Doku „Memory Wars“: Kritik an medialer und therapeutischer Suggestionskraft

(Lesedauer ca. 4 Minuten)

Die große öffentliche Kontroverse um den Dokumentarfilm „Memory Wars“ über Elizabeth Loftus ist bislang ausgeblieben – durchaus zum Bedauern von Regisseur Hendrik Löbbert, wie er uns beim Filmgespräch in München sagte. Die Diskussion nach der Vorstellung am 10. September verlief denn auch eher harmonisch, wie zuvor bereits in Köln, Hamburg und Frankfurt.

„Memory Wars“-Regisseur Hendrik Löbbert (r.) beim Filmgespräch am 10. September im Kino „Neues Maxim“ in München

Dabei findet in der Fachwelt eine „heftige Debatte“ zum Thema Falscherinnerungen statt, wie die Sozialpsychologin Prof. Aileen Oeberst erklärte. Die Forscherin an der Universität Potsdam wies darauf hin, dass „alle, die an diesem Diskurs beteiligt sind, das Wohl von Menschen im Blick haben“. Dies sei der Common Ground, der einen Austausch eigentlich möglich machen sollte.

Auch die Rechtspsychologin Elena Ebner sprach von „verhärteten Fronten“ zwischen Traumatherapie und Aussagepsychologie, äußerte aber zugleich die Hoffnung auf eine Annäherung, etwa durch gemeinsame Forschungsvorhaben.

Prof. Aileen Oeberst, Elena Ebner und Hendrik Löbbert (v.r.n.l.); Foto: Emily Schuster-Woldan/mindjazz

Filmkritiker nehmen das „Problemfeld“, welches „Memory Wars“ eröffnet, durchaus wahr:

Rechtsstaatliche Erfordernisse der Beweisführung geraten oft mit den seelischen Nachwirkungen sexueller Traumatisierung in Konflikt,

schreibt der Filmdienst:

Der zentrale Punkt von „Memory Wars“ ist die Kritik medialer und therapeutischer Suggestionskraft.

Löbbert erinnert an den Höhepunkt von Loftus’ Karriere während der sogenannten Satanic Panic in den 1980er-Jahren, bei der sich die Wissenschaftlerin gegen die „Recovered-Memory Therapy“ engagierte.

Die Welt nutzt die Doku als Aufhänger für einen ausführlichen Artikel über das „False Memory Syndrom“ und zieht das Fazit:

Elizabeth Loftus hat festgestellt: „Es gab keine glaubwürdigen wissenschaftlichen Beweise für diese Idee der massiven Verdrängung.“

Freud verließ sich lediglich auf die Dinge, die ihm Patienten erzählten. Loftus unterscheidet somit zwischen „Happening Truth“ und „Story Truth“: das reale Geschehen und die Geschichte, die sich Menschen selbst erzählen, um sich besser zu fühlen, auch wenn sie nicht stimmt.

Man wünscht sich, ihre psychologische Expertise würde noch viel weitere Kreise ziehen, um in einer Welt voller Fake News endlich wieder der Stimme der Vernunft Gehör zu verschaffen.

https://www.facebook.com/mindjazzpictures/videos/832894199191052

Einig sind sich die Rezesent:innen darin, dass Hendrik Löbbert ein starkes und empathisches (epd Film) Porträt einer „kämpferischen Frau“ gelungen ist, „deren Pioniergeist in einer noch immer männlich dominierten Wissenschaftsdisziplin nachhaltig beeindruckt“ (Filmdienst).

Der NDR zitiert aus „Memory Wars“ zwei Sätze von Loftus‘ Bruder:

Du stehst auf der Mauer zwischen Unschuldsvermutung und Vorverurteilung durch die Massen. Wir brauchen dich, um die Integrität und das Vertrauen in unser Justizsystem zu bewahren.

Der Fall „Josephine R.“ lässt grüßen.

Die Kinotermine der nächsten Zeit finden sich auf der Verleihseite.

Zum Weiterlesen:

Titelfoto: Emily Schuster-Woldan/mindjazz

Kommentare

2 Antworten zu „Doku „Memory Wars“: Kritik an medialer und therapeutischer Suggestionskraft“

  1. crazy cattle 3d

    This documentary is crucial, highlighting the dangers of false memories and media manipulation. Elizabeth Loftuss work is eye-opening and deeply relevant in our misinformation-filled world. A thought-provoking watch!

  2. ich sah den Film am Wochenende.

    Ich halte Folgendes noch für zitierwürdig:

    Wenn ein Angeklagter trotz Loftus‘ Aussage verurteilt wird, war die Beweislage kräftig genug.

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