Ein salomonisches Urteil:
Wer jeglichen Einfluss der Psyche bei Long Covid oder ME/CFS komplett von sich weist, komplett ablehnt, der oder die erzählt unwissenschaftlichen Unfug.
Und jetzt kommt aber das sehr, sehr große Aber: Wer sich auf der anderen Seite hinstellt und sagt, das ist alles nur Psyche, die Forschung zu den organischen Ursachen, die können wir eigentlich einstellen, der oder die erzählt auch sehr großen unwissenschaftlichen Unsinn, und zwar Unsinn, der Betroffene darüber hinaus noch deutlich härter treffen kann.
In der neuen Folge beschäftigen sich die Quarks Science Cops Maximilian Doeckel und Jonathan Focke mit der
Akte Long Covid: Warum findet keiner die Ursache?

Die beiden Wissenschaftsjournalisten erklären, dass es „der Sache definitiv nicht gerecht“ werde, die Krankheitsursache auf die Psyche zu reduzieren. Es brauche weitere Forschung zu organischen Ursachen, da es durchaus Hinweise auf konkrete körperliche Veränderungen gebe:
Dazu gehört unter anderem verringerter Blutfluss im Hirn, erhöhte Laktatwerte, geringere Sauerstoffkapazität im Blut, erhöhte Antikörperwerte und einiges mehr. Das findet man.
Diese körperlichen Auffälligkeiten treten nicht alle gleichzeitig und auch nicht bei allen Patienten auf.
Das sei indes nicht weiter verwunderlich, wenn man sich vor Augen führe, dass es sehr wahrscheinlich sei, dass verschiedene Endotypen von ME/CFS/Long Covid existieren:
Es kann sehr gut sein, dass mehrere oder sogar alle diese [vorher genannten] Krankheitsmechanismen richtig sind. Nicht unbedingt für den einzelnen Patienten, aber für alle Long-Covid-Patienten zusammengenommen.
In der Forschung kristallisiert sich nämlich immer mehr raus, dass Long Covid im Grunde eigentlich keine einzelne Krankheit ist, sondern, so sagt es die Long-Covid-Forscherin Akiko Iwasaki von der Yale Universität, sehr wahrscheinlich gibt es verschiedene Endotypen dieser Krankheit, also quasi Untergruppen von Long Covid, so wie man es ja auch bei anderen Krankheiten kennt.

Es könne mithin sein, dass
… bei der einen Patientin die Corona-Infektion dazu geführt hat, dass das Immunsystem mit den Autoantikörpern die eigenen Körperzellen angreift.
Beim anderen Patienten hat das Virus dagegen Blutgefäße kaputt gemacht oder zu einer Nervenentzündung geführt, und bei einer dritten Patientin wiederum sind es mehrere Sachen auf einmal.
Nichtsdestotrotz sei es „prinzipiell möglich“, dass
… einige Symptome von Long Covid bei einigen Menschen auch eher psychisch entstehen können, wobei man das derzeit weder belegen noch widerlegen kann.
Bei der Erforschung und auch bei der Behandlung solle man daher psychosomatische Einflüsse „nicht einfach wegstoßen und ausklammern“.
Im nächsten Video der Science Cops in zwei Wochen geht es dann um „mögliche Therapien“. Die aktuelle Folge „Die Akte Long Covid: Warum findet keiner die Ursache?“ gibt es als Podcast und bei Youtube.
Zum Weiterlesen:
- Science Cops „Die Akte Long Covid: Warum findet keiner die Ursache?“ quarks (20. September 2025)
- „Long Covid: Es krankt schon an der Definition“ orf (15. September 2025)
- Video „ME/CFS – gefangen im chronisch kranken Körper“ Nano (14. September 2025)
- Meuter, Sabine „Öffentlich krank: Wie Sickfluencer auf Krankheiten aufmerksam machen“ apotheken-umschau (3. September 2025)
- Weber, Nina „Chronische Krankheit ME/CFS: Es ist unfassbar, welche Demütigungen diese Menschen ertragen müssen“ spiegel (13. August 2025)
- Video „Krankheit ME/CFS: Wer hilft den Betroffenen?“ spiegel (2. Juni 2025)
- Rücker, Martin „Long Covid: Stellungnahme ohne Quellen“ spektrum (5. August 2025)
- Stokowski, Margarete „Der ätzende Rest der Pandemie – glaubst du an Long Covid?“ apotheken-umschau (17. Juni 2025)
- Weber, Nina „Long Covid und ME/CFS: Das erste zugelassene Medikament wird den Durchbruch bringen“ spiegel (15. November 2024)
- Peluso, Michael J./Deeks, Steven G. „Mechanisms of long COVID and the path toward therapeutics“ cell (25. September 2024)
- Al-Aly, Ziyad/Topol, Eric „Solving the puzzle of Long Covid“ science (22. Februar 2024)
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