Die Masche ist eigentlich überall die gleiche.
Zum Beispiel in Madrid:
Du hast sehr viel Glück mit deiner Familie, du bist glücklich mit der Liebe deines Lebens, du verdienst gerne Geld und gibst es auch gerne aus, es gibt eine Person, die dich beneidet.
Und so weiter, und so fort, bekommt der Journalist Peter Giesel von „Achtung Abzocke“ (Kabel 1) auf dem Plaza Mayor von „Handleserinnen“ zu hören:

Gegen Bares, natürlich.
Einem umstehenden Polizisten lässt sich nur der Satz entlocken, das seien „Personen, vor denen man sich in Acht nehmen sollte“. Und warum unternimmt die Polizei dann nichts? „Ist das nicht illegal, was die Damen tun?“, will Giesel wissen. „Sie nehmen Geld, viel Geld.“
Die Antwort des Beamten:
Nein, sie verteilen Rosmarin zum Kochen. Ich weiß nicht, sie betteln nach Geld, sie machen nichts Schlimmes, sie verteilen nur Zweige, das ist ok, sie sind clever.
Oder in New York:
Bist du offen für Übersinnliches? Willst du heute zum Wahrsager? Finde heute heraus, was morgen passiert.
Sie wird dir alles über dein Leben sagen, eine tolle Frau mit ihren fünf wunderschönen Töchtern, es kostet nur zehn Dollar. Es macht Spaß und ist spannend,
wird Giesel auf dem Times Square zunächst mit einem Billigangebot gelockt:

Im Hinterzimmer der „tollen Frau“ hört sich das dann ganz anders an, als Giesel zwei Kolleginnen mit versteckter Kamera in die Wahrsager-Sprechstunde schickt: „Ihnen passiert genau das, was jeder Touristin auch passieren kann, wenn sie spontan zum Hellseher geht“:
Da ist eine sehr negative Energie, die an dir klebt. Du fühlst dich ein bisschen niedergeschlagen. Du brauchst seelische Heilung. Dieser böse Geist behindert dich, verstehst du.
Für meine Arbeit verlange ich 400 Dollar, das steht auch so auf meiner Preisliste. Ich brauche nur einen Abend, um zu meditieren, da schaue ich in die Vergangenheit, die Gegenwart, die Zukunft, dann sehe ich, was los ist. Das ist eine Investition in deine Zukunft, damit kannst du alles loswerden, was dich blockiert.
Wenn du morgen oder übermorgen zurückkommen kannst, ist es besser, als wenn wir nur telefonieren, das ist aber auch kein Problem, ok?

Das erinnert frappierend an die Okkult-Betrügerin Mariana M. in Österreich, über die wir hier berichteten:
Vor Kirchen oder Arztpraxen hofft die selbsternannte Schamanin, verzweifelte Menschen zu treffen. So lernt sie auch eine 56-jährige Wienerin kennen. Sie sei verflucht und ihre Tochter würde bald sterben, erzählt die vermeintliche Heilerin.
Es sei denn, sie lasse all ihr Geld reinigen. Die Wienerin übergibt ihr insgesamt 727.000 Euro. Danach verschwindet die selbsternannte Wahrsagerin,
fasst der ORF ihr Vorgehen zusammen:

Der Standard schreibt:
M. gab sich als die Schamanin „Amela“ aus.
Sie sprach Menschen auf offener Straße an, schmeichelte ihnen und ging ein Gespräch ein. Bald darauf wollte „Amela“ auch eine fragwürdige Aura wahrgenommen haben. Mithilfe von Tarotkarten, Kristallen und okkulten Symbolen sah sie also die Zukunft ihrer Opfer vorher.
Und die sollte beängstigend sein, wie sie ihnen mitteilte: Eine Angehörige sei vermeintlich verflucht. „Amela“ könne gar deren Tod voraussehen.
Was ihr Gegenüber tun könne, um das furchtbare Schicksal abzuwenden? „Amela“, die über magische Kräfte verfüge, könne „Reinigungsrituale“ durchführen. Damit lasse sich der Fluch brechen.
Nur: Das sei anstrengend und teuer.
Geld und Schmuck im Wert von zehn Millionen Euro stellten die Ermittlungsbehörden in der Nobelvilla ihres Sohnes in Maria Enzersdorf unweit von Wien sicher. Dessen Anwälte behaupten, das alles stamme aus generationenübergreifenden Familienerbschaften.
Derweil haben sich mehr als 70 mögliche Opfer von Mariana M. gemeldet, die auf den Polizeifotos persönliche Wertgegenstände wiedererkannt haben wollen – zum Beispiel eine Brosche und zwei Silbermünzen.

Die 44-jährige „Schamanin Amela“ alias Mariana M., die in Österreich jahrelang eine Invalidenpension in Höhe von rund 160.000 Euro bezog, ist untergetaucht. Neben ihrem 29-jährigen Sohn und ihrem Ex-Ehemann wurde auch ihre Schwiegertochter, die 29-jährige Dona D., festgenommen,
… eine Österreicherin mit serbischen Wurzeln, die unter dem Namen „Ana“ ebenfalls als „Schamanin“ aufgetreten sein und aus demselben Familienverband stammen soll wie die per internationalen Haftbefehl gesuchte Hauptbeschuldigte.
130 Hinweise aus dem In- und Ausland sind bis dato eingegangen. „Seit die Polizei Fotos der beiden umtriebigen Schamaninnen veröffentlicht hat, läuten die Telefone fast durchgehend“, meldet der ORF.

Auch in München war Mariana M. vor etwa zehn Jahren aktiv, wo sie sechs Frauen insgesamt 200.000 Euro abgeknöpft hat. Dafür wurde sie in Wien zu drei Jahren Haft verurteilt. Insgesamt weise die Vergangenheit von Mariana M. „eine lange Liste von Verurteilungen“ auf.
Welches Ausmaß der Fall Mariana M. und ihrer kriminellen Vereinigung noch annimmt, ist nicht absehbar. Auffallend ist indes die Vielzahl von ähnlichen Begebenheiten in den letzten Jahren.
Einige Beispiele:
- Betrug durch Hellseherin in Niederösterreich (29. September 2022):
Die vermeintliche Hellseherin „Sophie“ hat eine 59-jährige Frau in Niederösterreich um ihr gesamtes Erspartes gebracht.
Die Frauen lernen sich im Jänner 2022 in Tulln kennen und die Betrügerin überzeugt ihr Opfer davon, dass ihr derzeitiges Leid von „vorherigen Schulden“ der Familie herrührt. Gegen Geld könne sie ihr helfen, diesen „Fluch“ zu brechen.
Das Opfer fasst schnell Vertrauen zu „Sophie“ und übergibt ihr mehrmals Bargeld – insgesamt einen mittleren fünfstelligen Betrag.
Dazu gibt es auch einen Podcast von Fahndung Österreich.
- Dreiste Betrugsmasche durch angebliche Wahrsagerin (19. Februar 2025):
Eine 65jährige Dame wurde nach ihrem Einkauf auf dem Parkplatzgelände in Bad Säckingen von einer ihr unbekannten Frau in russischer Sprache angesprochen. Die Unbekannte überzeugte die 65-Jährige mit düsteren Vorhersagen innerhalb der Familie. Eine weitere russischsprachige Frau kam hinzu und gab sich als angebliche Patientin der Wahrsagerin aus, die von ihr vor dem Tode bewahrt worden wäre.
Die 65-Jährige konnte überzeugt werden, durch angebliches Reinigen von Geld vor Unglücken geschützt zu werden. Nachdem eine größerer Menge Bargeld geholt wurde und die Gutgläubige zum Parkplatz zurückkehrte, übergab sie den fünfstelligen Betrag
- Falsche Wahrsagerin knöpft Frau 35.000 Euro ab (3. Dezember 2024):
Eine Frau aus Singen kontaktierte Ende November via Instagram eine angebliche Wahrsagerin aus Moskau. Im weiteren Verlauf fanden diverse fernmündliche Sitzungen statt.
Nach einigen Sitzungen äußerte die Wahrsagerin, dass der Tochter der 41-Jährigen in der Zukunft ein Unfall passieren werde, der aber durch diverse Geldzahlungen abgewendet werden könne.

- Schwarze Magie: 77.000 Euro an Wahrsagerin gezahlt (3. September 2024):
Wahrsagerin „Nermine“ brachte eine Serbin dazu, ein kleines Vermögen zu übergeben. Mit den Geldbeträgen sei die „schwarze Magie“ überdeckt worden, mit der das Opfer belegt war […] „Nermine“ und die zweite Täterin hinter dem Magie-Betrug konnten nicht ausfindig gemacht werden. Der Geldabholer sitzt jedoch nun auf der Anklagebank in Wien.
- Betrug per Wahrsager-Hotline? (16. Mai 2024):
Eine 64-Jährige aus dem Landkreis Vechta wurde Opfer einer vermeintlichen Wahrsager-Hotline und informierte die Polizei. Sie hatte eine höhere Geldsumme an die vermeintliche Wahrsager-Hotline überwiesen.
Zuvor soll ihr damit gedroht worden sein, dass großes Unheil über ihre Familie kommen werde, falls sie nicht zahlt.
- Angeblicher Wahrsager betrügt Frau um mehrere hunderttausend Euro (12. April 2024):
Ein angeblicher Wahrsager hat eine 38-Jährige aus Bayern um mehrere hunderttausend Euro betrogen. Sie hatte einige Wochen zuvor einen Esoterikdienst kontaktiert, der bei einem ausländischen Fernsehsender beworben wurde. Für diese Dienste bezahlte die Frau nach und nach mehrere hunderttausend Euro.
Bei einer geplanten Geldübergabe wurde eine mutmaßlich in den Betrug involvierte 24-Jährige festgenommen. Die Beamten gehen davon aus, dass der Betrug professionell von mehreren Menschen organisiert wird und dies kein Einzelfall gewesen sei.
- Betrug durch angebliche Hellseherin (21. Februar 2024):
Am Dienstag vergangener Woche wurde eine Bad Homburgerin Opfer von Betrügerinnen, als sie durch die Innenstadt ging. Die ältere Dame befand sich gegen 12 Uhr in der Louisenstraße, als sie von einer Frau angesprochen wurde. Es handelte sich um eine angebliche Hellseherin, die der Frau voraussagte, dass ihr Sohn bald sterben werde.
Durch ein Ritual könne der Tod jedoch verhindert werden. „Zufällig“ kam eine zweite Frau hinzu, die bestätigte, dass die Hellseherin auch ihr schon geholfen habe. Deshalb holte die Bad Homburgerin zusammen mit der zweiten Frau all ihr Bargeld von zu Hause.
- Angeblicher Fluch auf Familie: Angeklagte legen Geständnis ab (17. Juli 2023):
Die angebliche Heilerin hatte vor rund zehn Jahren eine Frau in der Trierer Innenstadt angesprochen, um ihr aus der Hand zu lesen.
Diese glaubte an ihre übernatürlichen Fähigkeiten – und bald auch der Erzählung, auf ihrer Familie laste ein todbringender Fluch, der sich nur aufhalten lasse, wenn die Heilerin ihn auf Geld, Gold und Schmuck umleiten würde.
Auch die wohlhabenden Eltern der Geschädigten in Luxemburg ließen sich manipulieren, sodass die Familie am Ende mehr als 700.000 Euro zahlte.
- Festnahmen nach Betrug durch falsche Wahrsagerin (28. Februar 2023):
Laut einer Mitteilung der Staatsanwaltschaft Schwäbisch Hall wurde die ältere Frau aus Bühlertann über eine Werbeanzeige im russischen Fernsehen auf einen Wahrsagedienst aufmerksam und rief dort an.
Eine vermeintliche Wahrsagerin sagte der Frau, dass ihrer Familie wegen eines angeblichen Fluches großes Unheil drohe und dieses nur durch eine rituelle Behandlung abgewendet werden könne. Für diese forderte die Betrügerin 58.000 Euro.

- Wahrsagerin zockt trauernder Witwe 230.000 Euro ab (17. Juli 2020):
Wie die Polizei in Weilheim berichtet, wurden einer Frau in den Jahren 2011 und 2012 von einer vermeintlichen Wahrsagerin 230.000 Euro abgezockt.
Nach dem Tod ihres Ehemanns ließ sich die Weilheimerin in der Fußgängerzone von der Betrügerin ansprechen. Sie versprach ihr anhand ihrer Handlinien die Zukunft vorauszusagen und positiv zu beeinflussen. In mehreren Treffen knöpfte sie der Witwe dann nach und nach das Geld ab. Aus Angst und Scham brachte die Frau den Betrug bislang nicht zur Anzeige, doch am vergangenen Dienstag hatte sie die Gauklerin zufällig wieder in der Fußgängerzone von Weilheim gesehen.
Danach fasste sie all ihren Mut zusammen und ging zur Polizei. Die vermeintliche Wahrsagerin gab sich als Sofia Buradin aus. Die Polizei spricht von einer „süd- oder osteuropäisch stämmig wirkenden Täterin“.
- Wahrsagerin betrügt Opfer in Hannover (26. März 2019):
Die vermeintliche Wahrsagerin hatte sich ihr Opfer gut ausgeguckt: eine verzweifelte, weinend auf einer Bank in Kröpckenähe sitzende Frau, die von ihrem Mann verlassen worden war.
Im Verlauf von drei Treffen schaffte es Dragica M. (65), der einsamen Frau 2510 Euro abzuschwatzen. Die Hellseherin wollte ihrem Opfer die Zukunft vorhersagen, dafür wollte sie der 51-Jährigen sogar einen neuen Ehemann aus Serbien oder Montenegro besorgen.
Beim vierten Treffen – dieses Mal ging es um 500 Euro – schaltete das Opfer, das misstrauisch geworden war, die Polizei ein.
- „Wunderheiler“ auf Betrugstour in Bayern (3. September 2010):
Sie nennen sich Marina oder auch mal Natascha. Sie können Krankheiten heilen, Menschen von Flüchen befreien, manchmal auch Hellsehen. Behaupten sie. Aber eigentlich haben sie es nur auf Geld abgesehen.
Selbsternannte russischsprachige Wunderheilerinnen überziehen Bayern gerade mit ihren Gaunereien. Allein 20 Fälle sind in letzter Zeit zur Anzeige gebracht worden. Die Dunkelziffer dürfte um ein Vielfaches höher liegen.
Die „Hellseherin“ kommen nach Angaben des LKA meist „aus dem Wiener Raum rüber nach Deutschland“.
- Von Fluch besessen: Studentin zahlt 1000 Euro (2. Dezember 2009):
Am Donnerstagnachmittag wurde die 24-jährige Studentin von der „Wahrsagerin“ in Schwabing auf der Straße angesprochen. Die Dame behauptete, sie sehe in der Aura der Studentin eine „schwarze Umrandung“.
Die 24-Jährige ließ sich auf die Hellseherin ein, woraufhin diese dem jungen Opfer ihr Schicksal erklärte. Dafür forderte die Frau zunächst 500 Euro. Das Opfer war bereit, die Hälfte des Betrages zu bezahlen und hob das Geld von ihrer Bank ab.
Im Gespräch dramatisierte die Hellseherin die Zukunft der Studentin weiter und sagte, dass auf ihr ein Fluch läge.
Ob es zwischen diesen und weiteren Fällen einen Zusammenhang gibt, ist derzeit unklar.
Was sich aber als Muster durchzieht, ist die Masche der Betrüger. Und die emotionale Befindlichkeit ihrer Opfer:
Es sind meistens Menschen in einer Notlage,
erklärt die Psychologin Ulrike Schiesser (l.) von der österreichischen Bundesstelle für Sektenfragen im ORF:

Wo es um Krankheit geht, Sorge um Angehörige, oder Menschen, die sehr einsam, sehr isoliert sind. Und da ist dann jemand, der bietet ihnen eine scheinbar einfache Lösung an.
Dann stellt sich aber die Frage: Wieso werden vulnerable Menschen nicht besser geschützt vor solchen Okkulttätern?
In New York etwa ist Wahrsagerei strafbar – und nicht erst der vollendete Betrug:

Dass es dabei Vollzugsdefizite gibt, wird in der besagten „Vorsicht Abzocke“-Sendung offensichtlich. Allerdings gab es schon Festnahmen – und auch der Privatdetektiv und ehemalige Polizist Bob Nygaard geht rigoros gegen die „psychics“ vor:

In einem Interview mit dem Skeptical Inquirer sagte Nygaard:
Zunächst möchte ich betonen, wie rücksichtslos diese selbsternannten Hellseher sind. Sie kennen keinerlei Skrupel. Sie missbrauchen ihre Opfer emotional.
Während die Verbrechen, die sie begehen, als gewaltfrei eingestuft werden, rufen mich Opfer oft an und erzählen mir, dass diese empathielosen Übeltäter sie an den Rand des Suizids getrieben haben.
Im deutschsprachigen Raum ist das keineswegs Common Sense.
Noch bis in die 1960er-Jahre hinein waren Magie und Hexerei („Wahrsagen, Kartenschlagen, Sterndeuterei, Zeichen- und Traumdeutung“ etc.) in Deutschland verboten:
Die Öffentlichkeit, so der Konsens Anfang des 20. Jahrhunderts, habe einen Anspruch auf den Schutz speziell gegen das Wahrsagerunwesen.
Erst im Zuge der neu verbürgten Berufsfreiheit wurden gegen Mitte des 20. Jahrhunderts die Gaukeleivorschriften und Wahrsageverordnungen abgeschafft und damit Esoterikangebote möglich.
Im Schweizer Kanton Thurgau (und nur dort) steht „Wahrsagen, Traumdeuten oder Teufelsaustreibung“ bis heute unter Strafe – was nicht unumstritten ist:

2023 sprach sich der Thurgauer Jurist und Kantonsrat Hermann Lei für eine „Entschlackung der Straftatbestände“ aus:
Die zu Recht an den Pranger gestellte Gesetzesbestimmung bezieht sich auf die „gewerbsmässige Ausübung“ von Tätigkeiten wie Wahrsagen, Kartenlegen und Traumdeuten. Wenn solche Tätigkeiten seriös ablaufen, ist dagegen nichts einzuwenden.
Auch bei der Wirtschaftskammer Österreich (WKO) glaubt man allen Ernstes, völligen Humbug „seriös“ betreiben zu können, und adelt „Energetik“ mit einer eigenen Gewerbeberechtigung:
Die Grenze zwischen der Esoterik und der Energetik ist sicher nicht scharf zu ziehen. Beide Oberbegriffe stehen für die Arbeit am und für Menschen, für Lebensqualität, für Problemlösungen und dem Streben nach individuellem Glück.
Auf der esoterischen Seite dieses weiten Feldes steht der oft dunkle geheimnisvolle Glaube an die Macht der Mythen, des Alls und seiner Harmonien.
Auf der energethischen Seite das pragmatische Wissen um mentale Kräfte, um Energieströme und um das Machbare, das oft genug nicht erklärbar ist, aber trotzdem wirksam stattfindet.
Das hat zur Folge, dass es allein in Vorarlberg „offiziell sieben selbsternannte Wahrsager“ gibt:
Hat man das Gewerbe angemeldet, kann man als Wahrsager oder als Wahrsagerin arbeiten und Dienstleistungen anbieten. Inhaltlich prüft dann keine Behörde von sich aus, was die Wahrsager machen.
Was sie keinesfalls dürfen, ist Menschen vorzugaukeln, dass sie beispielsweise Krebs heilen können. Wenn eine Wahrsagerin einem aber die große Liebe in den nächsten drei Monaten voraussagt, kann und muss das die Bezirkshauptmannschaft nicht prüfen.
Vorherzusagen, „dass die Rente ausgezahlt, der Sohn wieder gesund, die große Liebe des Weges kommen wird“ – das ist auch in Deutschland rechtlich schwer zu beanstanden, „wenn dieser zukünftige Erfolg nur als mögliche Folge in Aussicht gestellt wird“, erläutert der Rechtswissenschaftler Prof. Hanns Prütting:
Denn der behauptete Erfolgseintritt bezieht sich auf die generelle künftige Entwicklung der Lebensereignisse und nicht auf die konkreten Dienstleistungen der Wahrsagerin.
Zwar gibt es den Begriff der „unmöglichen Leistung“ in Bezug auf den Gebrauch übernatürlicher, magischer Kräfte und Fähigkeiten. Und Wahrsagerei kann im Einzelfall sittenwidrig, wucherisch oder betrügerisch sein – aber das ist sie mitnichten immer und generell.
… muss ein Kunde für magische Leistungen zahlen, wenn er diese im Bewusstsein darüber erkaufte, dass die Geeignetheit und Tauglichkeit dieser Leistungen zur Erreichung des von ihm gewünschten Erfolgs rational nicht erklärbar ist,
heißt es im sogenannten Wahrsager-Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) von 2011.
… muss der Täter das objektive Tatbestandsmerkmal mit Wissen und Wollen verwirklichen.
Daraus folgt, dass esoterische Anbieter, die von dem Vorliegen ihrer parapsychologischen Fähigkeiten ausgehen, keine Täuschung und damit auch keinen Betrug begehen wollen.
Es wird nur in den Fällen zu einer Verurteilung kommen, in denen nachgewiesen wird, dass der Anbieter wirklich täuschen wollte.
Im Falle der Marianas, Donas, Nataschas, Dragicas und Co., die gezielt überängstliche Menschen vor Krankenhäusern, Arztpraxen und Kirchen ansprechen, sollte eine Betrugsabsicht nachweisbar sein.
Deren Opfer aber dürften sich kaum darüber im Klaren sein, dass sie sich in diesem Moment auf eine unmögliche Dienstleistung einlassen. Wieso sollten sie nicht schutzbedürftig sein, nur weil sie sich situativ außerhalb der geltenen Realitätsstandards bewegen? Warum sollte der Aberglaube des Opfers den Versuchstäter entlasten?
Insbesondere, wenn man an Fälle denkt, in denen der Kunde einen beträchtlichen Teil seines Vermögens für solchen Aberglauben ausgibt,
schrieb der Richter Ralf Neugebauer (Skeptix) zum BGH-Wahrsagerurteil:
Man hätte sich eine Entscheidung gewünscht, die letztlich irrende Verbraucher besser vor der skrupellosen Ausbeutung ihres Aberglaubens schützt, als es diese Entscheidung tut.

Wie das „Eintauchen in eine Märchenwelt“ schildert eine ehemalige Esoterikerin im ORF den spirituellen Kaninchenbau:
So wie ein Kind, das ein Märchen vorgelesen bekommt und sich denkt, wäre ich doch diese Prinzessin oder dieser Prinz, so habe ich mich da gefühlt.
Doch nur die Profiteure des Schwindels leben „wie die Könige“, stellten Journalisten beim Lokalaugenschein in der „Zentrale“ von Mariana M. in der Marktgemeinde Maria Enzersdorf fest.
Der Rückfall der Gesellschaft in Unvernunft und Wunderglaube wird die Jurisprudenz zunehmend vor zahlreiche praktische und dogmatische Herausforderungen stellen,
sagte die Augsburger Staatsanwältin Dr. Verena Dorn-Haag schon vor Jahren voraus. Die Juristenzunft rief sie dazu auf,
… sich mit kriminologischen Erkenntnissen auseinanderzusetzen, um den Zusammenhang zwischen dem Glauben an Hexerei und Magie und der Kriminalität zu begreifen.
Jetzt wäre wieder einmal Gelegenheit dazu.
Quellen:
- Harder, Bernd „Okkult-Betrug: Die dreiste Masche einer Fake-Schamanin“ skeptix (11. Februar 2025)
- Video „Schamanin ergaunert Millionen – Wie der Esoterik-Betrug funktionierte“ orf (17. Februar 2025)
- „Talk: Der Fall der Schamanin“ orf (13. Februar 2025)
- Al-Youssef, Muzayen „Die Schamanin, die mit Ritualen gegen tödliche Flüche Millionen ergaunerte“ derstandard (20. Februar 2025)
- „Weitere Festnahmen im Fall der Schamanin“ orf (20. Februar 2025)
- „Schamaninnen: Opfersuche in Oberösterreich“ orf (21. Februar 2025)
- Fegert, Caroline „Flüchtige Schamanin auch Invalidenpension bezogen“ meinbezirk.at (13. Februar 2025)
- „200.000 Euro in München ergaunert: Hellseherin in Wien verurteilt“ vienna.at (27. Juli 2016)
- Foran, Pat „Whitby woman wants refund after giving psychic over $50,000 to help her fall in love“ ctv-news (11. Februar 2025)
- Clark, John „Chicago psychic guilty of fraud for promising to remove curse, stealing $72K“ msn (10. Februar 2025)
- Palmer, Rob „Introducing Psychic-Busting Private Eye Bob Nygaard“ (1) skeptical inquirer (15. August 2018)
- Palmer, Rob „Introducing Psychic-Busting Private Eye Bob Nygaard“ (2) skeptical inquirer (22. August 2018)
- Palmer, Rob „A Psychic Fraud Investigator Weighs in on The Goop Lab“ skeptical inquirer (17. Februar 2020)
- Wilson, Michael „Telling Fortunes, and, From Time to Time, Also Taking Them“ New York Times (5. August 2011)
- „New York Fortune Telling Charge Explained“ Fast Law
- Tomsits, Christian „Zu Besuch in der Zentrale des Schamanen-Clans“ heute.at (27. Februar 2025)
Titelfoto: „Die Wahrsagerin“ von Caravaggio (1594)
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