Tatsächlich haben wir uns hin und wieder gefragt, warum Prominente gegen haltlose Anschuldigungen, sie seien satanistisch-rituelle Missbrauchstäter:innen, nicht juristisch vorgehen – wie sie etwa bei kla.tv erhoben werden:

Andererseits ist dieser Nonsens so absurd, dass „Never complain, never explain“ wohl die beste Reaktion darauf ist.
Aber was ist hiermit (man beachte die narrativen Ähnlichkeiten):


Die Rede ist von Franz Kardinal Hengsbach, Joseph Kardinal Höffner, Joachim Kardinal Meisner, Johannes Kardinal Degenhardt, Bischof Reinhard Lettmann, Bischof Heinrich Maria Janssen, Bischof Josef Homeyer, Bischof Heinrich Tenhumberg, Weihbischof Friedrich Ostermann, Weihbischof Alfons Demming, Weihbischof Franz Grave und Weihbischof Heinrich Janssen – allesamt hohe ehemalige Würdenträger der Bistümer Münster, Essen, Hildesheim sowie der Erzbistümer Köln und Paderborn.
Sie sollen organisierten Täternetzwerken angehört haben, die „schwerste Gewalttaten mit rituellen Bezügen“ begangen hätten. Das jedenfalls behaupteten in den vergangenen drei Jahren ein Dutzend Personen. Das Bistum Münster beauftragte daraufhin im April 2024 die Kanzlei Feigen · Graf mit einer Untersuchung. Im Juli 2024 und Januar 2025 schlossen sich das Bistum Essen und das Erzbistum Köln der Überprüfung an. Dabei wurden Unterlagen ausgewertet, Gespräche mit den Betroffenen geführt und aussagepsychologische Gutachten (Prof. Silvia Gubi-Kelm, Dr. Petra Wolf) erstellt.
Das Ergebnis wurde heute in Münster vorstellt:
Im Blick auf die untersuchten Fälle spricht nichts dafür, dass die Beschuldigten die ihnen vorgeworfenen Taten Ritueller Gewalt begangen haben könnten.
Die Untersuchung hat keinen einzigen belastbaren Hinweis auf die beschriebenen Vorwürfe Ritueller Gewalt und die beschriebenen organisierten Täternetzwerke erbracht. Allen Betroffenenaussagen ist das vollständige Fehlen konkreter objektiver Nachweise gemeinsam.
Als plausible Alternativerklärung für die erhobenen Vorwürfe benennt die Untersuchung mögliche suggestive Einflüsse von außen, insbesondere im Therapiekontext.
Nun sind Bischöfe keineswegs sakrosankt, wie zum Beispiel die Causa Mixa zeigte.
Das 166-seitige Gutachten der Rechtsanwälte Dr. Matthias Sartorius und Dr. Niklas Kindhäuser bündelt allerdings wie unter einem Brennglas die Problematik der Rituelle Gewalt-Mind Control-Verschwörungstheorie (RG-MC), auf die wir seit langem hinweisen. Und zwar so überzeugend, dass das Bistum Münster in einer Stellungnahme erklärt:
Wir hätten diejenigen, die in unserem Auftrag in der Vergangenheit die Rituelle-Gewalt-Theorie öffentlichkeitswirksam verbreitet und die Vernetzung der Vertreter der Theorie gefördert haben, früher stoppen müssen.
Insbesondere im Therapiekontext muss aus unserer Sicht künftig alles dafür getan werden, dass die Rituelle-Gewalt-Theorie nicht Grundlage von Therapieansätzen ist.
Zur Erinnerung:
Die Region galt viele Jahre lang als Hochburg dieser verschwörungsgläubigen Szene. Die ehemalige Leiterin der Fachstelle Sekten- und Weltanschauungsfragen im Bistum Münster spielte zudem eine führende Rolle in einem ominösen „Arbeitskreis Rituelle Gewalt“ der Bistümer Essen, Osnabrück und Münster. Erst 2023 schloss das Bistum Münster eine einschlägig bekannte „Beratungsstelle Organisierte sexuelle und rituelle Gewalt“, nachdem Der Spiegel schwere Vorwürfe gegen eine Therapeutin erhoben hatte:
Auch die Arbeit der Beratungsstelle habe ihren Anteil daran, dass die Betroffenen sich immer tiefer in die Suche nach Erinnerungen verstrickt haben,
Der Untersuchungsbericht der Kanzlei Feigen · Graf kritisiert zu Beginn völlig zu Recht den Definitionswirrwarr um den Begriff „Rituelle Gewalt“ (Seite 14)

… und unterstreicht, dass es für RG-MC keinerlei Beweise gibt (Seite 17):

Auch die Doku „Blinder Fleck“ von Liz Wieskerstrauch trägt zu einer Klärung der Problematik nichts bei (Seite 35):

Interessant ist auch der Eindruck, den Sartorius/Kindhäuser von diversen Stars der „Satanic Panic“-Szene gewonnen haben (Seite 76):

Stimmt auffallend – wie uns auch die Staatsanwalt Gießen nach einer Anzeige gegen eine Youtuberin („Ich wurde gezwungen zu töten!“) mitteilte:

Dafür stellten die Gutachter von Feigen · Graf in allen Fällen fest (Seite 76):

Konkret (Seite 92):


Und selbstverständlich hat man versucht, die Zeugenaussagen zu validieren, aber (Seite 94):

Wichtige Anmerkung: Es geht mitnichten darum, sich über die Betroffenen lustig zu machen oder sie der Lüge zu bezichtigen – sondern ihre Angaben kritisch zu überprüfen:
Diese Menschen glauben das, was sie berichten. Wir haben keine Veranlassung, ihnen unlautere Absichten zu unterstellen. Wir stellen uns unserer Verantwortung für diese Menschen und möchten versuchen, ihnen über professionelle Therapie-Angebote wirklich zu helfen,
heißt es in der Stellungnahme des Bistums.
Und das ist der entscheidende Punkt des Gutachtens (Seite 165):

Denn das werden die Hahns, Hubers, Wieskerstrauchs und Co. nie begreifen:

Die in diesen Therapien vertretene Rituelle-Gewalt-Theorie ist für die Kanzlei Feigen · Graf „eine nur scheinbare Erklärung, die den Betroffenen einen Ausweg aus Trauma und Hilflosigkeit vorspiegelt und ihre Lage aus unserer Sicht erheblich verschlimmert hat“.
Tragisch.
Zum Weiterlesen:
- „Rituelle Gewalt bei der Kirche? Diese Beschuldigungen werden erhoben“ Westfälische Nachrichten (9. Oktober 2025)
- „Untersuchung: Keine Täternetzwerke mit Bischöfen in NRW-Bistümern“ katholisch.de (9. Oktober 2025)
- „Untersuchung: Keine Belege für rituelle Gewalt in Bistümern“ zeit (9. Oktober 2025)
- Hamers, Dominik „Rituelle Gewalt in der Kirche? Untersuchungsbericht veröffentlicht“ wdr (9. Oktober 2025)
- Harder, Bernd „Wenn der Glaube an rituelle Gewalt zum Lebensinhalt wird“ skeptix (14. Juli 2025)
- Fobbe, Sebastian „Das Bistum und der Satanismus“ rums (17. Oktober 2023)
- Lakotta, Beate/Piltz,Christopher „Vermeintliche Opfer ritueller Gewalt: Im Wahn der Therapeuten“ spiegel (12. März 2023)
- „Bistum Münster schließt Beratungsstelle Organisierte sexuelle und rituelle Gewalt“ spiegel (14. März 2023)
- „Definitionen Rituelle Gewalt“ Infoportal Satanic Panic (15. August 2025)
- Harder, Bernd „Rituelle Gewalt-Mind Control: Die vielen blinden Flecke des Dokumentarfilms Blinder Fleck“ skeptix (13. Juni 2025)
Titelfoto: Unsplash/Presley Carlton
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