Kein Regen am Hochzeitstag?

Neuer Job?

Glück?

Alles überhaupt kein Problem:
Eigentlich ist Etsy für den Verkauf von Handarbeit und Kreativbedarf bekannt.
Dass inzwischen aber immer mehr Menschen neben Häkelwolle auch Flüche und Mondscheinkristalle mit der Plattform verbinden, hat vor allem mit TikTok zu tun. Nutzerinnen und Nutzer dort haben „Etsy-Hexen“ in den vergangenen Jahren populär gemacht.
In unzähligen Videos erzählen sie, meist jung und weiblich, von ihren Erfahrungen,
schreibt der Spiegel:
Gemeinsam ist den Berichten über die kleinen und großen Ereignisse, dass die User überzeugt sind, Gewünschtes weder sich selbst noch einem Zufall, sondern einer „Etsy-Hexe“ zu verdanken.
Das liest sich dann zum Beispiel so:

Und das soll wirklich funktionieren?
Die Youtuberin catszplay hat es ausprobiert:
Ihr Selbstexperiment erbrachte „null Beweis“ dafür, dass „tatsächlich dieses Hokuspokus-Zeug gemacht wurde“ – geschweige denn für irgendeine Wirkung:

Auch echte Klientinnen warnen in den sozialen Medien vor Abzocke und Betrug:


Todernst wurde der faule Zauber, als die US-Webseite Jezebel am 8. September 2025 den (wohl satirisch gemeinten) Artikel „We Paid Some Etsy Witches to Curse Charlie Kirk“ veröffentlichte. Zwei Tage später wurde Kirk erschossen. Eine britische Journalistin machte eine der Etsy-Hexen ausfindig, und zwar eine gewisse „Priestess Lilin“, die zu Protokoll gab:

Zu Deutsch:
In der Hexengemeinschaft glauben viele von uns, dass Zaubersprüche, Magie und Flüche sehr real sind und tiefgreifende Veränderungen in dieser Welt bewirken können, sei es durch psychologische oder metaphysische Mittel.
Als Schwestern haben wir es mit Dingen zu tun, die wir nicht erklären können, die sich der Logik widersetzen. Magie ist für uns sehr real.
Obwohl wir nicht im wörtlichen Sinne die Verantwortung für den Tod von Herrn Kirk übernehmen können, bestätigen wir, dass die Magie, mit der wir arbeiten, effektiv ist.
Es scheint Menschen zu geben, die so etwas glauben, sichtet man etwa diverse Kommentare dazu: „Hexen und Frauen kommen an die Macht. Ich spüre in letzter Zeit eine deutliche Veränderung“ oder „Ich befürworte keine Gewalt, aber verdammt, dieser Fluch hat funktioniert“ oder „Haben sie zufällig erwähnt, welche Hexen das waren? Frage für ’nen Freund“ oder „Ich nehme alles zurück, was ich jemals über Etsy-Hexen gesagt habe“.
Neben der „Durchkapitalisierung“ des Hexentrends sehen Expert:innen die Gefahr,
… dass man in magische Sonderwelten gerät und meint, real existierende Probleme mithilfe magischer Sprüche oder Handlungen zu lösen.
Der evangelische Weltanschauungsbeauftragte Matthias Pöhlmann erklärt:
Damit werden Probleme nicht angegangen, sondern verdrängt. Es ist ein breites Spektrum – zwischen Hexen-Entertainment und dem Risiko, sich in Sonderwelten zu verlieren oder in Abhängigkeit zu geraten.
Diese Anbieter haben keine entsprechende Qualifikation. Wenn psychisch Belastete oder junge Leute, die noch Orientierung suchen, darauf anspringen, besteht diese Gefahr.

Das neue funk-Format „Trasherchiert“ machte bei einem Selbstversuch die gleichen Erfahrung wie catszplay. Das angebliche Beweisfoto für einen durchgeführten „Sturmzauber“ entpuppte sich als ein geklautes Motiv aus dem Netz.
Die ganze Esoterik-Branche ist voll von Menschen, die einfach schnell Geld machen wollen,
schlussfolgert die Moderatorin Šejla Begović:
Auf den ersten Blick denkt man vielleicht, es geht den Hexen da draußen vor allem um Sinnfindung, Empowerment, finding your own voice und so weiter, oder? Aber auf #WitchTok und Etsy bekommt man da manchmal auch einen anderen Eindruck.
Der Hexentrend ist auch einfach gefundenes Fressen für Leute, die mit unseren Ängsten und Sehnsüchten Geld machen wollen.
Oder schlicht gesagt: „Big Business“ mit „snake oil, modern day snake oil“.
Zum Weiterlesen:
- Trenkler, Anastasia „Verlieben oder verfluchen, für nicht mal 40 Euro“ spiegel (26. Dezember 2025)
- „Was Etsy-Hexen versprechen und warum das gefährlich werden kann“ Deutschlandfunk Nova (18. November 2025)
- Pöhlmann, Matthias „Neue Hexen auf Social Media: Wie Instagram, TikTok und Etsy Liebeszauber zum Trend machen“ sonntagsblatt (16. Oktober 2025)
- Onyewuchi, Chukwudi „The Witch Who Claims To Have Cursed Charlie Kirk Speaks Out With Regret“ blast (28. September 2025)
- Allen, Nick „I’m the witch who cursed Charlie Kirk. I want to speak to Erika directly because she deserves to hear the truth“ Daily Mail (27. September 2025)
- Tucker, Steven „The Curse of Charlie: Witchcraft as a Method of Manifesting Change – Like Political Assassinations“ Crisis Magazine (19. September 2025)
- Stefenelli, Anna „Hexen belegten Trump-Vertrauten Charlie Kirk mit Fluch – kurz vor dessen Tod“ watson (11. September 2025)
- Boyden, Katie „Witch who put hex on Charlie Kirk for online magazine speaks out“ metro (11. September 2025)
- Moreno, Manny „Charlie Kirk’s Murder Intersects with Jezebel’s Witchcraft Story, Raising Concerns for Pagans“ The Wild Hunt (10. September 2025)
- „We Paid Some Etsy Witches to Curse Charlie Kirk“ yahoo (8. September 2025)
- Spangler, Todd „Jezebel Removes Article About Hiring ‘Witches to Curse Charlie Kirk’ Published Two Days Before He Was Assassinated“ variety (10. September 2025)
- Wilshere, Meredith „Looking for a Love Spell or a Hex on Your Ex? There’s an Etsy Witch for That“ people (22. Juni 2025)
- Rabiega, Imke Merit /Theilen, Julian „Geschäftsmodell Hexe“ welt (4. Juni 2025)
- Farivar, Cyrus „Witchcraft Is Big Business On Etsy“ forbes (15. September 2024)
- Bloch, Lea „Die neue Generation Hexen – wie Stefanie mit Magie Geld verdient“ SRF (21. März 2024)
- Hansel, Paula „Netzphänomen WitchTok: Lebenshilfe von der guten Hexe?“ br (23. Februar 2024)
- Meier, Anna „Der Hexentrend auf TikTok ist antimodern und pseudofeministisch“ Belltower News (3. Mai 2021)
Titelfoto: Freepik/teksomolika


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