Schwarz-Weiß-Fotografie eines Mannes in formeller Kleidung mit zurückgekämmtem Haar. Das Bild wurde nachträglich bearbeitet, sodass er eine rote Clownsnase mit elastischem Band trägt.

Danke für den Lacher, Rudi!

(Lesedauer ca. 4 Minuten)

von Sarah Grundner

100. Todestag. „Schreibst uns was zu Rudi?“ haben sie mich gefragt. „Wäre cool.“

Und, ja. Klar. Gerne. Und dann ist mir erstmal aufgefallen, wie wenig ich als Kind tatsächlich über „Rudi“ wusste. Wenn ich mehr gewusst hätte, hätte ich mich vielleicht früher befreien können.

Als Kind an der Waldorfschule war mir nicht so wirklich klar, was das Besondere an unserer Schule war, aber ich wusste, wer sie gegründet hatte.

Die Erwachsenen sprachen in hochachtungsvollem Ton von ihrem “Doktor”, und sein Portrait hing in der Schule. Ich glaube, es hätte mir damals sehr gut getan, ab und zu ein bisschen über diesen „Guru“ zu lachen.

Mir waren schon damals heilige Autoritätspersonen nicht sonderlich sympathisch, aber als Kind konnte ich das nicht einordnen. Wir wussten nicht viel über ihn persönlich, aber wir kannten die Gründungslegende.

“Eine Schule für Arbeiter:innen Kinder” hätte er gegründet, damit die “auch eine gute Bildung bekommen.”

Aber ganz ehrlich? Ganz so einfach war es dann doch nicht. 

Ein bisschen muss ich ausholen. Aber nur ein kleines bisschen.

Rudolf Steiner wurde am 27. Februar 1861 in Donji Kraljevec geboren. Das war damals im Königreich Österreich-Ungarn und gehört heute zu Kroatien.

Er kam nach Wien, um hier zu studieren, wie so viele.

Erst hat er es an der Technischen Hochschule mit Mathematik, Chemie, Physik und Biologie probiert. Er wollte eigentlich das Lehramt für Realschulen erreichen.

Stattdessen hat er sein Studium abgebrochen, um als Hauslehrer zu arbeiten, und zog später nach Weimar um. 

Und weil aus dem Doktortitel in Wien nichts wurde, hat er seine Arbeit von Weimar aus einfach an der Philosophischen Fakultät der Universität Rostock eingereicht.

48 Seiten. Als Note gab’s nur ein “rite”, also gerade einmal ausreichend.

Steiner trat 1902 der Theosophischen Gesellschaft bei und wurde noch im selben Jahr der Vorsitzende der deutschen Sektion.

Die nächsten gut 20 Jahre bis zu seinem Tod verbrachte er hauptsächlich mit Vortragsreisen im gesamten deutschsprachigen Raum und hat über 6.000 Vorträge gehalten. Ein großer Teil davon wurde tatsächlich mitgeschrieben und ist bis heute im Steiner-Archiv online verfügbar.

In dieser Zeit hat er die Anthroposophie erfunden. Seine persönliche Mischung aus Theosophie, Karmalehre, Christentum und was auch immer ihm sonst in den Kopf kam. 

Und noch etwas Wichtiges ist in dieser Zeit passiert: Er lernte Emil Molt kennen, den Gründer der Zigarettenfabrik Waldorf Astoria. Dieser wurde bald auch Anthroposoph.

Und jetzt kommen wir auch schon zur eingangs erwähnten Gründungslegende.

Diese ist leider nicht ganz wahr. Weil Molt auch Anthroposoph war, wollte er schon auch eine anthroposophische Schule haben. Also eine, auf die auch Anthroposoph:innen ihre Kinder schicken können, weil dort nach dem anthroposophischen Menschen- und Weltbild unterrichtet wird.

So kam es, dass 1919 in Stuttgart die erste Waldorfschule entstand, auf die neben den 191 Arbeiter:innenkindern auch 65 Kinder aus besser gestellten, anthroposophischen Haushalten gingen.

Schon nach wenigen Jahren hatte sich das Verhältnis umgedreht.

Auch heute noch ist die Waldorfschule eine weltanschauliche, anthroposophische Schule voller Esoterik, Karmalehre und Klassismus, und den Eltern ist das ebenso wenig klar wie den Schülerinnen und Schülern.

Als Schülerin wusste ich nicht viel über Rudolf Steiner. Ich wusste seine Lieblingsfarbe, aber ich kannte seine Geschichte nicht, und nur wenige seiner Schriften. Ausgewählte Gedichte und Sprüche lernten wir auswendig – aber die besten Sachen haben sie uns vorenthalten. Ich glaube, es täte uns allen gut, etwas mehr über unantastbare Figuren zu lachen. 

Und deshalb werde ich diesen Text mit ein paar Steiner-Zitaten beenden.

Kaffee führt bei Frauen zu Hysterie:

“Kaffeegenuß unterstützt das logische Denken; aber von Kaffeegenuß allein werden wir noch keine logisch denkenden Menschen, denn da gehört noch mehr dazu. Und bei Menschen, bei denen nicht das denkerische Prinzip vorherrscht, wie das häufig bei Frauen geschieht, da führt der zu reichliche Kaffeegenuß zu Hysterie.”

Rudolf Steiner, GA 266a, S. 558ff

Oder die Ernährungsweise “früher”:

“Früher konnten die Menschen den Nahrungsstoff aus der unmittelbaren Umgebung aufnehmen, so wie heute die Lunge die Luft aufnimmt. Der Mensch war damals durch Saugfäden verbunden mit der ganzen ihn umgebenden Natur, so ähnlich wie heute der menschliche Embryo im Leibe der Mutter ernährt wird. Das war die alte Ernährungsform auf der Erde.”

Rudolf Steiner, GA 107, S. 76f

Wenn ich als Schülerin gewusst hätte, was für Käse der große Schulgründer so von sich gegeben hat, hätte ich viel früher über ihn lachen können.

Und Lachen befreit.

Quellen

Zitate
GA 266a, S. 558ff
GA 107, S. 76f

Zum weiterhören:

ÖsterreichWTF Special mit Lea Roth

Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

RSS Feed

Hier könnt ihr den Blog als Feed abonnieren.


Neuste Beiträge


Schlagwörter

Aliens Alternativmedizin Anthroposophie Astrologie Außerirdische Berlin Corona Demokratie Esoterik Fabian Deister Fake News Frau Lea Geister Homöopathie Justiz Künstliche Intelligenz Lisa-Maria Kellermayr Mariana M. Mick West Mind Control OCG Pseudomedizin Querdenker Recht Reichsbürger Rituelle Gewalt Rudolf STeiner Satanic Panic Schamanin Science Cops Sebastian Bartoschek Sekten SkepTeam Berlin Skeptics in the Pub Skeptics in the Pub Berlin Skeptics in the Pub Köln Skeptizismus stammtisch Ufos Vampire Verschwörungstheorien Waldorf Weltuntergang Wissenschaft WTF-Talk


Neuste Kommentare