Was in den letzten mehr als sieben Jahrzehnten versäumt worden ist, muss jetzt ohne Vorurteile und Angst vor Konsequenzen, aber natürlich dennoch rigoros wissenschaftlich untersucht werden.
Wirklich alle Aspekte des Phänomens sollten auf den Tisch, um sie zu prüfen, auch wenn sie heute noch so phantastisch erscheinen.
In der aktuellen Ausgabe von Sterne und Weltraum (2/2025) plädiert Hakan Kayal für eine „Entstigmatisierung“ des Ufo– beziehungsweise UAP-Phänomens.

Kayal ist Professor für Raumfahrttechnik an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg und gründete dort 2016 das Interdisziplinäre Forschungszentrum für Extraterrestrik (IFEX). 2023 und 2024 organisierte er einen „IFEX UAP Workshop“ mit hochkarätigen internationalen Referenten.
Zu der Veranstaltung im vergangenen Jahr heißt es auf der Homepage:
Berichte über Unbekannte Flugobjekte (UFO) oder Unidentified Anomalous Phenomena (UAP), wie sie heute meist genannt werden, gibt es schon lange.
Auch wenn der größte Teil der Beobachtungen durch bekannte Phänomene oder Objekte wie Flugzeuge, Drohnen, Wetterphänomene oder Raumfahrzeuge erklärt werden kann, entbehrt ein kleiner Teil nach wie vor einer eindeutigen und nachvollziehbaren Erklärung.
Genau darin liegt das Potential, tatsächlich etwas Neues und möglicherweise sehr Bedeutendes für die Wissenschaft und Gesellschaft zu entdecken.

Kayal gilt als grundseriöser Forscher, der die extraterrestrische Hypothese (ETH) in puncto Ufos ebenso wenig ausschließt wie Naturphänomene (zum Beispiel Sprites), geheime irdische Technologien (zum Beispiel Hyperschallwaffen), Fehlinterpretationen und Artefakte von elektronischen Erfassungsgeräten oder bewusst lancierte Bedrohungspropaganda.
In seinem Artikel spricht Kayal auch die „Tragweite“ der Beobachtung von oder sogar Interaktion mit Objekten möglicherweise nichtmenschlichen Ursprungs an. Die Bandbreite an Konsequenzen reiche „von völliger Bedeutungslosigkeit bis hin zur Erschütterung unseres Weltbildes“.
Das überrascht zunächst, denn wie Christian Alt und Christian Schiffer in ihrem Buch „Die Wahrheit ist (n)irgendwo da draußen“ darlegen, denken wir doch eigentlich
… seit jeher über die Frage nach, ob es da draußen intelligentes Leben gibt, und sind durch Unmengen an Science-Fiction für eine Begegnung mit Außerirdischen „gebrieft“ worden.
Sollte es wirklich zu einem Alien-Kontakt kommen, hätten wir schon eine grobe Vorstellung davon, mit wem wir es zu tun hätten und was das jetzt für eine Situation wäre.

Sogar von der katholischen Kirche gibt es eine Art inoffizielle Stellungnahme dazu, und zwar im Blog eines Father Mario Arroyo, wo er schreibt:
Wenn es Außerirdische gäbe, würden wir von der offensichtlichen Tatsache ausgehen, dass sie Geschöpfe Gottes wären, wie der Rest der Schöpfung. Außerirdisch ist kein Synonym für nicht erschaffen; und wenn es etwas Erschaffenes ist, ist es auch von Gott abhängig […]
Weder die Bibel noch der Katechismus behaupten, dass wir die Einzigen im Universum sind […] Die kosmische Zentralität von Jesus Christus würde nicht diskutiert werden, aber seine Art der Beziehung zu unseren interstellaren Nachbarn müsste spezifiziert werden.
Also alles halb so wild?
„Wir wissen es einfach nicht“, geben Alt/Schiffer zu bedenken.
- Erstens:
Egal, wie freundlich das Alien auch dreinschauen mag, irgendwo in uns wird auch das Misstrauen lauern, dass die Aliens bestimmt nur gekommen sind, um uns zu vernichten.
Panik könnte deswegen um sich greifen, Börsen würden kollabieren, vielleicht käme es sogar zu Massenselbstmorden.
- Zweitens:
Vor allem aber hätten Politik und Nationalstaaten ein Problem.
Die beiden Politikwissenschaftler Alexander Wendt und Raymond Duvall argumentieren, dass das Konzept des Nationalstaates grundlegend anthropozentrisch ist. Mit anderen Worten, es basiert auf der Annahme, dass Menschen das Zentrum der politischen Welt bilden. Sollten Außerirdische in unser politisches Bewusstsein treten, würde dies diese grundlegende Annahme in Frage stellen.
Das könnte die Autorität und Legitimität menschgeschaffener politischer Strukturen, so wie wir sie kennen, vollkommen untergraben. Und das wiederum könnte zu einem Machtverlust der Staaten führen, was wiederum die öffentliche Ordnung destabilisiert.
Die Folge: Die Macht der Staaten erodiert, die öffentliche Ordnung bricht zusammen. Unruhen und Bürgerkriege greifen um sich und irgendwann das totale Chaos.

Ob es jemals so weit kommen wird?
Das kann niemand sagen, aber „vor dem Hintergrund der potenziell neuen Entdeckungen mit möglicherweise hoher Tragweite“ werden „belastbare, objektive, wissenschaftlich auswertbare Daten benötigt“, erklärt Hakan Kayal in seinem Beitrag für Sterne und Weltraum.
Und das scheint genau das Problem zu sein.
Kayal nimmt Bezug auf den „Nimitz-Vorfall“ von 2004, bei dem Objekte mit ungewöhnlichen Flugeigenschaften per Schiffsradar der US-Navy-Flotte geortet wurden:
Diese sollten durch zwei Kampfjets vom Typ F18 abgefangen und aufgeklärt werden.
Die für diesen Zweck entsandten Besatzungen der Kampfjets konnten mindestens eines der an Tic-Tac-Bonbons erinnernden Objekte minutenlang aus der Nähe beoachten und berichteten später in zahlreichen Interviews darüber.

Der Professor für Raumfahrttechnik betrachtet diesen Fall (auch FLIR oder Tic-Tac-Sichtung genannt) als ungeklärt und sieht „momentan keine Lösung“ dafür. Auch sei zu bedenken, dass „zu diesem Vorfall sicherlich mehr Daten vorliegen, als öffentlich für die Wissenschaft zur Verfügung stehen – leider.“
Beides ist möglicherweise nicht ganz korrekt.
In der renommierten Wissenschaftssendung Nova PBS sagte vor wenigen Tagen Sean Kirkpatrick, Physiker und ehemaliger Direktor der amerikanischen Ufo-Untersuchungsbehörde AARO, dass brauchbare Tic-Tac-Daten nicht existieren:
Der Pilot hat zwar etwas gesehen, aber einige der wichtigsten technischen Fragen waren zu diesem Zeitpunkt nicht untersucht worden. Und der Versuch, diese jetzt zu untersuchen, wird uns nicht viel bringen, weil es nichts wirklich zu untersuchen gibt.
Je weiter man in der Zeit zurückgeht, desto weniger Daten gibt es für jeden dieser Fälle. Es gab im Jahr 2004 keine Richtlinie zur Datenspeicherung für diese Art von Ereignissen.

In derselben Sendung demonstrierte der US-Skeptiker und Debunker Mick West seine Erklärung für den Tic-Tac-Radarkontakt: ein entferntes Flugzeug, wobei die scheinbare Ping-Pong-Ball-Bewegung durch den Wechsel der Kameramodi und eine sogenannten Gimbal-Aufhängung verursacht wurde. Das, was die Jetpiloten parallel dazu sahen, sei wohl ein Ballon gewesen.
Dazu gibt es auch eigene Videos von West und eine ausführliche Diskussion bei Metabunk. Seine Methode beschreibt er in einem aktuellen Artikel für den Skeptical Inquirer.

Natürlich hat Kayal recht, dass „wir der Sache auf den Grund gehen müssen und sie nicht länger ignorieren dürfen“.
Ob dabei allerdings etwas Welterschütterndes herauskommt, ist eher fraglich.
Im Januar hatte US-Präsident Donald Trump vollmundig versprochen, am Tag nach seiner Amtseinführung die mysteriösen Drohnensichtungen am Himmel im Nordosten der USA aufzuklären:
Ich denke, es ist absurd, dass die Regierung Ihnen nicht sagt, was mit diesen Drohnen da vor sich geht.
Und dann?

Bei ihrer ersten Pressekonferenz am 28. Januar verlas die neue Mediensprecherin des Weißen Hauses, Karoline Leavitt, dieses „Update on the New Jersey drones“:
Nachforschungen und Untersuchungen haben gezeigt, dass es sich bei den Drohnen, die in großer Anzahl über New Jersey flogen, um von der [US-Bundesluftfahrtbehörde] FAA (Federal Aviation Administration] autorisierte Flüge zu Forschungs- und anderen Zwecken gehandelt hat.
Viele dieser Drohnen wurden auch von Hobbyfliegern und Privatpersonen in ihrer Freizeit gesteuert, die Freude daran haben, Drohnen zu fliegen. Aufgrund der öffentlichen Neugier wurde die Situation zeitweise schlimmer.
Aber, das war nicht der Feind.
Das ist alles? Weder feindliche Invasoren noch „jüdische Weltraum-Laser“?
Skeptiker wie Mick West …

… und Geneigte wie Andreas Müller von grenzwissenschaft-aktuell
Ganz sicher handelt es sich nicht um eine Erklärung für unidentifizierte Überflüge über einige der teils sensibelsten Militär- und Forschungsanlagen und deren eigentlich gesicherte Sperrzonen der USA, die spätestens seit 2023 immer wieder von bis heute „Drohnen“ überflogen werden, die selbst mit modernster Technologie weder vorab verhindert, gestoppt noch identifiziert und ihrer Herkunft zugeordnet werden konnten.
mögen aus unterschiedlichen Gründen mit diesem Statement unzufrieden sein.
Aber das ändert nichts daran, dass der Ufo-Hype in den USA „hausgemacht“ ist, wie Hansjürgen Köhler vom „Centralen Erforschungsnetz außergewöhnlicher Himmelsphänomene“ (CENAP) erklärt. Immer neue Auftritte von angeblichen „Ufo-Whistleblowern“ aus amerikanischen Militär- oder Regierungskreisen enden immer gleich – nämlich
… wenig eindeutig und in der präsentierten Form kaum überprüfbar,
räumte auch grenzwissenschaft-aktuell zuletzt am 19. Januar ein, als es wieder einmal um phantastische Geschichten von der Bergung eines Ufos ging.
Dass
… die Rückkehr des Ufos ins kulturelle Bewusstsein das Ergebnis von gezielter Arbeit einer relativ kleinen, eng vernetzen Gruppe von Aktivisten
ist, hat sich mittlerweile bis zu den Leitmedien wie Zeit, Welt, New York Post oder New York Times herumgesprochen (sogar bei Wikipedia gibt es den kritischen Eintrag „David Grusch UFO whistleblower claims“, auch auf Deutsch).

Eine der Hauptfiguren aus diesem Umfeld der Skinwalker Ranch, der Astrophysiker Eric Davis, der seit längerem abgedreht ist (siehe hier oder hier), geht sogar noch einen Schritt weiter. Davis (o.r.) erklärte bei einer Call-in-Sendung der Sol-Foundation am vergangenen Samstag (ab Minute 24:30), dass religiöse Fundamentalisten in höchsten Regierungsämtern Ufos für satanische Manifestationen hielten. Diese lose Gruppe von Evangelikalen tue seit Jahren alles, um eine rationale Untersuchung des Phänomens zu behindern.
Sollte das tatsächlich der Wahrheit entsprechen, gäbe es in den Vereinigten Staaten mehrere Fraktionen, die hinter den Kulissen erbittert um die Deutungshoheit über das Ufo-/UAP-Phänomen kämpfen: überzeugte „Aufdecker“, fanatische Vertuscher, nüchterne Besorgte um die nationale Sicherheit, Geschäftemacher, Geltungssüchtige und nicht zuletzt Politiker, die denken, „dass es ihr Profil erhöht, wenn sie dazu Fragen stellen“ (Alt/Schiffer).
Und vielleicht sogar noch einige Akteure mehr. Kein Wunder also, dass der Ufo-Diskurs so verläuft, wie er verläuft.
All dies eingedenk, kann man Prof. Kayal nur das Beste wünschen für seine vernunftgeleitete Forschung.
Quellen:
- Kayal, Hakan „Ufos – was ist wirklich dran?“ sterne und weltraum (2/2025)
- „Rekordzahl von UFO-Sichtungen bei Meldestelle eingegangen“ zeit-online (10. Januar 2025)
- „Mehr als 1.000 UFO-Sichtungen eingegangen“ zdf (10. Januar 2025)
- Hanke, Wolfram „Zentrum für Extraterrestrik in Würzburg“ Bayern 2 (5. April 2023)
- Slatky, Ronald „Ufos – zwischen Gedankenspielen und Verschwörungstheorien“ spektrum (27. Februar 2024)
- Konitzer, Franziska „Rätselhafte Phänomene: Warum UFOs out und UAPs in sind“ BR24 (27. September 2023)
- Alt, Christian/Schiffer, Christian „Die Wahrheit ist (n)irgendwo da draußen“ Goldmann (20. September 2023)
- West, Mick „Quick Guide to Modern Video Analysis Techniques for UAP (and UFOs)“ skeptical inquirer (Januar/Februar 2025)
- „Mysteriöse Drohnen in den USA sind doch nicht mysteriös“ standard (30. Januar 2025)
- Müller, Andreas „Trump will am Tag nach der Amtseinführung Drohnen-Überflüge aufklären“ grewi-aktuell (10. Januar 2025)
- Müller, Andreas „Trump: Drohnen über New Jersey waren konventionelle Fluggeräte“ grewi-aktuell (28. Januar 2025)
- Müller, Andreas „Neuer US-UFO-Whistleblower behauptet, an UFO-Bergung beteiligt gewesen zu sein“ grewi-aktuell (19. Januar 2025)
Titelfoto: New Jersey drone night
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