Wie konnte Sir Arthur Conan Doyle, „ein ausgebildeter Arzt und Schöpfer einer zeitlosen Figur, die zum Synonym für Vernunft und messerscharfen Verstand geworden ist“, auf dieses Fake-Foto von zwei 9- und 16-jährigen Mädchen hereinfallen?

In seinem Buch „The Coming of the Fairies“ von 1922 beglaubigte der Sherlock-Holmes-Schöpfer die angepinnten Elfen-Bildchen von Frances Griffiths und Elsie Wright als unzweifelhaft echt:

Warum?
Da war einerseits seine große Passion, der Spiritismus:
Anfangs ablehnend, war er von 1886 an immer mehr in die Welt der Séancen und der Geisterfotografie eingetaucht,
schreibt die FAZ.
Andererseits war Doyle von dem neuen Medium Fotografie fasziniert und „stets geneigt zu glauben, was er auf Fotografien sah“.
Frances und Elsie waren indes bloß zwei unbedarfte Teenager, die „a bit of fun“ wollten, wie Frances Griffiths 1983 der BBC sagte:

I can’t understand to this day why people were taken in. They wanted to be taken in. People often say to me „Don’t you feel ashamed that you have made all these poor people look like fools? They believed in you.“
But I do not, because they wanted to believe.
Von anderem Schlag waren die Fox-Schwestern Maggie und Kate, die 1847 den Spiritismus erfanden und mit simplen Klopfgeräuschen vier Jahrzehnte lang die Welt zum Narren hielten.
Und auch in dieser aufgeladenen Atmosphäre „trat ein Mann auf, der den Spiritismus visuell greifbar machen sollte“, erzählt der Podcast Geschichten aus der Geschichte: William H. Mumler:
Geboren 1832 in Boston, eigentlich ausgebildet als Graveur, geriet Mumler eher durch Zufall zur Fotografie.
Genauer gesagt, durch die Bekanntschaft mit Hannah Green Stuart, einer Fotografin und selbsternannten spirituellen Vermittlerin. In ihrem Studio entstand 1861 das erste Bild, das Mumlers Ruhm begründen sollte: ein Selbstporträt, auf dem auch eine schemenhafte weibliche Gestalt zu sehen war.
Mumler hielt es für einen technischen Fehler, Stuart erkannte darin einen Geist. Die Aufnahme gelangte in spiritistische Zeitungen – angeblich ohne Mumlers Wissen und Zustimmung – und löste ein ungeahntes Echo aus.

Was als Kuriosität begann, entwickelte sich rasch zum Geschäftsmodell. Mumler eröffnete mit Hannah Green Stuart, die er mittlerweile geheiratet hatte, ein eigenes Studio.
Natürlich verlangte er Geld für seine Dienste. Manchmal kostete ein einziges Geisterbild bis zu zehn Dollar, damals eine immense Summe1. Die Kunden waren dennoch höchstzufrieden. Sie bestätigten, in den Bildern verstorbene Angehörige wiederzuerkennen.
1869 wurde „der erste professionelle Geisterfotograf“ (Wikipedia) vor Gericht zitiert. Was dort passierte, kennen heutige Skeptiker nur zu gut:
Die Anklage schaffte es zwar zu zeigen, wie sich solche Bilder fälschen ließen, sie konnte Mumler aber nicht nachweisen, welche Methode er genau angewendet hatte. Die juristische Schwelle für Betrug war damit nicht erreicht.

Das Fazit der beiden Historiker Richard Hemmer und Daniel Meßner deckt sich praktisch mit den Lebenserinnerungen von Frances Griffiths:
Die Kamera, einst Symbol objektiver Wahrheit, wurde zum Medium des Zweifelhaften. Sie zeigte nicht, was ist, sondern was geglaubt werden sollte.
„Geisterfotografie“ ist auch ein Thema der Ausstellung „Zeit für Geister“ in der Augsburger Puppenkiste (bis zum 14. September).

Und bei ARTE gibt es einen kurzen Beitrag (zirka 14 Minuten) zum Thema „Geister im Film“.
Zum Weiterlesen:
- Hemmer, Richard/Meßner, Daniel „Kleine Geschichte der Geisterfotografie“ spektrum (11. Juni 2025)
- Podcast „William H. Mumler, Geisterfotograf“ Geschichten aus der Geschichte (28. Mai 2025)
- Kandzora, Jan „Ungewisse Zukunft der Augsburger Puppenkiste“ Augsburger Allgemeine (6. Juni 2025)
- Herz, Andreas „Puppenkiste verklagt Freistaat: Keine Kohle für Jim Knopf“ BR24 (3. Juni 2025)
- Demmelhuber, Simon „Geisterfotograf William Mumler steht unter Betrugsverdacht“ Bayern 2 (3. Mai 2024)
- Rückert, Ulrike „Die Fox-Schwestern erfinden den Spiritismus“ Bayern 2 (31. März 2023)
- „Das sind die berühmtesten Geisterfotografien und ihre unglaublichen Geschichten“ watson (18. Oktober 2022)
- Fritz, Natalie „Wenn Bilder lügen: kleine Geschichte der Geisterfotografie“ kath.ch (12. November 2022)
- „Der seltsame Fall des William Mumler, Geisterfotograf“ fotomenschen (14. Februar 2021)
- „Arthur Conan Doyle und die Elfen von Cottingley“ zeitpunkte (22. August 2020)
- „November 1920 – Arthur Conan Doyle veröffentlicht Feen-Bilder“ zeitzeichen (20. November 2020)
- Kolbe, Corina „Die Feen von Cottingley: Wie zwei Mädchen England narrten“ spiegel (7. August 2017)
- Iken, Katja „Fotogrüße aus dem Jenseits“ spiegel (23. Dezember 2011)
- Harder, Bernd „Zeit für Geister in der Augsburger Puppenkiste“ skeptix (1. April 2025)
- „Geisterfotografie“ bei Wikipedia
Titelfoto: Wikipedia
- Heute rund 130 Euro.
Schreibe einen Kommentar