieg gegen die öffentliche Gesundheit. Im Vergleich dazu erscheint es schon fast harmlos, dass Kennedy auch Verschwörungsbehauptungen zur Ermordung seines Vaters und seines Onkels John F. Kennedy verbreitet.
Beitragsbild: Robert F. Kennedy jr. mit seinem Onkel John F. Kennedy, John F. Kennedy Presidential Library and Museum, public domain.