Von Jan Oude-Aost
Es beginnt wie so oft bei den Globulistinnen und Globulisten: ein ernsthafter, komplexer Fall, der nach Professionalität und einem evidenzbasierten Ansatz ruft, stattdessen jedoch mit Hokuspokus in Form einer kleinen Flasche Lac felinum und behandelt wird. Die Geschichte von Janina ist tragisch. Sie wird in einer Zeitschrift für Homöopathie, die im Narayana-Verlag erscheint, geschildert. Ein junger Mensch, der unter den schwierigen Umständen der eigenen Familie, Mobbing und einer Essstörung leidet. Vorstellungsanlass sind Selbstverletzungen und Suizidgedanken. Es ist die Art von Situation, in der jeder vernünftige Mensch auf fachkundige psychotherapeutische Unterstützung und möglicherweise auch auf psychopharmakologische Hilfe setzen würde. Oder man versucht es mit „Katzenmilch“. Beziehungsweise mit Haushaltszucker, der mit „Katzenmilch“ in einer nicht mehr verwendeten Sprache beschriftet ist.
Diese „Therapie“ wird selbstverständlich als Erfolg verkauft. Janina erhält Lac felinum, denn, wie die „Analyse“ so eloquent darlegt: In der Anamnese gefallene Begriffe, in der Homöopathie sind das die individuellen Symptome, wie „Prinzessin“, „Arroganz“ und „erhobener Kopf“ deuten auf die Katze hin. Lac felinum, das klingt doch schön. Sanft, ganzheitlich. Ein Plan, wie man mit Suizidgedanken umgeht und was man macht, wenn sie mehr Macht über das eigene Denken und Handeln erlangen, könnte zwar das Leben retten, ist aber in der Umsetzung so unglaublich prosaisch. Langweilig. Gewöhnlich. Aber „Lac felinum“, das ist Grandiosität, die man veröffentlichen kann. Die Kolleg:innen werden staunen.
Unter „Analyse“ versteht man in der Homöopathie übrigens folgendes:
Ausdrücke wie „Einzelkampf“, „unterlegen“, „rumtrampeln“, „Angriffe“, „Rachetyp“ etc. weisen bereits schnell auf das Tierreich hin. Das Bedürfnis, zu einer Gruppe dazuzugehören (in einer intakten Familie zu leben und von Schulkamerad:innen akzeptiert zu werden) führt zu den Säugetieren. „Prinzessin“, „Arroganz“, „erhobener Kopf“, „Erhabenheit“, „eigenwillig“, „anspruchsvoll“, „Unabhängigkeit“ sind Hinweise für Lac felinum. Janina lebt in dem Spannungsfeld: Verlangen nach Zugehörigkeit einerseits und Bedürfnis nach Unabhängigkeit, „Eigenheit“ und „sie selbst sein können“ auf der anderen Seite.
Verschreibung: Lac felinum M/XM
Muss noch erwähnt werden, dass die Essstörung ebenfalls nicht angemessen thematisiert wird? Witzchen über die Behandlung der Essstörung mit Zucker sind unter unserer Würde, daher sparen wir sie uns hier.
Eine Homöopathin wäre keine Homöopathin, wenn sie nicht auch eine evidenzbasierte Intervention grotesk falsch einordnen würde. Darum wundert es nicht, als eine Tetanusimpfung beschuldigt wird, den Fortschritt von zwei Jahren homöopathischer „Therapie“ zunichtegemacht zu haben. Natürlich! Es war die Impfung, nicht die Tatsache, dass der junge Mensch Symptome einer psychischen Störung zeigt, die professionelle und kontinuierliche Unterstützung erfordern. Man sieht direkt vor sich, wie die Homöopathin kopfschüttelnd über ihrem Zauberbuch sitzt und die Familie bittet, Impfungen in Zukunft immer mit ihr abzusprechen, denn alles andere sei unverantwortlich.
Natürlich sind es keine echten Probleme, die dem jungen Menschen zusetzen. Es ist die geistartige Kraft der Katze, an der es ihr mangelt. Es ist diese armselige Art in der Homöopathie vorzugeben, persönliche Stärken oder Eigenschaften aufzugreifen, während sie in Wahrheit nur der Unwissenheit und Hilflosigkeit Nahrung gibt. Statt ihr echte Werkzeuge an die Hand zu geben, um mit ihrer Situation umzugehen, wird dem jungen Mädchen eine Fantasie verkauft, die sie stärker mit ihrer Vorstellung von der Katze verbindet als mit den Realitäten ihrer Probleme.
„Unter der Arznei ging es ihr langsam, doch stetig auf allen Ebenen besser.“ So beginnt der letzte Absatz. Man könnte auch sagen: „Glück gehabt!“ Essstörungen haben eine der höchsten Sterblichkeiten unter psychischen Störungen. Es bleibt zu hoffen, dass die Familie sich nebenher noch professionelle Hilfe sucht. Wenn nicht, ist die Katze wenigstens „elegant, eigenwillig und sauber.“ Wenn das nicht die Grundvoraussetzungen für eine erfolgreiche „Therapie“ sind.