Spritzen-Attacken: Urban Legend oder reale Bedrohung?

(Lesedauer ca. 6 Minuten)

Nach dem „Puma“ jetzt die Spritzenattacken? Jagt gerade eine Urban Legend die nächste?

Schwierig.

Obwohl gestern Abend zwei neue Fälle aus Frankreich gemeldet wurden (diesmal beim Catalpa-Festival in Auxerre), scheint das Phänomen einen ähnlichen Verlauf zu nehmen wie vor drei Jahren, als „hunderte Nadel-Attacken in ganz Europa“ für Schlagzeilen sorgten.

Von den 145 „Needle Spiking“-Verdachtsfällen beim frankreichweiten Festival „Fête de la Musique“ am vergangenen Wochenende ist jedenfalls wenig übriggeblieben, melden übereinstimmend große Medien wie der Fernsehsender TF1 oder die Tageszeitung Le Monde.

Keiner der angezeigten Fälle konnte bislang bestätigt werden. Festgenommene Verdächtige seien aufgrund mangelnder Beweise freigelassen worden […] Unserer ersten Analyse zufolge handelt es sich um eine irrationale Massenpanik, die sich in den sozialen Netzwerken entwickelt hat. Mehr nicht,

fasst Spiegel-Online die Berichte zusammen:

Einige Personen, die sich als Opfer bezeichneten, hätten keine Spuren von Stichen aufgewiesen, erklärte Polizeisprecherin Agathe Foucault dem Bericht zufolge am Dienstag gegenüber dem Radiosender France Culture.

Gemeldete Symptome wie Hitzewallungen oder Ohnmacht könnten demnach auch auf übermäßigen Alkohol- oder Drogenkonsum zurückzuführen sein.

Auch in Deutschland nahmen die Medien allmählich eine kritische Haltung zu den Vorkommnissen an, als 2022 Spritzen-Attacken etwa im Berliner „Berghain“ publik wurden:

https://www.youtube.com/watch?v=DiBld3Xwvz0

Ich kann mir vorstellen, dass es ein Phänomen ist, was theoretisch vorstellbar ist, aber nicht wirklich in Serie durchgeführt wird,

sagte der Rechtsmediziner Benjamin Ondruschka bei STRG_F.

Die Moderatorin Patrizia Schlosser ergänzte:

Ich kann’s bis jetzt von der Recherche her null verifizieren, dass es überhaupt das wirklich so gibt.

https://www.youtube.com/watch?v=DiBld3Xwvz0

Dieser Film soll kein Opfer-Blaming sein. Wir wollen nicht behaupten, dass es Needle Spiking nicht gibt. Unser Anliegen ist vielmehr, dass wir die Faktenlage analysieren wollen. Und die ist, so unser Befund, halt sehr dünn.

Vielleicht beruhigt euch das ja und nimmt euch die Sorge, die Nächsten zu sein, die einer Spritzenattacke zum Opfer fallen. Nach unserem Befund ist das eher unwahrscheinlich.

Und trotzdem, wenn ihr glaubt, dass euch etwas passiert ist, und ihr die Vermutung habt, dass es sich um Needle Spiking handelt, dann geht zur Polizei und erstattet Anzeige gegen Unbekannt.

Ähnlich äußerte sich die Drogenexpertin Andrea Piest:

Man sollte sich generell mit Spiking auseinandersetzen. Das beinhaltet ja auch das Beifügen von Substanzen in Getränken.

Auch im privaten Umfeld gibt es Fälle, dass jemand unwissentlich Substanzen verabreicht bekommt. Ich denke da an das Glas Bowle, von der nicht bekannt war, dass sie MDMA enthielt. Ziel muss ein achtsamer Umgang miteinander sein.

Eine Mitarbeiterin hinter der Theke hat mich vor Kurzem darauf aufmerksam gemacht, dass ich beim Tanzen mein Getränk zu weit weg von mir abgestellt hatte. Das fand ich toll.

Piest rät,

… bei Anzeichen von plötzlichem Unwohlsein sofort das Clubpersonal zu informieren oder einen begleitenden Freund oder Freundin um Hilfe zu bitten, gegebenenfalls auch Rettungswagen oder Rettungsstelle, und auf keinen Fall die Sache zu verschweigen.

Einen vielleicht entscheidenden Unterschied zu 2022 gibt es aktuell jedoch:

Vor drei Jahren ging man davon aus, dass die „Spritzen-Attacken“ den Zweck hätten, dem Opfer „Drogen oder K.-o.-Tropfen“ zu verabreichen.

https://kurzlinks.de/pzjz

Diesmal soll es – laut TF1 – in den sozialen Netzwerken Aufrufe gegeben haben, Frauen während der „Fête de la Musique“ anzugreifen und zu stechen. Sollte das stimmen, wären das Needle Spiking wohl eher als eine neue Art von sexualisierter Gewalt gegen Frauen zu betrachten, mit dem Ziel, Angst und Verunsicherung zu verbreiten, wie die Deutsche Welle kommentiert.

Dann wäre es praktisch zweitrangig, ob Einstiche, Substanzen etc. nachgewiesen werden können oder nicht, da allein „die psychologischen Folgen für die Opfer nicht zu unterschätzen“ sind, schreibt das Walliser Zentralinstitut der Spitäler in einer aktuellen Info.

Mal schauen, wie es weitergeht.

Zum Weiterlesen:

Titelfoto: Unsplash/Rapha Wilde

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