„Überrascht, schockiert, beschämt“: Bettina Schuler über ihre Waldorf-Recherchen

(Lesedauer ca. 3 Minuten)

Die Anthroposophie ist die Grundlage aller Fächer – aber keiner weiß, was sie ist.

Sagt die Autorin Bettina Schuler im WDR-Interview über Waldorfschulen.

https://www1.wdr.de/radio/wdr5/sendungen/neugier-genuegt/redezeit-bettina-schuler-100.html

Auch der Stern hat mit der Waldorf-Kritikerin gesprochen.

Ein Auszug:

Stern: Wie kam es zu der Idee, das Buch zu schreiben?

Schuler: Ich bin durch die Coronakrise ins Nachdenken geraten und das erste Mal tiefer in Steiners Gedankenwelt eingestiegen. Unsere ganze Familie hatte sich damals impfen lassen. In meinem Berliner Umfeld hörte ich daraufhin Sätze wie „Du bist geimpft? Aber du warst doch Waldorfschülerin!“

Das hat mich irritiert. Ich fragte mich: Warum denken immer alle Leute, dass ich gegen staatliche Intervention und gegen Impfungen sein muss, nur weil meine Tochter und ich mal auf einer Waldorfschule waren? Das erinnerte mich an die Querdenker-Szene, die damals in Berlin sehr aktiv war.

Deshalb habe ich dann zum ersten Mal in meinem Leben die Werke Rudolf Steiners wirklich gelesen. Für mein Buch habe ich zwei Jahre lang mit zahlreichen Expert:innen, Wissenschaftler:innen und (Ex‑)Waldorfschüler:innen gesprochen, Studien gelesen und im anthroposophischen Umfeld recherchiert.

Die Ergebnisse haben mich überrascht, schockiert und ehrlicherweise auch ein wenig beschämt. Weil ich trotz meiner Biografie so wenig über die Gedankenwelt der Anthroposophie wusste.

Ich bin mir sicher, dass es vielen anderen Menschen ähnlich geht.

https://www.stern.de/gesellschaft/waldorfschulen–wie-gefaehrlich-ist-die-lehre-der-anthroposophie–35913898.html

Die von Rudolf Steiner begründete Anthroposophie ist eine komplexe Gedankenwelt, eine Weltanschauung und eine spirituelle Lehre. Es geht unter anderem um eine übersinnliche Welt und um einen menschlichen Evolutionsprozess, an dessen Ende die Vergeistigung des Universums und der Menschheit steht. Die Anthroposophie ist Basis der Waldorfpädagogik. Was ist daran gefährlich?

Ich möchte da differenzieren: Es geht mir nicht um eine Abrechnung mit Waldorfschulen generell. Mir ist klar, dass die Waldorfschulen auf den ersten Blick sehr attraktiv aussehen. Und es gibt sicherlich auch gute Waldorfschulen.

Mir geht es vor allem um das fragwürdige Menschen- und Weltbild der Anthroposophie. Die ist bis heute die Basis der Waldorfpädagogik. Ich halte diese im Grunde für antidemokratisch, sie transportiert ein problematisches Frauenbild, und aus ihr heraus kann sich eine Nähe zum rechten Rand entwickeln.

Ich glaube, dass nur den allerwenigsten Menschen bewusst ist, welch krude Gedankenwelt sie quasi automatisch mitkaufen, wenn sie ihr Kind auf eine Waldorfschule schicken. Expert:innen und Wissenschaftler:innen, die ich für mein Buch interviewt habe, haben mich in meiner Auffassung bestätigt.

Der Waldorf-Komplex: Zwischen Mystik und Pädagogik – Die Schattenseiten des anthroposophischen Bildungssystems | Was wirklich auf den Lehrplänen der Waldorfschulen steht“ ist am 1. Oktober erschienen.

Am 28. November stellt Schuler in Berlin das Buch offiziell vor.

Zum Weiterlesen:

Titelfoto: Wikipedia/Wladyslaw Sojka/sojka.photo

Kommentare

6 Antworten zu „„Überrascht, schockiert, beschämt“: Bettina Schuler über ihre Waldorf-Recherchen“

  1. Pierre Castell

    „Und es gibt sicherlich auch gute Waldorfschulen!“

    Hm, kann man das wirklich so sagen?

    Vielleicht werde ich diese Aussage von Bettina Schuler nach dem Lesen ihres Buches besser verstehen!

  2. Peter Stein

    @ Pierre Castell

    hab das Buch gelesen, von Bettina Schuler, die ganz viele schöne Erinnerungen an ihre Waldorfschulzeit hat …

    und auch sonst so ziemlich jedes Waldorfklischee herunterbetet, vor allem wie „kreativ“ die Waldorfschule ist, erfährt man gefühlt 100 Mal, bevor sie – endlich! – auf Seite 57 [sic!] schreibt – sie ist mittlerweile auf einer öffentlichen Schule:

    „Meine Hoffnung, dass ich zumindest im Kunstunterricht den anderen überlegen wäre, wurde in der ersten Stunde brutal zerstört. Denn das Einzige, was ich konnte, war ein Bild à la Waldorf zu malen.“

    Später gibt es dann ein eigenes Kapitel zu diesem Thema, Seite 91: „Und alle malen das gleiche Bild“.

    Die Aquarelle der unteren Klassen kennt wirklich jeder, der mal irgendwann in der Waldorfschule war, alle sehen gleich aus, keine Frage, und auch Mutti, die immer alles, was ihr Kind macht, professionell „toll“ findet, hat hier keine Chance mehr, die Verwechselungsgefahr geht gegen 100 Prozent.

    In der Waldorfschule ist nichts, aber rein gar nichts „kreativ“, das ist wirklich ein bemerkenswerter Marketing-Coup der Waldorfschulen, sich so zu verkaufen.

    Lesen Sie mal das Buch, und schreiben Sie hier vielleicht eine (kleine?) Rezension – würde mich interessieren, wie Sie das Buch lesen, Sie hatten doch nicht als Betroffener mit der Waldorfschule zu tun, vermute ich? Ich schon.

  3. Pierre Castell

    @ Peter Stein

    Danke für Ihre Schilderungen!
    Ihre Vermutung ist richtig: Ich hatte NICHT als Betroffener mit einer Waldorfschule zu tun.

    Was eine „kleine Rezension“ angeht, bitte ich Sie um ein wenig Geduld. Bis zum Jahresende stehen noch einige andere Bücher auf meinem Plan, die auch schon Monate darauf warten, von mir gelesen zu werden.

    Sollte ich mich bis Mitte Januar noch nicht zum Buch von Bettina Schuler geäußert haben, dann erinnern Sie mich gern daran.

  4. Pierre Castell

    Bettina Schuler ist heute Morgen live im „Sat1-Frühstücksfernsehen“ zu Gast! Vermutlich werden im Verlauf des Tages ihre zwei Auftritte oder besser ausgedrückt, „Gesprächsrunden“ in der Sat1-Mediathek zu finden sein.

  5. Pierre Castell

    Hier ist schon mal die erste Gesprächsrunde mit Bettina Schuler (die zweite deutlich längere Runde habe ich leider noch nicht gefunden):

    https://www.joyn.de/play/clip/kritik-an-waldorfschulen

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