Kein Horrorhaus auf Long Island: „Amityville was a hoax. Yes, to make money.“

(Lesedauer ca. 6 Minuten)

Nachdem der Podcast Phänomenal Paranormal das Thema „Amityville Horror“ spektakulär in den Sand setzte (unter tatkräftiger Mithilfe von Dr. Dr. von Lucadou), versucht sich jetzt Mord auf Ex am „Horrorhaus von Amityville“:

https://mordaufex.podigee.io/267-horrorhaus-amityville

Nach eher gemächlichen 60 Minuten, in denen die Vorgeschichte von Ronald DeFeo und der Familie Lutz erzählt wird, geht es ab 1:06:00 an die Auflösung des Falls: „alles erfunden“.

Die Originalzitate von DeFeo

Amityville was a hoax that Weber and the Lutzes started. Yes, to make money. It started as my trial was in progress.

und seinem Anwalt William Weber

I know this book’s a hoax. We created this horror story over many bottles of wine.

finden sich hier.

Um den „Amityville Horror“ ging es auch beim WTF-Talk im vergangenen Jahr.

https://www.youtube.com/watch?v=N60mMGsRSTg

Hier zeigt sich, wie eng Gier, Sensationslust und die menschliche Faszination für das Unheimliche verwoben sind.

Und der Vollständigkeit halber noch die Zusammenfassung des „Amityville Horror“, wie sie 2005 in meinem „Lexikon der Großstadtmythen“ erschienen ist:


In dem Haus 112 Ocean Avenue in Amityville ist der Teufel los. Aus den Toiletten quellen stinkende Flüssigkeiten, grüner Schleim rinnt von den Wänden, überall erklingen unheimliche Geräusche, rot glühende Augen schweben körperlos in der Dunkelheit, eine solide Tür fliegt wie unter einem mächtigen Druck aus den Angeln.

So jedenfalls schildert der Hollywoodfilm „Amityville Horror“ jene Ereignisse, die im Dezember 1975 George Lutz und dessen Familie widerfahren sein sollen.

Das schmucke Gebäude auf Long Island (New York) war zum Schnäppchenpreis von 80.000 Dollar in den Besitz des Landvermessers übergegangen. Denn wenige Monate zuvor hatte darin ein 23-jähriger Amoktäter namens Ronald DeFeo seine Eltern und vier Geschwister erschossen.

https://en.wikipedia.org/wiki/The_Amityville_Horror

Doch das vermeintliche Traumhaus entpuppt sich schnell als Alptraum. Nach dem Einzug der Familie Lutz häufen sich unerklärliche und Schrecken erregende Vorfälle, die darauf hinzudeuten scheinen, dass das Böse höchst selbst am Werk ist. Durch den Bestseller „The Amityville Horror – A true Story“ von Jay Anson und die Verfilmung erfährt die ganze Welt von dem mysteriösen Spuk.

So auch Dr. Joe Nickell († 2025).

Der ehemalige Privatdetektiv und spätere „Researcher“ der amerikanischen Skeptiker-Organisation CSICOP begibt sich zum Ort des Geschehens und überprüft akribisch die Details des Grusicals.

https://www.youtube.com/watch?v=fPyuTJSFv-k

Schnell wird Nickell stutzig.

Die angeblich von bösen Geistern malträtierte Tür weist noch die Original-Lackierung und keinerlei Spuren einer Reparatur auf. Erkundigungen bei der lokalen Polizeidienststelle ergeben, dass keiner der Beamten je von Familie Lutz zu Hilfe gerufen worden ist – wie im Buch behauptet wird.

Weder die Nachbarn noch die übrigen Anwohner der Ocean Avenue oder die Vor- und Nachmieter der Lutzes haben je etwas von dämonischen Manifestationen mitbekommen. Der Ortspfarrer Rev. Ralph J. Pecoraro, der bei einem Besuch der Spuk-geplagten Familie angeblich unerklärliche Wunden und Brandblasen an den Händen davontrug, hat nach eigener Aussage des Haus nie betreten.

Auch mysteriöse, klauenartige Fußabdrücke im verschneiten Garten kann es nie gegeben haben. Wie Nickell recherchierte, herrschten an dem in Rede stehenden Tag milde Witterungsverhältnisse ohne Schneefall auf Long Island vor.

Der „Amityville Horror“ entpuppt sich schließlich als Amityville-Hoax. Der Anwalt des Mörders Ronald DeFeo, William Weber, hatte sich mit George und Kathy Lutz die medienwirksame Schauergeschichte ausgedacht.

Weber:

Ich weiß nicht mehr genau, wie viele Flaschen Wein wir an jenem Abend intus hatten, aber es waren sicher mehr als vier. Und irgendwann fingen wir gemeinsam an, Ideen zu spinnen.

https://www.youtube.com/watch?v=6CC5IjKBtFY

Das Motiv des Anwalts:

Weber versuchte zu dieser Zeit, ein Wiederaufnahmeverfahren für seinen verurteilten Klienten „Ronnie“ DeFeo anzustrengen. Und „Geisterstimmen“ im Haus oder eine Art dämonische Besessenheit des 23-jährigen Täters schienen ihm dafür hinreichend gute Argumente zu sein.

George und Kathy Lutz wiederum hatten Schulden und brauchten Geld. Am Ende machten sie lediglich etwa 300.000 Dollar mit ihrem Schwindel. Das ganz große Geschäft teilten diverse Buchautoren und Filmproduzenten unter sich auf.

Bis heute übrigens. Mittlerweile existieren zahllose Pre- und Sequels des Films von 1979, in denen alte Standuhren, Spiegel und sonstige Relikte des berüchtigten Amityville-Hauses die Hauptrolle spielen.

Ob dieser dreisten Geldmacherei wenden sich sogar die Autoren eines „Lexikons des Horrorfilms“ mit Grausen: „Es bleibt nur zu hoffen, dass in Zukunft nicht noch weitere dubiose Einrichtungsgegenstände für weitere – lediglich auf die schnelle Mark mit einem bekannten Titel bedachten – Fortsetzungen herhalten müssen.“

Quellen:

Titelfoto: Wikipedia/Seulatr

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