„Du bist dem Universum egal“: Warum Manifestieren Unsinn ist

(Lesedauer ca. 6 Minuten)

Fassen wir mal zusammen:

  • Ein freier Parkplatz in der Kölner Innenstadt? Ja.
  • Second-Hand-Sommerschuhe in der passenden Größe? Nein.
  • Billig tanken? Nein.
  • Ein Sitzplatz im vollen ICE? Ja.
  • Ein Tisch beim ausgebuchten Italiener? Ja.
  • Karten für das Taylor Swift-Konzert in Gelsenkirchen? Ja.
https://www.youtube.com/watch?v=ZxEPRWTHCUk

„Ob das Manifestieren wirklich den Unterschied gemacht hat, lässt sich natürlich nicht sicher sagen“, zieht die RTL-Reporterin Katharina Seiwert ihr persönliches Fazit.

Aber das Herumexperimentieren mit dieser mega gehypten Eso-Praktik habe „auf keinen Fall geschadet“, gibt sich Seiwert überzeugt.

So? Vielleicht sollte sie sich ihren eigenen Beitrag nochmal ansehen. Immerhin kommt in den zehn funny-fresh-Minuten auch die Münchner Psychologin Cordula Leddin zu Wort:

Das Ganze kann auch in eine ganz andere Richtung laufen.

Dass, wenn ich es immer wieder probiere, etwas zu manifestieren, und es klappt einfach nicht, dass ich das Gefühl habe, ich bin weniger wert als andere, ich schaffe nicht so viel wie andere, oder ich bin selber auch unfähig, dann kann man sich noch schlechter fühlen als vorher.

Sie sei jetzt vielleicht nicht reicher oder glücklicher als vorher, aber ihre Grundeinstellung ist „irgendwie positiver“ geworden, meint Katharina Seiwert am Schluss ihrer Reportage. Und dieses vage „irgendwie“ trifft es wohl ganz gut, denn offensichtlich ist Seiwert auf den Confirmation Bias reingefallen (ihre Kolleginnen konnten keine Swift-Tickets ergattern).

Am „Gesetz der Anziehung“ hat es sicher nicht gelegen, das wissenschaftlich haltlos ist.

Irgendwie soll die Wünschelei natürlich mal wieder was mit „energetischen Frequenzen“ zu tun haben, erklärt uns eine gewisse Franzy Ma bei Youtube, oder aber mit dem „Welle-Teilchen-Modell der Quantenphysik“, meint der Weltenwandler.

Der Schauspieler und „Wünschelwicht“ Pierre Frankch meldet Ambitionen auf den Nobelpreis an, wenn er in diesem Video beteuert, dass Gedanken „direkt an unsere DNA gesendet werden“,

… und man weiß inzwischen, dass unsere DNA innerhalb von Millisekunden darauf reagiert, und wenn wir mal überlegen, was unsere DNA alles macht – ja klar, die erschafft alles hier so, die ganzen Bausteine, und man weiß, dass wir mit unseren Gedanken tatsächlich unsere DNA ein- und ausschalten können.

Wer genau „man“ ist, der das weiß, bleibt irgendwie unklar.

https://www.brandstaetterverlag.com/buch/warum-wir-nicht-durch-waende-gehen/

Klare Worte findet dagegen der Physiker Florian Aigner in seinem Buch „Warum wir nicht durch Wände gehen“ für solchen Brain-Freeze-Unsinn: „Auf irgendeine Weise mit bloßen Gedanken eine neue Wirklichkeit herbeizaubern“ – solche Behauptungen seien nicht bloß physikalisch unhaltbar, sondern auch moralisch völlig inakzeptabel.

Denn wohin das führen kann, haben wir bereits in unserem WTF-Talk mit den Quarks Science Cops besprochen.

Also man sollte auf jeden Fall darauf achten, dass das keine Person ist, die mit irgendwelchen pseudowissenschaftlichen Konzepten um sich wirft,

warnt denn auch die Psychologin Rosalie Weigand vor Coaches und Influencerinnen in Sachen „Manifestieren“.

Weil:

Wenn eine psychische Erkrankung vorliegt, ist es sogar sehr gefährlich.

Bei Depressionen zum Beispiel sind ein Symptom Schuldgefühle, und bei der Manifestation geht man ja davon aus, alles, was mir gerade passiert, habe ich in irgendeiner Art und Weise selbst herbeigeführt, durch mein Mindset.

Und das kann natürlich bei Menschen, die sowieso zu Schuldgefühlen neigen, dazu führen, dass es ihnen umso schlechter geht, je schlechter es ihnen geht.

Also ein negativer Teufelskreis.

https://www.youtube.com/watch?v=kUCVfs-qE_g

Aber auch davon abgesehen ist das exzessive Wunschdenken unnütz. Im Youtube-Kanal „Was bringt’s?“ der Apotheken Umschau sagt Weigand:

Es gibt zum Beispiel auch Studien, die darauf hinweisen, dass einfach nur diese positiven Fantasien sogar dazu führen, dass Leute tendenziell inaktiver werden.

Weil sie ja diesen schönen Zielzustand sich schon vorgestellt haben, dadurch irgendwie schon was Positives haben, und dadurch die Energie, auch wirklich aktiv zu werden, gar nicht mehr so groß ist.

„Manifestation“ sei allenfalls als erster Schritt praktikabel, um sich darüber klar zu werden, was man wirklich will. Dann allerdings müsse man schauen, „wie komme ich denn da hin, also was muss ich dann wirklich auch tun, wie kann ich aktiv werden?“

Ganz ähnlich verhält es sich übrigens mit „Positiven Affirmationen“, die in der Wünschel-Szene häufig als Muster angeführt werden. Auch sie können kontraproduktiv sein und reichen allein nicht aus, um nachhaltige Veränderungen herbeizuführen.

Beachtenswert sind laut Weigend zwei weitere Punkte.

Erstens:

Zu überlegen, woran könnte es denn auch scheitern, also was können so kleine Hindernisse auf dem Weg zum Ziel sein?

Zweitens:

Auch negative Emotionen haben ihre Daseinsberechtigung.

Es ist superwichtig, nicht alles Negative zu unterdrücken und mir selber zu sagen, ich muss nur positive Dinge in mein Leben holen – sondern die negativen eben auch als wichtige Hinweise zu sehen.

https://www.youtube.com/watch?v=kUCVfs-qE_g

In der Psychologie sei mitnichten von „Manifestieren“ die Rede, erklärt Weigand, sondern von kognitiver Umstrukturierung. Und das geht anders.

Ebenso wie das „Value Tagging“ (Wertzuweisung), das der amerikanische Neurochirurg und Autor James Doty anstelle des Manifestierens vorschlägt –eine Art Prozess, bei dem „unser Gehirn bestimmte Absichten oder Wünsche als besonders wichtig einordnet“.

Esoterikern gibt Doty dazu zwei Bonmots mit auf den Weg:

Was man glaubt zu wollen, ist nicht unbedingt das, was man wirklich braucht.

Und:

Du bist dem Universum scheißegal.

Quellen:


Kommentare

2 Antworten zu „„Du bist dem Universum egal“: Warum Manifestieren Unsinn ist“

  1. „Du bist dem Universum scheißegal.“

    Das stimmt. Aber viel schlimmer ist, dass wir auch manchen Politikern scheißegal sind – und daran könnten wir etwas ändern.

  2. Es scheint sich wie ein roter Faden durch die zeitgenössische Esoterik zu ziehen: Probleme lösen durch enthusiastisches Nichtstun (zb Wünschelei, Astrologie, Akupunktur, Homöopathie usw.) und essen von scheinbar mystisch-wohlklingendem Zeugs mit dem Potential für das Erhalten enormer Aufmerksamkeit.

    Für mich die Ursachen: Bildungsfeindlichkeit und Wohlstandsverwahrlosung, besonders das über die Zeit stete Abnehmen des Verhältnisses von individueller Bildung zu individuellem Wohlstand

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