Wenn der Glaube an „rituelle Gewalt“ zum Lebensinhalt wird

(Lesedauer ca. 4 Minuten)

Spannend:

Noch vor sechs Jahren feierte die Neue Osnabrücker Zeitung den Geistlichen Alfons Strodt wie einen Helden im Kampf gegen Satanisten und „rituelle Gewalt“:

https://www.noz.de/lokales/osnabrueck/artikel/-20507072

Die Frauen – tatsächlich sind alle Opfer, die Strodt kennengelernt hat, weiblich – berichten von rituellen Tieropfern, sich in Ekstase schaukelnden Gestalten in Kutten, von unterschiedlichen Arten der Gewalt und Massenvergewaltigungen.

Während seinen Erzählungen fixiert Strodt sein Gegenüber, als wolle er abschätzen, wie viel er seinem Gesprächspartner zumuten kann. Zehn Betroffene hat Strodt über einen längeren Zeitraum seelsorgerisch begleitet.

Diese Arbeit habe ihm alles abverlangt. „Sie ist zu einem roten Faden in meinem Leben geworden“, sagt er.

Heute berichtet das Blatt ganz anders über die Thematik – Aufklärung wirkt offenbar:

https://www.noz.de/lokales/region-osnabrueck/artikel/satanismus-theorie-osnabruecker-pfarrer-laesst-sich-nicht-beirren-48734147

Der 75 Jahre alte emeritierte Domkapitular habe sich möglicherweise „verrannt“, deutet der Autor Raphael Steffen mehr als nur an:

In Wissenschaft und Medien tobt darum seit Jahren eine heftige Debatte. Immer mehr Experten melden Bedenken an: So wie die Rituelle-Gewalt-Theorie kolportiert werde, könne sie nicht stimmen.

Alfons Strodt aber, das bekräftigt er bei diesem Treffen im sonnigen Heede, glaubt weiter daran. Obwohl auch er keine Beweise vorlegen kann, keine Täternamen, keine Tatorte, keine Details.

Er hat nur die Angaben der etwa zehn Frauen, die er in den letzten bald 50 Jahren begleitet hat und die berichten, Opfer der satanistischen Praktiken geworden zu sein.

Das Übliche also. Natürlich war Strodt auch Mitglied im „Arbeitskreis Rituelle Gewalt der Bistümer Osnabrück, Münster und Essen“ und trat zudem an Schulen auf, wo er seine Überzeugungen zum Besten gab:

Bei seinem Besuch berichtete Strodt von seinen Begegnungen mit Betroffenen. So schilderte er die Situation eines jungen Mädchen, das sich seit Jahren aus der Gruppe der Satanisten zu lösen versucht.

In ihren Gesprächen mit ihm wechselt sie immer wieder ihre Persönlichkeiten. Sie erzählt aus der Perspektive des Opfers, eines Kleinkindes und aus der Sicht der Täter.

Dieses Verhalten ist damit zu begründen, dass Opfer von schwerer Misshandlung verschiedene Persönlichkeiten entwickeln, um die ihnen angetanen Grausamkeiten aushalten zu können.

Steffen hält dem Ruhestandspriester durchaus seinen christlichen Glauben und sein Engagement zugute.

https://www.noz.de/lokales/region-osnabrueck/artikel/hitzige-debatte-um-rituelle-gewalt-erreicht-bistum-osnabrueck-48692171

Doch in einem Begleitartikel macht der Journalist unmissverständlich deutlich, dass „zentrale Aussagen“ der Rituelle Gewalt-Mind Control-Theorie wissenschaftlichen Erkenntnissen widersprechen:

Vieles ist unbelegt. Experten erkennen Muster einer Verschwörungserzählung. Zugleich wird befürchtet, dass durch die Kontroverse künftig Betroffenen sexualisierter Gewalt grundsätzlich nicht mehr geglaubt werden könnte.

Und er benennt auch den entscheidenden Punkt, warum gutmeinende Verschwörungsgläubige wie Alfons Strodt keine Hilfe für vermeintlich Betroffene sind:

Vielfach wird inzwischen davon ausgegangen, dass sich Anhänger der Rituelle-Gewalt-Theorie gegenseitig in eine Verschwörungserzählung hineingesteigert haben.

Das kann fatale Folgen haben: Eine fehlgeleitete Psychotherapie bringt erhebliche Einschränkungen für Patienten mit sich. Wer davon überzeugt ist, unter der Kontrolle allmächtiger Täter zu stehen und Schreckliches durchgemacht zu haben, leidet genauso stark, als hätte er dies tatsächlich erlebt.

Strodts Ankündigung, den Arbeitskreis des Bistums „wiederzubeleben“, kann man daher nur als Drohung auffassen.

Zum Weiterlesen:

Titelfoto: Pixabay/kalhh

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