Es war nicht das eine Argument, die eine Erkenntnis, die das Konstrukt ins Wanken brachten, es waren viele kleine Aha-Momente. Der Ausstieg dauerte Jahre. Mit 14 habe ich begonnen, an die erste Verschwörungstheorie zu glauben, mit 30 ließ ich die letzte hinter mir.
So beschreibt der Physiker Stefan Hackstein in der Zeit seine Abkehr vom Verschwörungsglauben.
16 Jahre lang fühlte Hackstein sich als „Teil einer Heldengeschichte“ und zog die üblichen Benefits aus seinen Überzeugen (vor allem Selbstaufwertung, Entlastung, Selbstwirksamkeit und Komplexitätsreduktion):

Mit 21 zog er nach Hamburg, um Physik zu studieren:
Ich wollte „die Wahrheit“ aufdecken, im wahrsten Sinne des Wortes „Verschwörungstheoretiker“ werden. Wie man sich vorstellen kann, konnten die Erzählungen einer wissenschaftlichen Überprüfung nicht standhalten.
So versuchte Hackstein etwa, die Wasserkristallbilder des japanischen Pseudoforschers Masaru Emoto zu reproduzieren – aber im Gefrierfach seiner Studentenbude zeigte sich nichts dergleichen:
Das machte mich misstrauisch.

Heute, sagt Hackstein,
… bin ich freier und glücklicher. Ich trage die Verantwortung für mein Leben selbst und treffe auch weit vernünftigere Entscheidungen.
Dass „Verschwörungstheorien im privaten Umfeld“ nach wie vor relevant sind, zeigt ein Beitrag in der Süddeutschen Zeitung:
Das Thema ist aus dem öffentlichen Diskurs verschwunden. Nicht aber aus den Familien.
Und diese Reportage endet deutlich pessimistischer als der Zeit-Artikel über Stefan Hackstein:

Am Schluss steht praktisch die Scheidung im Raum – oder alternativ „ein Jahr auf einem Segelboot. Mit der ganzen Familie, aber ohne Internet“.
Der Fall zeigt, dass auch die beste Beratung und die wohlmeinendsten Tipps („neugierig nachfragen, Widersprüche aufdecken und dabei kritisch, aber respektvoll bleiben“) keine Garantie dafür sind, dass der Partner oder die Partnerin zur Vernunft zurückkehrt – insbesondere wenn der Glaube an Verschwörungserzählungen „eng mit biografischen Episoden des Scheiterns zusammenhängt“, wie der Sozialpsychologe Roland Imhoff erklärt.

Trotzdem kann es gelingen – mitunter, wie bei Hackstein, nach einem „sehr, sehr langen Prozess“.
Zum Weiterlesen:
- Schlitt, Anna-Lena „Ich stürzte immer tiefer in den Verschwörungsglauben hinein“ zeit (20. August 2025)
- Lopinski, Christina „Mein Mann, der Schwurbler“ Süddeutsche (20. August 2025)
- Harder, Bernd „Ein glücklicheres Leben – ohne Verschwörungstheorien“ skeptix (5. Februar 2025)
- Harder, Bernd „Stefan Hackstein und sein Weg aus den Verschwörungstheorien“ skeptix (25. April 2025)
- Puttfarcken, Lena „Verschwörungsmythen – Was tun, wenn Familie und Freunde abdriften?“ swr (18. März 2022)
- bOJA „Handreichung Umgang mit Verschwörungsideologien in der eigenen Familie“
- AAS „8 Tipps zum Umgang mit Verschwörungserzählungen im privaten Umfeld“
- SLpB „Wie umgehen mit Verschwörungstheorien im privaten Umfeld?“
- Buchempfehlung: „Fakt und Vorurteil“
- Buchempfehlung: „True Facts“
- Buchempfehlung: „Einspruch“
Titelfoto: Unsplash/Greta Schölderle Möller
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