Von Fabian Deister
Heute vor 216 Jahren, am 12. Februar 1809, wurde Charles Darwin geboren. Er ist bis heute bekannt als Begründer der Evolutionsbiologie, die seit ihrem Entstehen zu mehreren ‚Revolutionen‘ in der biologischen Forschung geführt hat.
Zu Darwins Lebzeiten ahnte noch niemand, dass unser Erbgut codiert als DNA weitergegeben wird, oder dass die Entstehung der Arten durch Mutationen in eben dieser DNA vorangetrieben wird. Bei einem Blick auf die zeitgenössische Evolutionsforschung, die mit Supercomputern und Nanopore-Sequenzierung arbeitet, ist es vielleicht nicht sofort verständlich, dass alles vor über 200 Jahren mit einer Expedition eines jungen Naturforschers begann, der kurz zuvor noch ein Theologiestudium begonnen hatte.
Darwins berühmtestes und wichtigstes Werk “On the Origin of Species by Means of Natural Selection” wurde erstmals 1859 veröffentlicht und somit 99 Jahre nach “Systema Naturae”, in dem Carl von Linné die Vielfalt der Organismen auf der Erde erstmals grundlegend systematisch ordnete (Anmerkung: Die Erstausgabe der Systema Naturae erschien bereits früher; es wird jedoch in der Biologie immer auf die 10. Ausgabe von 1758 verwiesen)
Zu Darwins Lebzeiten beschäftigte man sich also bereits seit fast einem Jahrhundert intensiv mit der Vielfalt der Organismen. Deren Zustandekommen war zu Darwins Zeit durchaus ein kontroverses Thema mit zwei verschiedenen, unterschiedlich populären Richtungen.
Während die konservativere und vorherrschende Fraktion ein ewiges Prinzip von unveränderlichen Tier- und Pflanzenarten vertrat, wurde bereits vor der Veröffentlichung von “The Origin of Species” von einigen Forschenden die Hypothese geäußert, dass sich Arten durch Modifikationen verändern könnten. Das beschreibt Darwin selbst im Vorwort seines bekanntesten Buches und erwähnt dabei auch durchaus lobend Jean-Baptiste Lamarck, der bereits Jahrzehnte vorher (unter anderem in Darwins Geburtsjahr) eine Theorie zu diesem Thema veröffentlicht hatte.
Lamarcks Erklärungsversuch wird heute etwas unreflektiert und zu Unrecht im Biologie-Unterricht als Gegenentwurf zu Darwin behandelt. Neben anderen, wie etwa Alfred Russel Wallace, verfolgte Darwin die Idee, nach der sich Individuen einer Art geringfügig voneinander unterscheiden würden, und manche durch die unterschiedliche Anpassung an die Umwelt eine höhere Überlebenswahrscheinlichkeit hätten. Dieser Gedanke ist heute landläufig unter dem Begriff “survival of the fittest” bekannt.
Darwin und Lamarck waren grundsätzlich beide der Aufassung, dass Arten veränderlich sind. Der große Unterschied bestand v.a. darin, wann und wie diese Veränderungen stattfanden. Zu den Beobachtungen, die Darwin wohl am meisten inspiriert und auch bestätigt haben, zählen die nach ihm benannten Darwin-Finken auf den Galapagos-Inseln, deren Schnabelformen sich erstaunlich schnell an die Umgebung und die Nahrungsquellen anpassen konnten.
Diese durch Feldarbeit vor Ort erworbene Erkenntnis Darwins lässt sich heute auch molekularbiologisch bzw. genetisch bestätigen.
Seitdem hat sich jedoch viel verändert. Man könnte meinen, dass eine Theorie, die zur Mitte des 19. Jahrhunderts durch die damals zur Verfügung stehenden Mittel aufgestellt wurde, dank unser modernen Technik längst für obsolet erklärt worden sein müsste; was sich aber in der Biologie seitdem neben der Technik auch geändert hat, sind die Begriffe, die verwendet werden, und die Ebenen, auf denen untersucht werden kann.
Viele von Darwins Ideen sind jedoch immer noch aktuell und werden nicht widerlegt, sondern durch Experimente und Analysen bestätigt.
Trotz der Langlebigkeit und Qualität seiner Theorien sind auch die Kritiker:innen – oder wohl eher Gegner:innen – der Evolutionsbiologie nicht ausgestorben. Was Darwin mit seiner Theorie zur Entstehung der Arten erklären konnte, scheint für manche Menschen auch heute noch sowohl mit ihrer religiösen Überzeugung, als auch mit ihrer Kreativität in Konflikt zu stehen.
Als ein Hauptargument „gegen“ die Evolutionstheorie wird immer wieder ins Feld geführt, dass sich komplexe Strukturen, wie etwa das menschliche Auge, nicht durch eine schrittweise Entstehung erklären lassen würden. Selten wird jedoch in diesem Zusammenhang erwähnt, dass Darwin schon zu seinen Lebzeiten solche kritischen Einwände beachtet und sie in seiner Theorie mit behandelt hat.
Er schreibt etwa in Kapitel 6 von “The Origin of Species”:
“Die Annahme, dass das Auge mit all seinen unnachahmlichen Vorrichtungen zur Einstellung des Brennpunkts auf verschiedene Entfernungen, zur Aufnahme verschiedener Lichtmengen und zur Korrektur der sphärischen und chromatischen Aberration durch natürliche Auslese entstanden sein könnte, erscheint mir, wie ich freimütig zugebe, in höchstem Maße absurd.
Dennoch sagt mir die Vernunft, dass, wenn zahlreiche Abstufungen von einem perfekten und komplexen Auge bis zu einem sehr unvollkommenen und einfachen Auge nachgewiesen werden können, wobei jede Abstufung für ihren Besitzer nützlich ist, wenn ferner das Auge immer nur geringfügig variiert und die Variationen vererbt werden, was sicherlich der Fall ist, und wenn jede Variation oder Modifikation des Organs für ein Tier unter wechselnden Lebensbedingungen nützlich ist, dann kann die Schwierigkeit zu glauben, dass ein perfektes und komplexes Auge durch natürliche Auslese gebildet werden konnte, obwohl sie für unsere Vorstellungskraft unüberwindbar ist, kaum als real angesehen werden.
Wie ein Nerv für Licht empfindlich wird, geht uns kaum mehr an als die Frage, wie das Leben selbst entstanden ist; aber ich darf anmerken, dass mich mehrere Tatsachen vermuten lassen, dass jeder empfindliche Nerv für Licht empfindlich gemacht werden kann, und ebenso für jene gröberen Schwingungen der Luft, die den Schall erzeugen.”
Aus dem Kapitel 6 von „The Origin of Species“, übersetzt mit DeepL.com
Darwins Theorie liefert sicherlich nicht im Alleingang alle Antworten, um die Entstehung der Arten und alles sich daran anschließenden Phänomene restlos zu erklären. Sie hat sich aber bewährt, ohne in ihrer Grundidee Schaden zu nehmen.
Bei dieser Erfolgsgeschichte scheint der Begriff Theorie mittlerweile missverständlich, weil im wissenschaftlichen Kontext Theorie etwas anderes meint als im alltäglichen Verständnis (deswegen das titelgebende Zitat von Mephisto aus Goethes „Faust“). So, wie wir die Relativitätstheorie von Einstein brauchen, um uns mit GPS in Südfrankreich zurecht zu finden, so braucht die Evolutionsbiologie die Ideen von Darwin, um zu erklären, woher die Biodiversität auf unserem Planeten kommt, die uns Menschen mit einschließt.
Wir sollten daher eher von Evolutionsbiologie sprechen, so wie wir auch von Teilchenphysik und nicht Teilchentheorie sprechen. Die heutige Evolutionsbiologie ist ein spannendes Feld, das gerade in den letzten 20 Jahren durch die Fortschritte in der Molekularbiologie ungeahnte Erkenntnisse ermöglicht hat.
Es lohnt sich also, am 12. Februar auch daran zu denken, wie ein junger Forscher durch skeptisches Beobachten die Welt nachhaltig veränderte.
Video
Sandra und Florian zeigen euch den Evolutionsweg in Köln:

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