„Soldaten des Lichts“ hat das, was der „Mondverschwörung“ (2011) fehlte: einen humorbefreiten Blick auf das Gefahrenpotenzial von Verschwörungstheorien:
Die anfängliche Faszination für eine Welt, die durch skurrile und
verstörende Verschwörungserzählungen geprägt ist, wich einer tiefen
Betroffenheit, je mehr persönliche Begegnungen mit Menschen
stattfanden, die unter den Folgen dieser Ideologien leiden,
sagt Co-Regisseur Johannes Büttner im Pressematerial zu dem fast zweistündigen Dokufilm:
Besonders berührt hat uns dabei die Geschichte von Timo.

Timo (l.) ist ein „schlaksiger junger Mann mit großen, ausgebrannten Augen, die stets ins Leere starren“, erklärt der Rezensent Michael Sennhauser:
Timo arbeitet für David. Er baut Lagerräume um, wäscht Geschirr, rüstet Gemüse, macht Smoothies für David, serviert in der Rohkosteria.
Im Gegenzug heilt ihn David mit Fastenkuren, computergestützten Messvergleichen und väterlich strengem Kurdoktorgehabe von der „Dunkelheit“ und der „dritten Stimme“.
Timo ist offensichtlich schwer depressiv, wenn nicht gar psychotisch.
Die Macher von „Soldaten des Lichts“ begleiten den „Rohkost-Guru“, Reichsbürger und Verschwörungsideologen „Mister Raw“ (David Ekwe Ebobisse) mit einer rein beobachtenden Kamera – aber „mit Timo zieht das Gruseln ein in den Film“:
Die Faszination von Reichsbürgergeschwafel und dem elektrisierenden Verkaufsmäandern von David macht zunehmend dem Horror Platz, dass wir miterleben, wie ein Mensch gleichzeitig ausgenutzt und im Stich gelassen wird.

Daneben gibt es zwar noch eine Reihe von weiteren Momenten, in denen das „jenseitige Sammelsurium des Wahnsinns“ (FilmplusKritik) aufscheint – etwa bei den Gastauftritten von Oliver Brecht („Geistheiler Sananda“) und Peter Fitzek („König von Deutschland“) oder den obskuren Bioscan-Messungen oder dem Verschwörungsgeraune über Flache Erde und Rituelle Gewalt.
Aber
… als wir Timo kennengelernt haben, wurde uns nach und nach klar, wie schwerwiegend das alles eigentlich ist und wie ernst,
erzählt Regisseur Julian Vogel im Deutschlandfunk:
Wir fanden es auch politisch oft höchst fragwürdig, was wir da gehört haben, aber wir fanden einiges auch manchmal lustig, halt einfach absurd, und auch spannend.
Aber als wir dann Timo gesehen haben, und wie krank er uns zu diesem Zeitpunkt schon erschien, wurde uns klar, dass wir hier auch einen sehr ernsthaften Film drehen.

„Soldaten des Lichts“ feierte am Wochenende beim DOK.fest in München Premiere. Bis zum 25. Mai ist der Dokumentarfilm auch im Netz verfügbar. Dafür muss man hier ein Online-Ticket für 5 Euro erwerben. Danach kann man den Stream sofort starten oder per Mail einen Code für später anfordern. Sobald der Film das erste Mal gestartet wurde, hat man 48 Stunden Zeit, um ihn fertigzuschauen oder auch mehrmals anzusehen.
In den 108 Minuten wird auch eine Klage der Verbraucherzentrale Hessen gegen Ebobisse wegen „unzulässiger Gesundheitswerbung und unzulässiger Rechtswahl“ kurz gestreift. Im Film tut „Mister Raw“ den Vorgang als „lächerlich“ ab und geht davon aus, seine Unternehmungen steuer- und regulierungsfrei, in einer Art temporärem rechtlichen Vakuum, betreiben zu können.
Tatsächlich sah sein Impressum vor einiger Zeit noch so aus:

Doctor Raw sei „ein Betrieb im KRD“, heißt es da, und dieses „Königreich Deutschland“ sei auch die zuständige Aufsichtsbehörde. Ebobisse gefiel es, zu behaupten, dass jeder, der in seinem Shop etwas kauft,
… für die Dauer der Geschäftsbeziehung […] eine temporäre Zugehörigkeit zum Königreich Deutschland (KRD)
besitze – inklusive der „Gerichtsbarkeit bei rechtlichen Streitigkeiten“.
Heute stellt sich das Impressum von „Doctor Raw“ so dar:

Auch nicht wesentlich seriöser, aber immerhin: Wie die Verbraucherzentrale Hessen im April mitteilte, wurde ihrer Klage „vollumfänglich entsprochen“:
Der Verfahren endete mit einem Teilanerkenntnis- und zweitem Versäumnisurteil am 29.01.2025. Das Urteil ist rechtskräftig.
David Ekwe Ebobisse hat mithin von sich aus eingeräumt, bestimmte Gesundheitsaussagen sowie den Verweis auf das KRD zu unterlassen. Es gab keinen juristischen Kampf, sondern eine Kapitulation.
Im Film klingt das noch ganz anders, da lautet sein Credo: Recht hat, wer Kohle macht. Jetzt könnte ein Zwangsgeld von bis zu 250.000 Euro gegen Ebobisse festgesetzt werden, wenn er gegen das Urteil verstößt.
Wenigstens ein Anfang, ist man versucht zu sagen. Denn eine der Fragen, die offen im Raum stehenbleiben, ist die nach „Mister Raws“ Steuerpflicht.
Herr Klingbeil, wie wär’s, hier gleich mal aktiv zu werden?

Ein Interview mit Regisseur Julian Vogel hier im Blog folgt in den nächsten Tagen.
Zum Weiterlesen:
- Rezension bei M94.5
- Rezension bei FilmplusKritik (9. Mai 2025)
- Video „Soldaten des Lichts“ Capriccio (8. Mai 2025)
- Boussa, Thiam „Soldaten des Lichts: Einblick in die Welt der Reichsbürger“ Deutschlandfunk Kultur (7. Mai 2025)
- Rezension von Sennhausers Filmblog (6. April 2025)
- Hagmann, Ulrich „Betrug mit Gesundheitsmessungen: Bewährungsstrafe verhängt“ br (18. November 2024)
- Voigts, Hanning „Verbraucherzentrale Hessen geht gegen Online-Shops aus Reichsbürgerszene vor“ Frankfurter Rundschau (4. Juli 2024)
- Claßen, Sina „Reichsbürger muss auf Königreich Deutschland verzichten“ Journal Frankfurt (1. Februar 2024)
- Teutsch, Oliver „Reichsbürger verliert vor Landgericht Frankfurt“ Frankfurter Rundschau (31. Januar 2024)
- Video „Interview mit einem Reichsbürger des Königreichs Deutschland“ hessenschau (17. Februar 2023)
- Sandler, Artem „Ein Klick auf Kaufen und plötzlich ist man Reichsbürger – Verbraucherzentrale klagt“ inside-digital (17. Februar 2023)
- Spiess, Claudia „Verbraucherzentrale klagt gegen Reichsbürger“ mimikama (16. Februar 2023)
- Frey, Roxana „Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Reichsbürger-YouTuber“ t-online (6. Februar 2023)
- Jürgs, Alexander „Ein Königreich im China-Lokal“ faz (27. Januar 2023)
- Böker, Fabian „Reichsbürger in Frankfurt: Klage gegen Verein im Riederwald“ Frankfurter Rundschau (18. Januar 2023)
- Kinsky, Carl „Rohkost-Guru und Reichsbürger-Ideologe“ lotta-magazin (29. August 2022)
- Duwe, Silvio „Krebsheilung in wenigen Tagen: Wie Youtuber mit unhaltbaren Heilsversprechen Kasse machen“ medwatch (10. August 2018)
- Shukman, Harry „A year of hate: what I learned when I went undercover with the far right“ The Guardian (24. April 2025)
Titelfoto: Timo (l.) und David Ekwe Ebobisse alias „Mister Raw“/Wood Water Films
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