Nachdem der Podcast Phänomenal Paranormal das Thema „Amityville Horror“ spektakulär in den Sand setzte (unter tatkräftiger Mithilfe von Dr. Dr. von Lucadou), versucht sich jetzt Mord auf Ex am „Horrorhaus von Amityville“:

Nach eher gemächlichen 60 Minuten, in denen die Vorgeschichte von Ronald DeFeo und der Familie Lutz erzählt wird, geht es ab 1:06:00 an die Auflösung des Falls: „alles erfunden“.
Die Originalzitate von DeFeo
Amityville was a hoax that Weber and the Lutzes started. Yes, to make money. It started as my trial was in progress.
und seinem Anwalt William Weber
I know this book’s a hoax. We created this horror story over many bottles of wine.
finden sich hier.
Um den „Amityville Horror“ ging es auch beim WTF-Talk im vergangenen Jahr.

Hier zeigt sich, wie eng Gier, Sensationslust und die menschliche Faszination für das Unheimliche verwoben sind.
Und der Vollständigkeit halber noch die Zusammenfassung des „Amityville Horror“, wie sie 2005 in meinem „Lexikon der Großstadtmythen“ erschienen ist:
In dem Haus 112 Ocean Avenue in Amityville ist der Teufel los. Aus den Toiletten quellen stinkende Flüssigkeiten, grüner Schleim rinnt von den Wänden, überall erklingen unheimliche Geräusche, rot glühende Augen schweben körperlos in der Dunkelheit, eine solide Tür fliegt wie unter einem mächtigen Druck aus den Angeln.
So jedenfalls schildert der Hollywoodfilm „Amityville Horror“ jene Ereignisse, die im Dezember 1975 George Lutz und dessen Familie widerfahren sein sollen.
Das schmucke Gebäude auf Long Island (New York) war zum Schnäppchenpreis von 80.000 Dollar in den Besitz des Landvermessers übergegangen. Denn wenige Monate zuvor hatte darin ein 23-jähriger Amoktäter namens Ronald DeFeo seine Eltern und vier Geschwister erschossen.

Doch das vermeintliche Traumhaus entpuppt sich schnell als Alptraum. Nach dem Einzug der Familie Lutz häufen sich unerklärliche und Schrecken erregende Vorfälle, die darauf hinzudeuten scheinen, dass das Böse höchst selbst am Werk ist. Durch den Bestseller „The Amityville Horror – A true Story“ von Jay Anson und die Verfilmung erfährt die ganze Welt von dem mysteriösen Spuk.
So auch Dr. Joe Nickell († 2025).
Der ehemalige Privatdetektiv und spätere „Researcher“ der amerikanischen Skeptiker-Organisation CSICOP begibt sich zum Ort des Geschehens und überprüft akribisch die Details des Grusicals.

Schnell wird Nickell stutzig.
Die angeblich von bösen Geistern malträtierte Tür weist noch die Original-Lackierung und keinerlei Spuren einer Reparatur auf. Erkundigungen bei der lokalen Polizeidienststelle ergeben, dass keiner der Beamten je von Familie Lutz zu Hilfe gerufen worden ist – wie im Buch behauptet wird.
Weder die Nachbarn noch die übrigen Anwohner der Ocean Avenue oder die Vor- und Nachmieter der Lutzes haben je etwas von dämonischen Manifestationen mitbekommen. Der Ortspfarrer Rev. Ralph J. Pecoraro, der bei einem Besuch der Spuk-geplagten Familie angeblich unerklärliche Wunden und Brandblasen an den Händen davontrug, hat nach eigener Aussage des Haus nie betreten.
Auch mysteriöse, klauenartige Fußabdrücke im verschneiten Garten kann es nie gegeben haben. Wie Nickell recherchierte, herrschten an dem in Rede stehenden Tag milde Witterungsverhältnisse ohne Schneefall auf Long Island vor.
Der „Amityville Horror“ entpuppt sich schließlich als Amityville-Hoax. Der Anwalt des Mörders Ronald DeFeo, William Weber, hatte sich mit George und Kathy Lutz die medienwirksame Schauergeschichte ausgedacht.
Weber:
Ich weiß nicht mehr genau, wie viele Flaschen Wein wir an jenem Abend intus hatten, aber es waren sicher mehr als vier. Und irgendwann fingen wir gemeinsam an, Ideen zu spinnen.

Das Motiv des Anwalts:
Weber versuchte zu dieser Zeit, ein Wiederaufnahmeverfahren für seinen verurteilten Klienten „Ronnie“ DeFeo anzustrengen. Und „Geisterstimmen“ im Haus oder eine Art dämonische Besessenheit des 23-jährigen Täters schienen ihm dafür hinreichend gute Argumente zu sein.
George und Kathy Lutz wiederum hatten Schulden und brauchten Geld. Am Ende machten sie lediglich etwa 300.000 Dollar mit ihrem Schwindel. Das ganz große Geschäft teilten diverse Buchautoren und Filmproduzenten unter sich auf.
Bis heute übrigens. Mittlerweile existieren zahllose Pre- und Sequels des Films von 1979, in denen alte Standuhren, Spiegel und sonstige Relikte des berüchtigten Amityville-Hauses die Hauptrolle spielen.
Ob dieser dreisten Geldmacherei wenden sich sogar die Autoren eines „Lexikons des Horrorfilms“ mit Grausen: „Es bleibt nur zu hoffen, dass in Zukunft nicht noch weitere dubiose Einrichtungsgegenstände für weitere – lediglich auf die schnelle Mark mit einem bekannten Titel bedachten – Fortsetzungen herhalten müssen.“
Quellen:
- Bartsch, Leonie/Schütze „Das Horrorhaus von Amityville“ Mord auf Ex (24. März 2025)
- Harder, Bernd „Spektrophilie: Ghostsex zwischen Terror und Vergnügen“ skeptix (24. März 2025)
- Harder, Bernd „In memoriam: Joe Nickell, ein Paranormal Investigator in a very real, very natural world“ skeptix (9. März 2025)
- Harder, Bernd „Neues Format: Geisterstunde mit Psychologe und Ghosthunter“ skeptix (18. Januar 2025)
- Morris-Grant, Brianna „The DeFeo family were murdered inside their Amityville home in 1974. What happened to them formed a ‚cottage industry‘ horror franchise“ ABC News (16. November 2024)
- Genis, Daniel „Vier Jahre in der Warteschlange mit dem Schrecken von Amityville“ vice (1. Dezember 2014)
- Nickell, Joe „Amityville: The Horror of It All“ skeptical-inquirer (January/February 2003)
- Christopher, Kevin „The ABC-ville Horror“ skeptical-inquirer (January/February 2003)
- Biddle, Kenny „The Amityville Horror Photographs“ skeptical-inquirer (5. Januar 2022)
- „Was Amityville Horror Based on a True Story?“ snopes (15. April 2005)
- „The Hoax That Haunts Amityville“ The Amityville Murders
- Dr. Karl „Amityville authors haunt a hoax“ ABC Science (15. März 2011)
- Schemo, Diana „Amityville Prisoner Says Movie Money Tainted Defense“ New York Times (25. Juni 1992)
- Radford, Benjamin „The Truth Behind the Amityville Horror“ Live Science (8. April 2005)
- Lapin, Tamar „The real story behind the infamous Amityville Horror house“ New York Post (16. März 2021)
- „Die schaurige Geschichte des weltberühmten Amityville-Horrorhaus“ Travelbook (25. November 2021)
- Nowotny, Ralf „Bis heute umstritten – Der Amityville Horror“ mimikama (15. Mai 2015)
- Blistein, Jon „Ronald DeFeo, Killer Who Inspired ‘The Amityville Horror,’ Dead at 69“ Rolling Stone (16. März 2021)
- „Amityville Hoax“ Psi Encyclopedia
Titelfoto: Wikipedia/Seulatr
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