„Different ideas“: Meta-Konzern beendet das Fact-Checking

(Lesedauer 5 Minuten)

Ganz so weit ist es noch nicht, was einschlägige Youtube-Kanäle bereits bejubeln:

Die Faktenchecker von dpa und Correctiv, die seit 2019 mit Meta Platforms kooperieren, wissen derzeit nichts von einem Ende der Zusammenarbeit mit Zuckerbergs Internet-Konzern.

Wie das Handelsblatt schreibt, sei die Deutsche Presse-Agentur „weiterhin Faktencheck-Partner von Meta“:

„Wir haben einen laufenden Vertrag.“

Nach eigener Auskunft arbeiten rund 30 Personen im Team, seit 2019 habe man für den Auftraggeber mehr als 8000 Faktenchecks erstellt.

Ähnlich äußert sich Correctiv:

„Nach unserem Verständnis betrifft das Ende des Faktencheck-Programms akut nur die USA. Unsere Kooperation mit Meta in Deutschland läuft aktuell bis Ende 2025 weiter.“

Laut Konzernkreisen gebe es bei Facebook keine Pläne, das Faktencheck-Programm in Deutschland unmittelbar zu beenden, berichtet das Handelsblatt weiter. Ein Ende nach 2025 sei jedoch „wahrscheinlich“.

Am Dienstag hatte Meta-Chef Mark Zuckerberg eine „spektakuläre Kurswende“ (Spiegel) angekündigt. Er baue „seine Netzwerke Instagram und Facebook so um, dass sie Donald Trump gefallen“, kommentiert die Zeit das fünfminütige Video:

https://www.instagram.com/zuck/reel/DEhf2uTJUs0/

Der 40-Jährige erklärt darin, „die Redefreiheit“ bei Facebook, Instagram und Threads wiederherstellen zu wollen:

„Restoring free expression on our plattform“

In seinem Fünf-Punkte-Programm geht es im Kern darum, die Zusammenarbeit mit unabhängigen Fact-Checking-Organisationen aufzukündigen und – wie bei „X“ – durch „Community Notes“ zu ersetzen, also durch Anmerkungen anderer Nutzer zu einem Posting. Zuckerberg spricht davon, dass die Faktenchecker „destroyed more trust than they created“ hätten und „too politically biased“ seien. Dabei ist „Right-wing misinformation on Facebook more engaging than its left-wing counterpart“, zeigt eine Untersuchung von 2021.

Auf den Online-Plattformen gebe es „zu viel Zensur“, oftmals „clearly political“, beklagt Zuckerberg. Beschränkungen bei Themen wie zum Beispiel „immigration and gender“ sollen fallen, um Nutzern mit „different ideas“ eine Stimme zu geben. Die Moderationsteams sollen sich nur noch um „high severity violations“ kümmern, also Verstöße mit hohem Schweregrad.

Es ist zu befürchten: Beleidigungen, rassistische Inhalte, Unwahrheiten werden stehen bleiben,

schreibt Zeit-Online.

Das Internet wird nun noch schmutziger und verwirrender,

befürchtet der Tagesspiegel.

https://www.instagram.com/zuck/reel/DEhf2uTJUs0/

Über Zuckerbergs Beweggründe kann man spekulieren. Dabei spielt wohl „der Wunsch, im Boysclub von Trump und Musk mitmachen zu dürfen“, ebenso eine Rolle wie rein geschäftliche Interessen – etwa zusammen mit der künftigen US-Regierung regulatorische Maßnahmen wie das europäische Digitalgesetz Digital Services Act (DSA) zurückzudrängen.

In dem Video formuliert er das so:

„Wir werden mit Präsident Trump zusammenarbeiten, um gegen Regierungen weltweit vorzugehen, die amerikanische Firmen verfolgen und immer mehr zensieren wollen.“

Trump selbst hatte bereits im November angekündigt, gegen Faktenchecks vorzugehen. Eine aktuelle Studie verdeutlicht, dass im Pro-Trump-Lager mehr Posts mit Falschmeldungen verbreitet werden, diese Klientel also mehr von Maßnahmen gegen Fehlinformation betroffen ist. Zuckerberg scheint sich mit gezielten Personalentscheidungen wie Dana White (Verwaltungsrat) und Joel Kaplan (Chief Global Affairs Officer) schon seit einiger Zeit den Republikanern anzudienen.

Ob diese Strategie aufgeht, ist ungewiss. Denn anders als Elon Musk, „der seinen enormen Reichtum von anderen Firmen als X bezieht“(Spiegel), muss Zuckerberg ein Umfeld bieten, „in dem Firmen gern werben“. Ein weiteres PR-Desaster wie im Zusammenhang mit den Ereignissen in Myanmar 2017 kann Facebook sich kaum leisten.

Ein Sprecher der EU-Kommission warnte Meta gestern davor, das Faktencheck-Programm in der EU zu beenden. Der DSA verpflichtet Meta und andere Konzerne zum Nachweis, dass sie aktiv gegen Falschinformationen, die auf ihren Plattformen kursieren, vorgehen. Spokesperson Thomas Regnier drohte Zuckerberg eine Milliardenstrafe an.

Mimikama schreibt dazu:

Das European Fact-Checking Standards Network (EFCSN) verurteilt in einem Statement insbesondere die Gleichsetzung von Faktenchecks und Zensur, die in Zuckerbergs Videobotschaft anklingt. Auch Medienverbände und Verbandsvertreter äußern sich „sorgenvoll oder sogar bestürzt“. Ein ehemaliger Faktenchecker sieht bereits den „Todesstoß für einige der wichtigsten unabhängigen Faktencheck-Programme weltweit“ heraufdämmern:

„Unwahre Tatsachenbehauptungen sind keine Meinung. Und sie sind auch nicht von der Meinungsfreiheit geschützt. Sie gilt nicht grenzenlos. Der Einzige, der hier irgendeiner Regierung hörig ist, ist Mark Zuckerberg selbst.“

Was auch immer passieren wird – es gibt täglich mehr gute Gründe, sich bei unabhängigen Organisationen wie Skeptix zu engagieren.

Quellen:

Titelfoto: Romain TALON – stock.adobe.com


Kommentare

6 Antworten zu „„Different ideas“: Meta-Konzern beendet das Fact-Checking“

  1. Sebastian

    Zunächst wird es wohl nur in den USA so sein. Allerdings fände ich einen Wandel hin zu „community notes“ auch in Europa passender. Organisationen wie Volksverpetzer oder Correctiv nutzen für mein Empfinden zu oft „ad hominem“.

    Ein Correctiv-Artikel, der mir dazu besonders stark in Erinnerung bleibt, war ein Artikel über Sorgerechtsverfahren und eine Väterrechtsbewegung. Zu einem Vater wurde direkt erwähnt „Er teilt Beiträge der AfD“, was bei solch einem Thema absolut irrelevant ist. Passender wären transparente Darstellungen von Statistiken gewesen, die allerdings nicht das Bild des Artikels bestätigt hätten.

    Dass ich bei Recherchen Verbindungen zwischen politischen Aktivistinnen und den Journalistinnen herstellen konnte, hat für mich einen faden Beigeschmack hinterlassen. Auch das kann allerdings vollkommen egal sein, solange sich alle wirklich auf Fakten stützen. Alles andere ist reine Interessenvertretung und nicht unbedingt faktenbasiert und schon gar nicht dem Allgemeinwohl dienlich.

    (imho)

  2. Chusa More

    „Die Faktenchecker von dpa und Correctiv, die seit 2019 mit Meta Platforms kooperieren, wissen derzeit nichts von einem Ende der Zusammenarbeit mit Zuckerbergs Internet-Konzern.“

    Doch, Correctiv weiß davon, sie haben gestern in ihrem Newsletter ausführlich, sehr informativ und transparent machend, wie die Zusammenarbeit mit Meta bisher funktioniert hatte, dazu geschrieben:

    https://correctiv.org/spotlight-newsletter/tschuess-facebook-war-schoen-mit-dir/#thema-des-tages

  3. Chusa More

    Und zu Sebastians „ad hominem“-Vorwurf gegenüber Correctiv hier als Fakt der Correctiv-Artikel zu der ausführlichen Recherche über „Väterrechtler“:
    https://correctiv.org/aktuelles/haeusliche-gewalt/2023/09/19/die-netzwerke-der-vaeterrechtler/

    Daraus kann jeder sich selber ein Bild machen, ob dort „ad hominem“ argumentiert wird oder nicht.

    Wo und wie der „Volksverpetzer“ „zu oft ad hominem nutzen“ würde, bleibt eine Behauptung ohne Beleg oder irgendeine Erläuterung.

  4. Bernd Harder

    @Chusa More:

    Da steht aber m.E. nicht mehr drin, als das, was wir auch geschrieben haben:

    „Was bedeutet das Ganze für Nutzer in Deutschland? Das ist noch nicht ganz klar. Die angekündigten Neuerungen beziehen sich erst einmal nur auf die USA.“

  5. Chusa More

    @Bernd Harder

    Ja, das stimmt, aber immerhin wußten sie es (gut, der Correctiv-Artikel ist gestern am späteren Nachmittag erschienen).

    Neu war für mich die Erklärung von Correctiv, wie diese Zusammenarbeit mit Meta bisher ausgesehen hatte.

  6. Chusa More

    Hier noch als Ergänzung ein sehr interessantes Interview mit dem Medienwissenschaftler Prof. Martin Andree, der eine Einschätzung dazu gibt, was das Abschaffen der Faktenchecks in den USA für uns in Europa wohl bedeuten wird:

    https://www.deutschlandfunk.de/nach-x-nun-meta-wirklich-cool-musk-interv-m-martin-andree-medienexp-dlf-027fabaf-100.html

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